Bodenlebewesen werden durch Pflanzenschutzmittel gefährdet

Das Bild zeigt Bodenorganismen wie Regenwürmer, Springschwänze und Fadenwürmer, die abgestorbene Pflanzenreste zu Humus verarbeiten.zum Vergrößern anklicken
Nahrungsnetz im Boden: Bodenorganismen verarbeiten Pflanzenmaterial zu Humus
Quelle: Henrike Madrenes / UBA

Pflanzenschutzmittel gelangen nach ihrer Anwendung in den Boden. Dort wirken sie auf das hochkomplexe Nahrungsnetz der Bodenlebewesen, welche totes Pflanzenmaterial zu Humus verarbeiten. Die langfristigen Auswirkungen der Mittel auf die Bodenlebewesen und damit auf die Bodenfruchtbarkeit sind nicht ausreichend erforscht.

Inhaltsverzeichnis

 

Der Boden lebt

Ein gesunder Boden ist die Grundlage für eine produktive und nachhaltige Landwirtschaft. Der Boden ist nicht nur Nährstoffspender und Wasserspeicher für Feldfrüchte und Obstbäume, sondern selbst voller Leben. Unter einem Quadratmeter Boden leben Hunderttausende bis Millionen von Bodentieren. Die Vielfalt ist groß und reicht von wenige Tausendstel Millimeter großen Einzellern und Bakterien über 2 Millimeter großen Springschwänzen bis zu 10 Zentimeter langen Regenwürmern. Abgestorbene Pflanzen und Tierreste werden von den größeren Bodenorganismen im Boden zerkleinert. Mikroorganismen bauen das organische Material weiter ab und setzen die darin gebundenen Nährstoffe frei. Diese werden daraufhin wieder von den Pflanzen aufgenommen. Das Nahrungsnetz unter der Erde ist eng mit dem Nahrungsnetz über der Erde verbunden, Pflanzen leben mit den Wurzeln unter der Erde und dem Spross darüber. Zahlreiche Vögel, Igel und andere Tiere ernähren sich von Bodenorganismen. Dieser Kreislauf sorgt dafür, dass Nährstoffe für Pflanzen verfügbar sind und der Boden eine für die Landwirtschaft günstige Struktur hat. Pflanzen, die in einem gesunden Boden mit einer großen ⁠Biodiversität⁠ wachsen, sind widerstandsfähig gegenüber Krankheiten und Schädlingen.

 

Böden sind Pflanzenschutzmitteln direkt ausgesetzt

Werden Pflanzenschutzmittel auf einem Feld angewendet, dann gelangen diese zwangsläufig auch in den Boden. Der Anteil, der in den Boden verlagert wird, hängt dabei von der Größe und Art der Kulturpflanzen ab. Im schlimmsten Fall, wie bei der Anwendung von Herbiziden gegen Unkraut auf nacktem Boden, gelangt die gesamte Menge in den Boden. Im Boden verteilt sich das Mittel und wird abgebaut. Dabei können Abbauprodukte entstehen, die wiederum andere physikalisch-chemische Eigenschaften haben können. Der Abbau kann sich, je nach Wirkstoff, über lange Zeit hinziehen. Dadurch können sich die Stoffe im Boden anreichern und mit der Zeit mit anderen Wirkstoffen und Abbauprodukten vermischen. In mehreren Studien erwiesen sich solche Cocktails auf Ackerflächen als toxisch für Bodenorganismen wie Regenwürmer und Gliedertiere.
Auch konnte die Forschung zeigen, dass alle Arten von Pflanzenschutzmitteln die Zusammensetzung der Mikroorganismen im Boden beeinflussen. Die Zusammensetzung der Mikroorganismen bestimmt wesentlich den Abbau der Wirkstoffe und die Bildung von Nährstoffen. Weitgehend unerforscht ist bisher, welche Auswirkungen dies auf die Bodenfruchtbarkeit hat. Generell ist wenig bekannt über die komplexen Beziehungen der Bodenorganismen untereinander.

 

Bodenorganismen müssen besser geschützt werden

Aufgrund ihrer Eigenschaft, gezielt bestimmte Lebewesen zu töten, haben Pflanzenschutzmittel immer einen Einfluss auf die Lebensgemeinschaft im Boden. Im Zulassungsprozess eines Pflanzenschutzmittels werden diese Auswirkungen auf einen Teil der Bodenorganismen untersucht. Da dieser Prozess europäisch geregelt ist, gibt es einheitliche Anleitungen für die Bewertung der Risiken für Bodenorganismen. Allerdings bot eine früher in Deutschland verwendete Bewertungsmethode einen höheren Schutz als die EU-weit verwendete Methode. Letztere muss seit 2020 auch in Deutschland angewendet werden.

In Deutschland sind die Bodenorganismen jedoch, im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedstaaten, als besonders durch Pflanzenschutzmittel gefährdet anzusehen. Hier wird auf 50 Prozent der Landesfläche Landwirtschaft betrieben. Dies ist verbunden mit einem starken Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Pro Fläche werden mehrmals im Jahr mehrere Mittel angewendet. Es muss davon ausgegangen werden, dass viele dieser Mittel die Bodenorganismen zumindest kurzfristig schädigen. Damit sich die Populationen von so einer Schädigung erholen können, bräuchten sie eine längere Periode ohne weitere Pflanzenschutzmitteleinsätze. Doch auf den meisten Äckern werden diese mehrmals im Jahr ausgebracht. Eine Erholung ist dadurch deutlich erschwert. Auch eine Wiederbesiedelung des Ackers mit Regenwürmern und anderen Bodenorganismen aus umgebenden Flächen ist oft nicht in ausreichendem Maß möglich. Denn die Äcker in vielen Regionen Deutschlands sind mit 30 bis 60 Hektar relativ groß. Bei so großen Ackerflächen ist eine Einwanderung von Regenwürmern, Bodenpilzen oder Kleinstlebewesen in die gesamte Fläche innerhalb eines Jahres unmöglich.

Die Folgen sind deutlich sichtbar. Die Roten Listen zeigen, dass die Bestände von 37 Prozent der Regenwurmarten zurück gehen. Die Rote Liste der Regenwürmer Deutschlands nennt die Landwirtschaft als hauptsächliche Gefährdungsursache. Auch bei Gliederfüßern wie Asseln und Tausendfüßern nehmen mehr als 20 Prozent der Arten in ihren Beständen ab. Um diesen Trend zu stoppen, ist ein umfassender Bodenschutz nötig.

Ein Baustein zum Schutz der Regenwürmer ist die Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes wie von der Farm to Fork-Strategie des Europäischen Green Deals gefordert wird. Im Rahmen der EU-Bodenstrategie wurde ein Bodenüberwachungsgesetz entwickelt und im Juni 2024 verabschiedet. Dieses legt Regeln für die nachhaltige Nutzung und Wiederherstellung von Böden fest. Aber auch eine strengere, EU-weit einheitliche Bewertung und Regulierung der Risiken von Pflanzenschutzmitteln für den Boden ist notwendig, um die Auswirkungen auf Bodenlebewesen reduzieren zu können. Dafür wird derzeit ein neues europäisches Bewertungskonzept entwickelt, an dem das Umweltbundesamt intensiv mitarbeitet.

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 Ackerboden  Bodenorganismen  Biodiversität  Regenwürmer