Renaturierungen planen, umsetzen und kontrollieren
Naturnahe Gewässerentwicklung ist ein komplexes Unterfangen. Es gilt klare Renaturierungsziele zu formulieren, dabei verschiedene Interessen abzuwägen und vielfältige Gesetzesvorgaben zu berücksichtigen. Ein gut strukturiertes Planungsmanagement schafft die Voraussetzungen für einen ausgewogenen Lösungsweg und eine effiziente Maßnahmenumsetzung.
Problembeschreibung: Inwiefern ist das Gewässer beeinträchtigt?
Der Grund für die Planung einer Renaturierungsmaßnahme ergibt sich oft aus einem konkreten Anlass, Problem oder Bedarf heraus. Dies können beispielsweise ein schlechter ökologischer Zustand oder große Hochwasserschäden sein. Wird ein Problem als gravierend bewertet, dann wird eine Planung veranlasst und ein entsprechendes Projekt definiert. Das Projekt verlangt eine klare Zielstellung wie z. B. die Verbesserung der Gewässerstruktur oder die Wiederherstellung der Durchgängigkeit.
Zieldefinition: Welches Entwicklungsziel soll erreicht werden?
Die Formulierung konkreter Planungsziele erleichtert den gesamten Planungsprozess. Renaturierungen sind nur dann effektiv, wenn die Ursachen der Probleme bei der Planung berücksichtigt werden. Neben lokalen (z. B. Querbauwerk, Sohlverbau) sind oftmals übergeordnete Faktoren (z. B. verändertes Abflussregime oder beeinträchtigter Sedimenthaushalt) ausschlaggebend für lokal veränderte Gewässerstrukturen. Mehr dazu: Faktoren für die Auswahl von Maßnahmentypen zur Gewässerrenaturierung) Jeder Gewässerabschnitt hängt von den vor- und nachgelagerten Abschnitten ab, mit denen er verbunden ist. Der lokale Zustand sollte daher großräumig analysiert und verstanden werden. Dafür ist es oftmals notwendig einen Blick auf das Einzugsgebiet des Gewässers zu werfen und sich mit dem Gewässertyp zu befassen. Mehr dazu: Gewässerleitbild gibt die Richtung der Renaturierungsmaßnahmen vor
Konzeptionelle Planungen als Grundlage für Renaturierungen
Für Gewässer mit einem Einzugsgebiet größer als 10 m² erstellen die Bundesländer großräumige konzeptionelle Planungen in Form von Bewirtschaftungsplänen und Maßnahmenprogrammen. Diese geben den Rahmen für die Planung lokaler Renaturierungsprojekte vor. Bei kleineren Gewässern fehlen diese Konzepte häufig. Aber auch hier ist eine Vorplanung durchaus sinnvoll. Hierfür bieten sich eine Machbarkeitsstudie oder ein Gewässerentwicklungskonzept als erster Schritt an. Dazu gibt es in den Bundesländern unterschiedliche Vorgaben. Mehr dazu: Fachliche Unterstützung für Gewässerrenaturierungen
Finanzierung klären
Je nach Art der Renaturierungsmaßnahme können die Kosten für die Umsetzung sehr hoch sein. Damit solche Maßnahmen dennoch realisierbar sind, bieten sich für Maßnahmenträger zahlreiche Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten. Dazu zählen Förderprogramme der Bundesländer und der Europäischen Union, sowie Ausgleichsmaßnahmen im Rahmen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung. Aber auch Stiftungen und Sponsoren kommen in Frage. Vor allem durch eine geschickte Kombination mehrerer Instrumente lassen sich Renaturierungsprojekte bis zu 100 % finanzieren. Mehr dazu: Finanzierung und Förderung von Gewässerrenaturierungen
Flächen sichern
Eine wesentliche Voraussetzung für eine naturnahe Gewässerentwicklung ist die Sicherung der dafür notwendigen Flächen. In vielen Fällen ist die fehlende Flächenverfügbarkeit die größte Herausforderung, um Renaturierungsprojekte umsetzen zu können. Zu den üblichen Instrumenten der Flächensicherung zählen insbesondere Ankauf bzw. Tausch von Flächen und die Bereitstellung von Ausgleichsflächen im Rahmen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung. Mehr dazu: Instrumente für Flächenbereitstellung und -management
Informieren und beteiligen
Behörden, Verbände, Vereine, Landwirtschaft oder Bevölkerung – viele Akteure sind an Renaturierungsprojekten beteiligt. In der Praxis bestehen häufig Unsicherheiten über den Ablauf eines Renaturierungsprojektes. Zuständigkeiten, Ansprüche und das Zusammenspiel der einzelnen Planungsinstrumente sind oftmals unklar. Das kann zu Konflikten führen. Eine wichtige Aufgabe des Maßnahmenträgers ist es deshalb, frühzeitig und in allen Planungsphasen mit den Beteiligten zu kommunizieren und die Zusammenarbeit zu koordinieren. Alle Beteiligte sollten die Möglichkeit zur Mitgestaltung erhalten. Dies fördert auch das gegenseitige Verständnis, schafft Akzeptanz und gibt Planungssicherheit für alle. Mehr dazu: Kooperation und Partizipation für erfolgreiche Renaturierungen
Kooperation zwischen Behörden
Oft sind die Wasserwirtschaftsverwaltungen verantwortlich für Renaturierungen. Sie binden andere Ressorts und Behörden ein (z. B. Umwelt- und Stadtplanung, Denkmalpflege), damit ökologische und städtebauliche Aspekte bei der Planung beachtet werden (Mehr dazu: Gewässerentwicklung geht (fast) überall). Wenn Maßnahmenkonzepte erstellt und Einzelmaßnahmen geplant werden, sind die Interessen des Naturschutzes zu berücksichtigen (Mehr dazu: Naturschutz und Gewässerentwicklung – ein schönes Paar). Die Raumordnung hilft dabei, dass der Flächenbedarf für eine naturnahe Fließgewässerentwicklung besser realisiert werden kann. Konflikte und Synergien (z. B. Hochwasserschutz) können so leichter erkannt und bearbeitet werden (Mehr dazu: Hochwasser durch Renaturierung entschärfen).
Behördliche Kooperationen dienen auch dem Austausch von Fachwissen. Für Renaturierungsprojekte benötigen die Maßnahmenträger qualifiziertes Personal oder fachliche Beratung. Unterhaltungspflichtige können sich zu Verbänden oder Gewässernachbarschaften zusammenschließen und sich gegenseitig bei Renaturierungsmaßnahmen unterstützen. Zudem bieten sich Partnerschaften mit Institutionen an, die in der Region etabliert sind und in denen regionale Akteure bereits gut zusammenarbeiten. Dies können z. B. Landschaftspflegeverbände, biologische Stationen, regionale Entwicklungsgruppen, Angelvereine (Mehr dazu: Lokale Fischexpertise für Gewässerentwicklung einbinden) oder Wasser- und Bodenverbände sein (DVL 2010). Mehr dazu: Kooperation mit Fachverwaltungen und regionalen Akteuren
Partizipation betroffener Personen
Personen, die gewässernahe Flächen besitzen oder nutzen, sollten bei der Planung und Umsetzung von Renaturierungen beteiligt werden. Das kann wesentlich zur Akzeptanz von Maßnahmen beitragen. Die größten Chancen für eine konstruktive Zusammenarbeit bestehen dann, wenn die Interessen und Belange der betroffenen Personen angehört und berücksichtigt werden. Ideal sind Lösungen, bei denen beide Seiten einen Vorteil erhalten, etwa durch einen Flächentausch von Grundstücken (Mehr dazu: Flächenbereitstellung für Gewässerrenaturierungen). Freiwillige Gewässerschutzmaßnahmen von Beschäftigten in der Landwirtschaft können auch mit Hilfe von Agrarumweltprogrammen oder anderen Umweltförderprogrammen honoriert werden. Finanzielle Anreize für eine Extensivierung der Nutzung sind hierbei ebenso von Bedeutung wie ein Vertragsnaturschutz durch die Grundstücksbesitzer (Mehr dazu: Renaturierung im Einklang mit der Land- und Forstwirtschaft).
Öffentlichkeit einbinden
Menschen identifizieren sich mit "ihren" Gewässern und wollen wissen, was in ihrem Lebens- und Wohnumfeld passiert. Je besser und verständlicher Renaturierungsprojekte und deren Zweck erläutert werden, umso leichter lassen sich Bedenken aus der Welt schaffen. Frühzeitige Öffentlichkeitsarbeit kann auch hilfreiche Rückmeldungen für die Planung liefern. Ein professioneller Auftritt mit klaren Aussagen sowie zielgruppengerechter Auswahl von Inhalten und Medien (z. B. Schautafeln, Faltblätter, Presseartikel, Infostände) sind hilfreich. Die Mobilisierung Freiwilliger kann nicht nur einzelne Vorhaben unterstützen, sondern auch die Menschen für den Gewässerschutz sensibilisieren. Für eine effektive Einbindung sollten haupt- und ehrenamtliche Aktivitäten von den Projektverantwortlichen miteinander abgestimmt werden. Mehr dazu: Partizipation wagen
Planungsverfahren für Renaturierung festlegen
Renaturierungsprojekte können im Rahmen einer Planänderung, Planfeststellung, Plangenehmigung oder im Rahmen der Gewässerunterhaltung durchgeführt werden. Der konkrete Planungsprozess von kleinen und großen Projekten kann sehr unterschiedlich sein und ist abhängig von der Verfahrensart. Welche Verfahrensart im Einzelfall durchzuführen ist, entscheidet die Genehmigungsbehörde. Die gesetzlichen Vorgaben und Anforderungen können je nach Bundesland abweichen. Eine Entscheidungshilfe für die Auswahl der günstigsten Verfahrensart liefert das DWA-Merkblatt DWA-M 617 "Naturschutz bei Planung und Genehmigung von Fließgewässerrenaturierungen".
Bei kleineren Projekten erfolgt in der Regel eine Abstimmung mit der Genehmigungsbehörde, um den Untersuchungsrahmen zu bestimmen. Viele Ämter haben Listen, die den Planungs- bzw. Untersuchungsrahmen abstecken (Mehr dazu: Fachliche Unterstützung für Gewässerrenaturierungen). Kleinere Projekte lassen sich ggf. nach Abstimmung mit der Genehmigungsbehörde auch im Rahmen der Gewässerunterhaltung umsetzen. Die Abgrenzung zwischen Gewässerausbau und Gewässerunterhaltung kann in der Regel nicht nach einheitlichen Kriterien erfolgen und bedarf deshalb einer Einzelfallbeurteilung (Mehr dazu: Noch Unterhaltung oder schon Umbau? – ein wichtiger Unterschied).
Größere Renaturierungsprojekte werden hingegen meist durch ein Planfeststellungsverfahren oder Plangenehmigungsverfahren realisiert. Diese Begriffe werden im § 68 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) erläutert. Wurde bereits im Zuge früherer Verfahren eine Planfeststellung oder eine Plangenehmigung vorgenommen, so können Renaturierungsmaßnahmen möglicherweise nur über eine Planänderung des ehemaligen Beschlusses stattfinden. Ist dies nicht der Fall, ist entweder ein Plangenehmigungs- oder ein Planfeststellungsverfahren erforderlich, je nachdem ob die Maßnahme UVP-pflichtig ist oder nicht. Grundsätzlich bietet ein Planfeststellungsverfahren eine höhere Rechtssicherheit durch die Einbeziehung privater Ansprüche und die Beteiligung der Öffentlichkeit.
Finden Renaturierungsmaßnahmen an Anlagen, z. B. zur Herstellung der ökologischen Durchgängigkeit, statt, so können unter Umständen über ein Anlagengenehmigungsverfahren kleinere Maßnahmen durchgeführt werden. Dies ist nur zulässig sofern damit keine wesentliche Umgestaltung eines Gewässers nach § 68 Abs. 2 WHG verbunden ist.
Planen und Genehmigung einholen
Die erforderlichen Antragsunterlagen in einem wasserrechtlichen Plangenehmigungs- oder Planfeststellungsverfahren nach § 68 WHG setzen sich aus einem technisch-wasserwirtschaftlichen Teil und den Umweltfachbeiträgen zusammen. Beide Teile sind miteinander verknüpft (DWA 2017). Häufig bilden Planungsbüros daher Arbeitsgemeinschaften, um das gesamte Planungsspektrum abzudecken und die verschiedenen Arbeitsschwerpunkte zu bearbeiten.
Technisch-wasserwirtschaftliche Planung
Die technisch-wasserwirtschaftliche Planung konkretisiert die Entwicklungsziele (z. B. Verringerung von Hochwasserschäden) in Form von spezifischen Einzelmaßnahmen (z. B. Rückverlegung eines Deiches). Die Planung des Entwicklungsziels orientiert sich an einem Gewässerleitbild. Je nach Gewässertyp gibt es verschiedene Leitbilder. Diese werden in der UBA-Publikation "Hydromorphologische Steckbriefe der deutschen Fließgewässertypen" anschaulich beschrieben und dargestellt.
Restriktionen für die Gewässerentwicklung müssen mit in die Planung des Entwicklungsziels einbezogen werden (z. B. Naturschutz, Hochwasserschutz, Denkmalschutz, Bodenschutz, u. a.). Ingenieurbauwerke wie Brücken oder Durchlässe sind neu zu planen oder zu überarbeiten, wenn sie von der Renaturierung betroffen sind.
Die technisch-wasserwirtschaftliche Planung einer Renaturierungsmaßnahme wird in der Regel von einem Planungsbüro mit einer Abteilung für naturnahen Wasserbau durchgeführt. Die Arbeitsschritte orientieren sich an den Leistungsphasen der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI).
Umweltfachbeiträge
Während Renaturierungen umgesetzt werden, kann es zu Beeinträchtigungen der Umwelt kommen. Dies ist vor allem bei größeren Projekten in empfindlichen Gebieten wahrscheinlich. Im Rahmen der Umweltplanung wird deshalb geprüft, inwieweit sich das Vorhaben auf die Umwelt auswirken kann. Es gibt vier Bereiche in der Umweltplanung, die bei einer Renaturierung eine Rolle spielen:
Der Planfeststellungsbeschluss oder die Plangenehmigung sind Voraussetzung für die Umsetzung eines Vorhabens. Eine gute Zusammenarbeit des Maßnahmenträgers und der beauftragten Planungsbüros mit den Genehmigungsbehörden und Naturschutzakteuren, sowie der Land- und Forstwirtschaft ermöglicht ein Planungsergebnis, das gute Chancen auf Genehmigung hat.
Alle entscheidungsrelevanten Unterlagen und Ergebnisse einer wasserwirtschaftlichen Planung werden der Genehmigungsbehörde in einem Erläuterungsbericht vorgelegt (DWA 2018). In dem Planfeststellungsbeschluss oder der Plangenehmigung werden auch Umweltauflagen festgesetzt. Diese Auflagen sind verbindlich umzusetzen.
Auch nach der Genehmigung einer Renaturierungsmaßnahme können Fachbeiträge von Naturschutz und Landschaftsplanung notwendig werden. Dazu zählen:
Landschaftspflegerische Ausführungsplanung,
Ökologische Baubegleitung bzw. Umweltbaubegleitung,
Betrieb, Unterhaltung, dauerhafte Sicherung.
Baumaßnahme durchführen
Nachdem die Genehmigung durch die zuständige Behörde erteilt wurde, schließen sich die folgenden Phasen an:
Technische Ausführungsplanung – Die vorangegangene Genehmigungsplanung wird soweit konkretisiert, dass die Baumaßnahme realisiert werden kann.
Ausschreibung – Hierzu liefert die HOAI ausführliche Informationen.
Vergabe – Es sollte darauf geachtet werden, dass das ausführende Unternehmen Erfahrung im Bereich "Naturnaher Wasserbau" (Patt et al. 2011) hat.
Bauausführung – Jetzt wird die Renaturierung durchgeführt bzw. das Gewässer umgestaltet.
Technische Bauaufsicht – In Abstimmung mit der zuständigen Aufsichtsbehörde stellt die Bauaufsicht die ordnungsgemäße Abarbeitung der technischen Ausführungsplanung sicher.
Ökologische Baubegleitung – Die ökologische Baubegleitung überwacht die Einhaltung der Umweltauflagen (DWA 2015).
Abnahme – Die Baumaßnahme endet mit der Bauabnahme durch den Maßnahmenträger und die Aufsichtsbehörde.
Gewässerunterhaltung
Manche Renaturierungen können Veränderungen der Gewässerunterhaltung nach sich ziehen. Zum Beispiel kann es im urbanen Raum nötig sein, das Wachstum der Gehölze in Folge einer Renaturierung zu kontrollieren, damit sich der Wasserstand bei einem Hochwasser durch den Aufstau an den Gehölzen nicht weiter erhöht. Eine angepasste Gewässerunterhaltung gewährleistet in solchen Fällen einen geregelten Abfluss und einen angemessenen Hochwasserschutz. Mehr dazu: Naturnahe Gewässerunterhaltung als Renaturierungsmaßnahme
Erfolgskontrolle mit Monitoring vorher / nachher
Um ein Entwicklungsziel für eine Gewässerrenaturierung – wie zum Beispiel das Erreichen der Strukturklasse 2 – festlegen zu können, muss zunächst der Ist-Zustand erfasst werden. Auch um die ökologischen Veränderungen durch die Renaturierung und damit den Erfolg der Maßnahmen beurteilen zu können, muss das Gewässer vor und nach der Maßnahme untersucht werden.
Schon bei den ersten konkreten Überlegungen zu einer Renaturierung sollte eine Gewässerstrukturkartierung für die hydromorphologische Qualität und eine Bestanderfassung der Flora und Fauna für eine valide Beurteilung der Schutzgüter Tiere und Pflanzen erwogen werden.
„Für Mensch und Umwelt“ ist der Leitspruch des UBA und bringt auf den Punkt, wofür wir da sind. In diesem Video geben wir Einblick in unsere Arbeit.
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