FAQs – Rechtsschutz/Verbandsklage

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Welche Mitwirkungs- und Klagemöglichkeiten den Umweltverbänden zustehen oder zustehen sollten, ist immer wieder Gegenstand von Diskussionen. Dieser Beitrag enthält Antworten auf häufig gestellte Fragen. Er gibt einen Überblick zum aktuellen Stand des Wissens, ausgehend von den Ergebnissen mehrerer Studien zur Untersuchung der Wirkung der Umweltverbandsklage. Eine Übersicht über die Studien finden Sie am Ende der Seite.

 

Warum eine Umweltverbandsklage?

Wirksamer Umweltschutz bedarf auch der aktiven Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Konkrete Hinweise aus der Bevölkerung können dazu beitragen, die Anwendung und Durchsetzung umweltrechtlicher Vorschriften zu verbessern. Umweltverbände haben oft spezielle Kenntnisse über den Umweltzustand vor Ort. Durch ihre Stellungnahmen zu geplanten Vorhaben können sie dieses Fachwissen in die Entscheidung der Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden einbringen und so zu besseren Entscheidungen für die Umwelt beitragen. Eine wissenschaftliche Untersuchung der Wirkungen des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes hat ergeben, dass bereits die bloße Möglichkeit, dass eine Vereinigung gerichtlich gegen ein Vorhaben vorgehen könnte, dafür sorgt, dass Vorhabenträger und Behörden die von den Umweltverbänden vorgebrachten Umweltbelange besser berücksichtigen. So führen die Genehmigungsbehörden eine genauere Sachverhaltsermittlung durch (etwa durch zusätzliche Gutachten) oder erteilen zusätzliche Auflagen zugunsten des Umweltschutzes.

Trotz der Mitwirkung der Verbände bestehen manchmal Zweifel, ob Umweltbelange und umweltrechtliche Vorgaben bei den Verwaltungsentscheidungen ausreichend beachtet wurden. Dann ist es erforderlich, solche Verwaltungsentscheidungen mit erheblichen Umweltauswirkungen auch gerichtlich überprüfen lassen zu können. Genau dies ermöglicht die Umweltverbandsklage den anerkannten Umweltverbänden. Durch die gerichtliche Überprüfbarkeit solcher Verwaltungsentscheidungen wird das geltende Umweltrecht besser eingehalten – es können wichtige Rechtsfragen geklärt und rechtswidrige Verwaltungsentscheidungen aufgehoben werden.

Die Umweltverbandsklage ist im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz geregelt. Das Gesetz setzt zwingende Vorgaben des europäischen Rechts zum Zugang zu Gerichten um. Vom Anwendungsbereich umfasst werden beispielsweise umweltrelevante Pläne und Programme sowie Entscheidungen über die Zulassung bestimmter Anlagen und Vorhaben, die einer ⁠Umweltverträglichkeitsprüfung⁠ unterliegen. Außerdem hat der Gesetzgeber mit dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz die Vorgaben der 1998 auch von Deutschland ratifizierten Aarhus-Konvention umgesetzt.

 

Warum dürfen nur anerkannte Umweltvereinigungen als „Anwälte der Umwelt“ vor Gericht klagen?

Die Umweltverbandsklage stellt eine Besonderheit im deutschen Rechtssystem dar. Die Möglichkeit, Verwaltungsentscheidungen anzufechten, ist ein in Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes verankertes Recht für alle von einer Verwaltungsentscheidung in ihren eigenen Rechten betroffenen Bürgerinnen und Bürger. Die umweltrechtliche Verbandsklage weitet diesen individuellen Rechtsschutz in Bereiche aus, in denen es keine direkt Betroffenen gibt oder diese selbst nicht bzw. nicht ohne Weiteres klagen können, zum Beispiel, weil die Umwelt als Schutzgut der Allgemeinheit betroffen ist. Diese Lücke füllen Umweltvereinigungen, die unter bestimmten Voraussetzungen als „Anwalt für die Umwelt“ vor Gericht auftreten können, ohne dass sie selbst in eigenen Rechten betroffen sein müssen. Die gesetzliche Grundlage hierfür ist das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz. Dieses setzt Vorgaben des europäischen Rechts zum Zugang zu Gerichten um, welche wiederum auf die Aarhus-Konvention zurückgehen.

Die Aarhus-Konvention, die Deutschland 1998 ratifizierte, hat unter anderem zum Ziel, dass in Umweltangelegenheiten ein umfassender Zugang zu Klagemöglichkeiten besteht. Sie überlässt es aber den Unterzeichnerstaaten, wie sie – unter Sicherstellung der weitestgehenden Umsetzung der Ziele der Aarhus-Konvention – den Zugang zu Klagerechten in Umweltangelegenheiten im Einzelnen ausgestalten. Der Bundesgesetzgeber hat sich bei der Umsetzung der Aarhus-Konvention die bereits länger bestehende naturschutzrechtliche Verbandsklage zum Vorbild genommen. Diese beruht auf dem Gedanken des „professionellen Verwaltungshelfers“, der dazu beiträgt, dass die Interessen des Naturschutzes im Verwaltungsverfahren effektiv berücksichtigt werden.

 

Welche Umweltvereinigungen können als „Anwälte der Umwelt“ klagen?

Voraussetzung für eine Klage einer Vereinigung nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz als „Anwalt der Umwelt“ ist eine behördliche Anerkennung der Vereinigung. Durch die behördliche Anerkennung ist gesichert, dass nur Umweltverbände, die die Anforderungen nach § 3 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz erfüllen, von den Klagerechten Gebrauch machen dürfen. Es wird beispielsweise geprüft, ob eine Vereinigung seit mindestens drei Jahren besteht und sich in dieser Zeit auch tatsächlich vorwiegend für den Umweltschutz engagiert hat. Auf unserer Themenseite zum Anerkennungsverfahren können Sie sich über diese und weitere Voraussetzungen der Anerkennung sowie über die Verteilung der Zuständigkeit für die Anerkennung zwischen dem Bund und den Ländern informieren.

 

Gegen welche Entscheidungen dürfen anerkannte Umweltvereinigungen klagen?

Anerkannte Umweltvereinigungen haben zunächst wie alle anderen rechtsfähigen Organisationen die Möglichkeit, Verwaltungsentscheidungen anzufechten, die sie in ihren eigenen Rechten betreffen, also zum Beispiel wenn ihr Eigentum betroffen ist. Mit der Anerkennung erhalten Umweltverbände zusätzlich das besondere Recht, auch dann gegen bestimmte behördliche Entscheidungen oder deren Unterlassen zu klagen, auch wenn sie nicht in eigenen Rechten betroffen sind. Welche Entscheidungen das sind, wird in § 1 Absatz 1 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz festgelegt. Die Vorschrift erfasst beispielsweise die Zulassung von Industrieanlagen, von Anlagen zur Energieerzeugung sowie großer Infrastrukturvorhaben, für die regelmäßig eine ⁠Umweltverträglichkeitsprüfung⁠ durchzuführen ist. Klagen von Umweltverbänden sind zudem gegen bestimmte Pläne und Programme zulässig, die der Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegen oder für die eine strategische Umweltprüfung erforderlich ist. Umfasst werden aber auch andere Verwaltungsakte und öffentlich-rechtliche Verträge, soweit sie unter Anwendung von umweltbezogenen Rechtsvorschriften des Bundes, der Länder oder der Europäischen Union erlassen worden sind. Umweltverbände können zudem auch darauf klagen, dass die zuständigen Behörden die Überwachungs- und Aufsichtsmaßnahmen ergreifen, die für die Einhaltung dieser Vorschriften erforderlich sind.

Die Klagemöglichkeiten der einzelnen anerkannten Vereinigung sind zudem durch die Satzungsziele der Vereinigung vorgegeben. Die sich daraus ergebende sachliche und räumliche Reichweite der Klagerechte stellt die Anerkennungsbehörde im Anerkennungsbescheid fest. Für eine vom Land anerkannte Vereinigung kann dies eine regionale Begrenzung der Anerkennung innerhalb des jeweiligen Bundeslandes bis hin zu einer landesweiten Anerkennung sein. Für eine vom Umweltbundesamt anerkannte Vereinigung kann sich der räumliche Geltungsbereich maximal bundesweit erstrecken.

 

Was ist dran an dem Vorwurf, die Umweltverbandsklage befördere eine „Klageflut“?

Seit dem Jahr 2011 wird fortlaufend evaluiert, wie sich die Klagetätigkeit der anerkannten Umweltvereinigungen seit in Kraft treten des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes entwickelt. Auch wenn über die Jahre ein leichter Anstieg zu beobachten ist, konnte eine „Klageflut“ bislang nicht belegt werden. Es hat sich gezeigt, dass die Umweltverbände ganz gezielt in wenigen aussichtsreichen Fällen vor Gericht gehen.

Im Zeitraum 12/2006 bis 04/2012 wurde im Jahresmittel von den Verbänden in 12 Fällen geklagt. Dieser Wert erhöhte sich für den Zeitraum 2013 bis 2016 auf 35 Fälle und liegt nach neuesten Untersuchungsergebnissen für den Zeitraum 2017 bis 2020 bei 59 Fällen. Demgegenüber stehen jährlich etwa 1000 Genehmigungsentscheidungen, die einer Umweltverträglichkeitsprüfungspflicht unterliegen. Gegen diese und weitere behördliche Entscheidungen können Umweltverbände grundsätzlich klagen.

Ein Faktor für die gestiegene Anzahl von Fällen dürfte unter anderem die wachsende Anzahl anerkannter Umweltvereinigungen sein. Diese lag bei Anerkennungen auf Bundesebene im Dezember 2017 noch bei 112 und stieg bis zum Juni 2021 auf 127.

 

Wie erfolgreich sind die Umweltverbände mit ihren Klagen nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz?

Die wissenschaftlichen Untersuchungen zeigen, dass die Umweltverbände ihre Klagemöglichkeiten sehr erfolgreich nutzen und damit – der Absicht der gesetzlichen Regelungen entsprechend – dazu beitragen, dass das Umweltrecht besser befolgt wird. Die Erfolgsquote der Umweltverbandsklage ist seit ihrer Einführung im Jahr 2006 sehr hoch. Für den Untersuchungszeitraum von Ende 2006 bis Ende 2016 lag sie bei ca. 48 Prozent. Nach den Ergebnissen eines Forschungsvorhabens im Auftrag des Umweltbundesamtes für den Zeitraum 2017 bis 2020 liegt sie sogar bei 52 Prozent. Die Erfolgsquote umfasst dabei alle Klageverfahren, die entweder vollständig oder teilweise erfolgreich waren.

Ein Vergleich mit der Erfolgsquote in allgemeinen verwaltungsgerichtlichen Verfahren von 10 bis 12 Prozent, bestätigt, dass anerkannte Vereinigungen sorgfältig abwägen, in welchen Fällen sie vor Gericht gehen.

 

Gegen welche Vorhaben richten sich aktuell die meisten Verbandsklagen und wie verteilen sich die Klagen innerhalb Deutschlands?

Im Zeitraum 2017 bis 2020 war, nach den Ergebnissen eines Forschungsvorhabens im Auftrag des Umweltbundesamtes, eine signifikante Zunahme bei Klagen gegen Windenergievorhaben und Luftreinhaltepläne zu beobachten. Diese nehmen derzeit auch die vordersten Plätze bei der Gesamtanzahl der Klagen ein (63 Klagen gegen Windenergieanlagen, 25 Klagen gegen Luftreinhaltepläne, insgesamt: 237 Verbandsklagen). Die Anzahl der Klagen gegen Infrastrukturvorhaben stagnieren hingegen oder sind in einigen Bereichen (z.B. Gewässerausbau) rückläufig. Es hat sich zudem eine ungleiche räumliche Verteilung bei der Zunahme der Klagen gezeigt. Diese erfolgte vor allem in den westdeutschen Flächenländern Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen und Baden-Württemberg. Es bestehen jedoch Unsicherheiten, inwieweit es sich um Einmaleffekte oder längerfristige Trendverschiebungen handelt.

 

Sind die Umweltverbandsklagen eine der Hauptursachen für den stockenden Ausbau der Windenergie?

Die Ergebnisse eines Forschungsvorhabens im Auftrag des Umweltbundesamtes für die Jahre 2017 bis 2020 zeigen insbesondere für die Windenergie einen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von Verbandsklagen und der Anzahl von Vorhaben. Beide waren 2017 am höchsten und sind seither rückläufig. Eine Auswertung aller Klagen gegen Windenergievorhaben für das Jahr 2017 hat ergeben, dass die Vorhaben am häufigsten von betroffenen Nachbarn oder von anderen Windenergie-Betreibern beklagt wurden. Im Zeitraum 2014 bis 2017 konnten den Umweltverbänden nur bis zu 7 Prozent der Klagen gegen Genehmigungen von Windenergieanlagen zugerechnet werden. Damit lässt sich verhältnismäßig sicher ausschließen, dass das Klageverhalten der Umweltverbände als Hauptursache für den stockenden Ausbau der Windenergie in Betracht kommt. Die Gründe für den schleppenden Ausbau dürften vielschichtiger sein. Um hier zu belastbaren Aussagen zu kommen, müssten auch andere Faktoren, wie beispielsweise die Entwicklung der Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz oder der Umfang der für den Windenergieausbau zur Verfügung gestellten Flächen berücksichtigt werden.

Weiterführende Informationen

  • Evaluation von Gebrauch und Wirkung der Verbandsklagemöglichkeiten nach dem UmwRG von 02/2014

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  • Die Umweltverbandsklage in der rechtspolitischen Debatte von 11/2017

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  • SRU-Gutachten: die Klagetätigkeit der Umweltschutzverbände im Zeitraum von 03/2018

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  • Wissenschaftliche Unterstützung zum Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten in der 19. Legislaturperiode

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