Risiken beim Pflanzenschutzmitteleinsatz mit Hubschraubern

Raupen an einem Zweigzum Vergrößern anklicken
Raupen des Eichenprozessionspinners
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In einigen Bundesländern wurden der Eichenprozessionsspinner und andere Baum-Schädlinge in den vergangenen Jahren intensiv bekämpft. Die Bekämpfung erfolgt mit Insektiziden, die meist mit dem Hubschrauber versprüht werden. Daraus ergeben sich Risiken für die Umwelt. Wie sollte mit ihnen umgegangen werden? Das UBA antwortet auf populistische Thesen.

Inhaltsverzeichnis

 

Pflanzenschutzmittel im Wald – besser nicht mit dem Hubschrauber!

„Die Bundesbehörden schätzen die Umweltrisiken bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln im Wald mit dem Hubschrauber viel zu hoch ein. Die Mittel wirken sehr spezifisch und schädigen andere Arten nicht.“

Insektizide, die zum Schutz von Bäumen in Wäldern mit dem Hubschrauber versprüht werden, bergen immer ein hohes Risiko für andere im Wald lebende Tiere, die gar nicht bekämpft werden sollen. Das Mittel „Karate Forst flüssig“ etwa ist ein Breitbandinsektizid. Es ist für alle Arten von Gliedertieren (Arthropoden) an Land und im Wasser giftig, vor allem für Insekten, Spinnen und Krebstiere. Das Fraßgift „Dimilin 80 WG“, ebenfalls ein Breitbandinsektizid, verhindert durch eine Hemmung der Chitinsynthese die Häutung aller Gliedertier-Arten, wodurch die Tiere sterben. Nur das Mittel „Dipel ES“ wirkt spezifischer, nämlich nur gegen (die meisten) Schmetterlingsarten. Es zerstört mit dem Toxin des Bacillus thuringiensis var. Kurstaki (Btk) die Darmwand der Raupen, wodurch diese sterben. An Eichen leben über 350 Falter-Arten, von denen 214 Arten gegenüber den genannten Insektiziden empfindlich sind (Sobczyk 2014), allerdings schädigen nur wenige dieser Arten nachweislich die Bäume. Der Bruterfolg von Singvögeln kann durch die Mittel erheblich beeinträchtigt werden, wenn Insekten sterben, von denen die Vögel sich und ihren Nachwuchs ernähren (Schönfeld 2009). Für Fledermausarten sind solche Auswirkungen ebenfalls möglich. Das ⁠UBA⁠ stimmt daher einer Zulassung von Insektiziden zur Anwendung mit Luftfahrzeugen im Wald nur mit bestimmten Anwendungsbestimmungen zu, um den Naturhaushalt vor unvertretbaren Auswirkungen zu schützen. Wegen der hohen Umweltrisiken ist eine Behandlung nur dann verhältnismäßig, falls ein flächiges Absterben des Baumbestandes droht und durch die Behandlung das Absterben wahrscheinlich abgewendet werden kann.

 „Das Versprühen aus dem Hubschrauber ist so präzise, dass angrenzende Flächen nicht belastet werden.“

Nein. Bei der Anwendung mit dem Hubschrauber wird der Sprühnebel sehr großräumig verweht. Die Abdrift ist bei vergleichbaren Bedingungen und bei Verwendung der besten verfügbaren Anwendungstechnik etwa 100-fach höher als bei Bodengeräten im Weinbau und 300- bis 400-fach höher als im Ackerbau. Daher sind die vom UBA festgelegten Mindestabstände zu Waldrändern, Gewässern und anderen Nachbarflächen so wichtig. Ohne ihre Einhaltung würden angrenzende Flächen zu stark belastet.

 „Wer im Wald aus der Luft sprühen möchte, muss dieses jedes Mal mühsam bei den Bundesbehörden beantragen. Die Genehmigungen kommen zu spät, um den Wald noch rechtzeitig zu schützen.“

In Deutschland entscheidet über die konkrete Anwendung nicht der Bund, sondern die Bundesländer. Laut § 18 Absatz 2 Pflanzenschutzgesetz (PflSchG) genehmigt der Pflanzenschutzdienst des betreffenden Bundeslandes die einzelne Anwendung. Zuvor muss das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) das betreffende Pflanzenschutzmittel überhaupt zur Verwendung mit Luftfahrzeugen zugelassen haben. Das Prinzip ist vergleichbar mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln: Der Arzt darf nur solche Arzneimittel verschreiben, die zugelassen sind. Wer also eines der zugelassenen Pflanzenschutzmittel aus der Luft versprühen möchte, muss dies bei der zuständigen Landesbehörde beantragen. Die Bundesbehörden sind am Verfahren nicht beteiligt, sie können das Verfahren daher auch nicht verzögern.

 „Es sind keine Pflanzenschutzmittel zum Sprühen aus der Luft zugelassen. Das UBA sperrt sich gegen Zulassungen.“

Falsch! Mit „Dipel ES“ und „Karate Forst flüssig“ sind (Stand März 2016) zwei Mittel für den Einsatz im Wald mit Luftfahrzeugen vom BVL mit Zustimmung des UBA zugelassen. Der Pflanzenschutzdienst des betreffenden Bundeslandes kann die Anwendungen dieser Mittel also im Einzelfall genehmigen. „Bekämpfungslücken“ gibt es also nicht. "Dimilin 80 WG" (Wirkstoff Diflubenzuron) war bis Ende 2014 zugelassen und Restbestände konnten bis Juni 2016 aufgebraucht werden. Für das Mittel liegt mangels Vermarktungsinteresse des Herstellers kein neuer Zulassungsantrag vor, so dass das Spektrum der Mittel zumindest übergangsweise kleiner wird.

 „Der Kiefernwald bei Letzlingen (Sachsen-Anhalt) ist abgestorben, weil keine Mittel gegen die Schädlinge zugelassen waren.“

Falsch! Die Waldschäden an Kiefernforsten bei Letzlingen in den Jahren 2009/2010 sind in keiner Weise auf eine fehlende Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln zurückzuführen. Vielmehr war zum damaligen Zeitpunkt mit Dimilin ein geeignetes Pflanzenschutzmittel zugelassen. Eine Anwendung unterblieb jedoch deshalb, weil die zuständige Fachbehörde des Landes den Befallsgrad der Bäume als nicht bedrohlich einschätzte (Langer et al., 2011). Auch hier gilt: Die Länder entscheiden über die Anwendung im Einzelfall.

 „Die von BVL und UBA erteilten Anwendungsbestimmungen sind nicht umsetzbar und führen zu gravierenden Bekämpfungslücken.“

Richtig ist: Grundsätzlich gestatten BVL und UBA die Anwendung eines Pflanzenschutzmittels auf höchstens der Hälfte einer zusammenhängenden Waldfläche. So sollen ausreichende Rückzugsräume für Arten erhalten bleiben, die nicht bekämpft werden sollen, aber durch das Mittel geschädigt werden können. Da Schädlinge ohnehin nur selten eine ganze Waldfläche befallen, sondern meist nur Teile davon, werden die Bekämpfungsmöglichkeiten nicht wesentlich eingeschränkt. Wenn allerdings die zuständige Behörde bei der Genehmigung nach § 18 Absatz 2 PflSchG im Einzelfall auf der Grundlage eines rechtsverbindlichen, mit ausreichender Auflösung durchgeführten Erhebungsverfahrens festgestellt hat, dass auf mehr als der Hälfte der zusammenhängenden Waldfläche die entsprechenden Schadschwellen überschritten sind und eine Anwendung des Mittels zum Erhalt des Bestandes unbedingt erforderlich ist, kann hier eine großflächigere Behandlung stattfinden.  

„BVL und UBA haben die Anwendung in Naturschutzgebieten verboten. Nun lässt sich der Wald in Naturschutzgebieten nicht mehr vor Schädlingsbefall schützen.“

In Wald-Naturschutzgebieten kommen oft bestandsgefährdete Insekten-, Vogel- und Fledermausarten vor. Bei großflächiger Anwendung von Insektiziden reagieren diese besonders empfindlich, weil ihre Bestände klein oder aus anderen Gründen vorgeschädigt sind. Deshalb dürfen grundsätzlich auch zugelassene Insektizide in Naturschutzgebieten nicht mit Luftfahrzeugen versprüht werden. Früher konnten Ausnahmen davon auf Antrag beim BVL als Notfallzulassung gestattet werden. Seit dem 25. Februar 2015 gilt folgende Änderung: Aufgrund neuer Anwendungsbestimmungen entscheiden nun die betroffenen Bundesländer über die Genehmigung solcher Anwendungen. Im Einzelfall kann eine Behandlung im Naturschutzgebiet erfolgen, wenn die zuständige Behörde bei der Genehmigung nach § 18 Absatz 2 PflSchG in Abstimmung mit der zuständigen Naturschutzbehörde festgestellt hat, dass eine Behandlung zum Erhalt des Pflanzenbestandes im Sinne der Zweckbestimmung des Schutzgebietes unbedingt erforderlich ist. Um die Naturschutzbehörden bei ihrer Genehmigungsprüfung zu unterstützen hat das UBA gemeinsam mit dem Bundesamt für Naturschutz (⁠BfN⁠) ein gemeinsames Informationspapier erarbeitet.

 

Wissenswertes zum Eichenprozessionsspinner

„Der Eichenprozessionsspinner breitet sich immer weiter aus und besiedelt Gebiete in Deutschland, in denen er bislang nicht vorkam.“

Der Eichenprozessionsspinner (EPS, Thaumetopoea processionea) ist keine invasive Schmetterlingsart, sondern eine in Deutschland seit jeher heimische Art. Auch zeitweilige Massenvermehrungen des EPS sind kein neues Phänomen. Für Deutschland gibt es Hinweise auf Massenvermehrungen seit mehr als 200 Jahren. Sie sind damit eher der Normalfall in der Populationsdynamik des Eichenprozessionsspinners.
Einige Gebiete sind zurzeit sehr dicht besiedelt. Die Außengrenzen der historischen Verbreitung des EPS sind aber nicht überschritten (Sobczyk 2014). 

 „Der EPS gefährdet den Bestand der Eichenwälder in Deutschland“

Inwieweit ein Befall die Eichenbestände wesentlich gefährden kann, ist innerhalb der Forstwissenschaften umstritten. Die Eiche kann auch nach Kahlfraß erneut austreiben und überlebt meist einen einmaligen Kahlfraß. Unumstritten ist, dass Absterbeerscheinungen an Eichenbeständen nicht durch den EPS allein verursacht werden, sondern in Zusammenhang mit weiteren Faktoren gesehen werden müssen. Weitere an der Eiche lebende Schmetterlings- und Käferarten sind am Fraßgeschehen beteiligt, die sogenannte Eichenfraßgesellschaft. Werden Eichen wiederholt befallen und kommen weitere Stressoren hinzu, erhöht sich das Risiko des Absterbens. Starke Spätwinterfröste und Trockenheit in Kombination mit starkem Blattfraß spielen dabei eine herausragende, die Schäden letztlich auslösende Rolle. Nachfolgender Befall durch Eichenmehltau (Erysiphe alphitoides) kann die Schäden verstärken (Bressem et al. 2013). Für den Schutz der Eichenbestände in Deutschland ist deshalb mittel- bis langfristig der ⁠Klimaschutz⁠ zentral. Speziell für den Schutz von Eichenbeständen in Auwäldern ist bedeutend, eine schleichende Entwässerung zu verhindern, die durch das Verbauen der Gewässer eintritt.

 „Die Zuständigkeiten bei Fragen der Bekämpfung des EPS sind so unklar, dass eine Bekämpfung oft nicht möglich ist.“

Die gesetzlichen Zuständigkeiten zur Bekämpfung des EPS sind klar geregelt. Wie oben beschrieben, lässt der Bund die Mittel zu und den konkreten Einsatz genehmigen die Bundesländer. Zu beachten ist: Wenn eine Bekämpfung mit dem Ziel erfolgt, die menschliche Gesundheit vor dem EPS zu schützen (die Raupen bilden ab April Brennhaare aus, die ein auf Menschen wirkendes Nesselgift enthalten) fällt die Maßnahme unter das Biozidrecht. Geht es um den Schutz eines Baumbestandes vor drohendem Absterben, greift das Pflanzenschutzrecht.

 „Der EPS würde sich weiter ausbreiten, wenn er nicht massiv bekämpft werden würde.“

In den Jahren 2014 und 2015 haben Befallsfläche und Befallsintensität im Bundesgebiet zumeist deutlich abgenommen. In einigen Bundesländern wurde der EPS in den Jahren 2012 und 2013 massiv bekämpft. Es liegen allerdings Hinweise darauf vor, dass der Bestand des EPS auch in nicht mit Insektiziden behandelten Gebieten abgenommen hat. Welchen Anteil die Bekämpfungsmaßnahmen an dem Rückgang haben oder inwieweit der Rückgang Ausdruck einer natürlichen Entwicklung ist, ist deshalb schwer zu beurteilen. Sicher ist: auch bevor Insektizide zur Bekämpfung des EPS eingesetzt wurden, endeten Massenvermehrungen nach einigen Jahren von selbst.

 „Gegen den EPS hilft nur der Einsatz chemischer Mittel.“ 

Im Vordergrund der Bekämpfung gegen den EPS steht vor allem der Schutz der Menschen vor den giftigen Brennhaaren der Raupen. Wenn es sich um einen verhältnismäßig schwachen Befall handelt und/oder die betroffenen Gebiete von Menschen kaum genutzt werden, sollten Insektizide zur Bekämpfung nicht eingesetzt werden. In Waldgebieten, in denen Eichenprozessionsspinner auftreten, können für die betroffenen Areale Warnschilder aufgestellt oder diese vorübergehend abgesperrt werden. Sind einzelne oder wenige Bäume in der Nähe von Siedlungen oder in Bereichen befallen, die Menschen oft nutzen, können ausgebildete Schädlingsbekämpfer die Raupen oder Nester absaugen. Chemische oder biologische Bekämpfungsmaßnahmen sind dann nicht mehr notwendig. Die betroffenen Bäume im Wald sollten nur dann mit Pflanzenschutzmitteln behandelt werden, wenn durch den Kahlfraß der Raupen des EPS ein Absterben ganzer Baumbestände droht. Es ist umstritten, in wieweit der EPS solche Schäden tatsächlich verursacht. Erst wenn sich die oben genannten alternativen Maßnahmen nicht durchführen lassen oder sich als nicht ausreichend erweisen, sollten biologische oder chemische Bekämfungsmaßnahmen in Erwägung gezogen werden. Der EPS hat in Deutschland übrigens durchaus natürliche Feinde. Zum Beispiel parasitieren Raupenfliegen den EPS und tragen damit zu einem natürlichen Ende seiner zeitweiligen Massenvermehrung bei.

„Der EPS muss großflächig behandelt werden, um seine Ausbreitung aufzuhalten.“

Der EPS ist eine in Deutschland heimische Art. Eine Ausbreitung über das historische Vorkommen hinaus tritt in Deutschland nicht auf. Eine Bekämpfung des EPS mit Insektiziden mit dem Ziel, die Gesamtpopulation zurückzudrängen, würde so intensiv und großflächig erfolgen müssen, dass die Anwendungen zu schweren Umweltschäden führen würde. Sie wäre unverhältnismäßig. Der EPS sollte deshalb lokal und nur dort bekämpft werden, wo der Kontakt zwischen dem Menschen und dem EPS nicht durch andere Maßnahmen vermeidbar ist und deshalb eine konkrete Gefahr gesundheitlicher Schäden abgewendet werden muss. Als Forstschädling ist der EPS in der Regel nicht so bedeutend, dass er zum Schutz der Baumbestände bekämpft werden müsste.  

 

Zuständigkeiten für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln

Ein Mittel, das gegen den EPS zur Anwendung kommen soll, muss durch die zuständigen Bundesbehörden nach dem jeweils einschlägigen Fachrecht (Pflanzenschutzrecht bzw. Biozidrecht) zugelassen sein, auch wenn es sich um dasselbe Mittel handelt. Federführend für Biozide ist die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit (BAUA). Für Pflanzenschutzmittel ist es das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Das ⁠UBA⁠ ist jeweils beteiligt. Dieses Prinzip der auf den Verwendungszweck bezogenen Zulassung ist vergleichbar mit der Zulassung von Arzneimitteln für den Menschen und solchen für Tiere. Ein Mittel, das nur für die Behandlung von Tieren zugelassen ist, darf ein Arzt nicht einem Menschen verschreiben.

 

Zuständigkeiten für die Bekämpfungsmaßnahmen

Für die Genehmigung der Anwendung eines zugelassenen Mittels zum Schutz eines Baumbestandes ist der Pflanzenschutzdienst des betreffenden Bundeslandes zuständig, nicht der Bund. Bekämpfungsmaßnahmen gegen den EPS an Waldrändern in Siedlungsnähe, auf öffentlichen Flächen wie Parks, Spielplätzen oder Kindergärten oder in Alleen erfolgen zum Schutz der menschlichen Gesundheit und unterliegen damit dem Biozidrecht. Auch für den Vollzug des Biozidrechts haben die Länder die Zuständigkeit für Bekämpfungsmaßnahmen einzelnen Behörden zugeschrieben, diese variieren allerdings von Bundesland zu Bundesland. Bei Unklarheiten kann das jeweilige Gesundheitsamt Auskunft erteilen.

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 Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln  Eichenprozessionsspinner