Beispiele besonders problematischer Pflanzenschutzmittel

Das Bild zeigt eine Biene auf gelben Rapsblüten.zum Vergrößern anklicken
Die Gefährlichkeit einiger Pflanzenschutzmittel für Bienen ist seit Jahren bekannt
Quelle: Thomas Stüber / Fotolia.com

Pflanzenschutzmittel haben unerwünschte Nebenwirkungen auf die Umwelt. Die Wirkstoffe sind jedoch sehr unterschiedlich. Einige bauen sich schlecht ab und reichern sich in der Umwelt an. Andere sind selbst in geringsten Mengen giftig. Hier werden beispielhaft einige besonders problematische Stoffgruppen vorgestellt. Sie müssen dringend besser reguliert werden, um Umweltschäden zu vermeiden.

Inhaltsverzeichnis

 

Giftige Pflanzenschutzmittel, die sich schlecht abbauen und in Tieren anreichern

Die Umweltbewertung von Pflanzenschutzmitteln setzt voraus, dass diese sich irgendwann in der Umwelt abbauen und verschwinden. Einige Stoffe sind jedoch so schwer abbaubar, dass sie über Jahre und Jahrzehnte in Boden und Gewässern verbleiben können. Solche Stoffe werden als persistent (P) bezeichnet. Einige Stoffe neigen dazu, sich entlang der Nahrungskette im Gewebe von Tieren und Pflanzen anzureichern. Diese Stoffe werden bioakkumulierend (B) genannt. Und es gibt Stoffe, die schon in geringen Mengen besonders toxisch (T) für Tiere oder Menschen sind. Wirkstoffe, die alle drei Eigenschaften (PBT) gleichzeitig haben, können auf EU-Ebene nicht genehmigt werden.

Wirkstoffe, die nur zwei der drei Kriterien erfüllen, können unter besonderen Bedingungen genehmigt werden – als sogenannte Substitutionskandidaten (Candidate for Substitution, CfS). In der Verordnung (EU) 2015/408 sind diese Stoffe in einer Liste aufgeführt. Statt, wie üblich, für 10 bis 15 Jahre, werden sie nur für 7 Jahre genehmigt. Während dieser Zeit wird geprüft, ob die CfS durch weniger problematische Stoffe ersetzt werden können. In der aktuellen landwirtschaftlichen Praxis ist es häufig schwierig, einen gleichwertigen Ersatz zu finden. Deshalb werden CfS trotz ihrer negativen Eigenschaften weiterhin oft verwendet. Von den 42 Wirkstoffen, die 2015 als Substitutionskandidaten eingestuft wurden, sind 11 im Jahr 2022 deutlich häufiger auf deutschen Äckern gelandet als 2015. Spitzenreiter hierbei sind Flufenacet (+ 78 Prozent) und Chlortoluron (+ 194 Prozent). (Berechnung basiert auf den Absatzdaten des BVL)

Für Wirkstoffe, die nur eines der drei Kriterien erfüllen, gibt es derzeit keine Regelung, die über das normale Genehmigungsverfahren hinausgeht. Das ist besonders kritisch für persistente Stoffe, die über Generationen in der Umwelt verbleiben können. Das ⁠UBA⁠ setzt sich für eine Regelung ein, um den Eintrag solcher Stoffe in die Umwelt zu vermindern und langfristige Risiken vorbeugend zu minimieren.  

Neben den drei Kriterien PBT gibt es Stoffe, die besonders gut wasserlöslich sind und sich somit leicht und schnell über das Wasser in der Umwelt ausbreiten. Diese Stoffe werden mobil (M) genannt. Diese Eigenschaft kommt bei einigen Wirkstoffen und bei besonders vielen Abbauprodukten (Metaboliten) von Pflanzenschutzmitteln vor, die man häufig im Grundwasser findet. In der Genehmigung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln wird dies nicht ausreichend berücksichtigt. 

 

Pflanzenschutzmittel mit Wirkungen auf das Hormonsystem

Endokrine Disruptoren (ED) sind körperfremde Substanzen, die in das Hormonsystem von Menschen und Tieren eingreifen können. Dies kann einzelne Organismen, deren Nachkommen oder die komplette Population beeinträchtigen.

Das ⁠UBA⁠ prüft, ob Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln endokrine Eigenschaften haben. Ist dies der Fall, kann der Wirkstoff nicht genehmigt werden. Für solche Stoffe ist keine Risikobewertung vorgesehen. Denn wegen zahlreicher Unsicherheiten ist es nicht möglich, einen sicheren Schwellenwert für Stoffe mit endokrinen Eigenschaften abzuleiten.

Und doch gibt es Ausnahmen. Etwa für Pflanzenschutzmittel, die sehr selten eingesetzt werden, oder die bei ihrem Einsatz kaum in die Umwelt gelangen, z.B. in Gewächshäusern. Auch können Ausnahmegenehmigungen erteilt werden, wenn der Wirkstoff eine besonders große Gefahr für die Pflanzengesundheit abwenden kann und nicht durch andere Mittel ersetzbar ist.

Zwar wurden bereits einige Wirkstoffe als endokrin wirksam identifiziert, z.B. Thiabendazol und Benthiavalicarb. Dennoch werden einige dieser Wirkstoffe immer noch in Pflanzenschutzmitteln eingesetzt. Dies ist möglich, weil die Genehmigungsverfahren wegen der Prüfung von Ausnahmemöglichkeiten noch nicht abgeschlossen werden konnten. Das Prüfverfahren für endokrine Eigenschaften ist komplex und langwierig. Es kann die Wirkstoffprüfung deutlich verlängern, so dass kritische Wirkstoffe in der Übergangszeit länger auf dem Markt bleiben können. Ein Beispiel hierfür ist der Wirkstoff Flufenacet.

 

In geringsten Mengen giftig: Insektizide und Neonicotinoide

Insektizide sind häufig sehr giftig und bereits in geringsten Mengen schädlich für Insekten und andere Lebewesen. Manche dieser Stoffe wirken unterhalb ihrer ⁠Nachweisgrenze⁠. Sie sind bereits in Konzentrationen giftig, die mit heute üblichen Analysemethoden nicht erfasst werden können. Viele Insektizide wirken systemisch. Das heißt, sie verteilen sich in der gesamten Pflanze und gelangen so auch in Pollen und Nektar.

Ein Beispiel hierfür sind Neonicotinoide. Diese Insektizide stören die Weiterleitung von Nervenreizen. Sie werden unter anderem als Beizmittel für Saatgut eingesetzt, um es vor dem Befall von Schadinsekten zu schützen. Sie können aber auch als Granulat ausgestreut oder gespritzt werden. Bestäuber wie Hummeln und Bienen kommen nicht direkt mit den in der Erde liegenden behandelten Saatkörnern oder dem eingearbeiteten Granulat in Berührung. Und doch vergiften sie sich an Pollen und Nektar dieser Pflanzen. Neonicotinoide sind bereits in sehr geringen Mengen tödlich für viele Insekten und andere Gliedertiere. Und selbst unterhalb dieser tödlichen Dosis können sie einen negativen Einfluss auf das Verhalten haben und krank machen. Deshalb drohen besonders schwerwiegende und nachhaltige Schäden. Auch deshalb, weil diese Stoffe lange in der Umwelt verbleiben, sehr mobil sind und sich in Pflanzen, Böden und Wasser ausbreiten. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat inzwischen bestätigt, dass die Neonicotinoide Imidacloprid, Clothianidin und Thiamethoxam schädlich für Hummeln und Wildbienen sind. Die Anwendungen dieser Stoffe im Freiland sind seit 2018 in der EU verboten bzw. stark eingeschränkt. Allerdings sind Stoffe mit ähnlichen Eigenschaften wie das Acetamiprid weiterhin genehmigt. Hochtoxische Insektizide sind ein wachsendes Problem für die Umwelt, ihr Einsatz ist zuletzt gestiegen.

 

Chemikalien aus mehreren Quellen: gleicher Stoff, unterschiedliche Bewertung

Manche Stoffe lassen sich schon allein deshalb schwer eindämmen, weil sie in verschiedenen Regulierungsbereichen vorkommen. Dies ist häufig bei Abbauprodukten der Fall, die gleichzeitig von unterschiedlichen Chemikalien gebildet werden. So kann es vorkommen, dass die gleiche chemische Verbindung von verschiedenen Behörden mit unterschiedlichen Methoden bewertet und reguliert wird. Solche Stoffe aus mehreren Quellen werden in Zulassungsverfahren derzeit noch unzureichend berücksichtigt. Somit ist es schwierig, die Einträge wirksam zu minimieren.

Beispielsweise ist Trifluoracetat (TFA) ein Abbauprodukt von verschiedenen Pflanzenschutzmitteln, aber auch von Kältemitteln und Pharmazeutika. Die Oberflächengewässer und das Grundwasser sind in Deutschland bereits stark belastet mit TFA. Das ⁠UBA⁠ hat einen Prozess gestartet, um TFA an allen wichtigen Quellen gleichzeitig zu beschränken. Ein weiteres Beispiel ist 1,2,4-Triazol, auch ein Abbauprodukt aus verschiedenen Pflanzenschutzmitteln. Gleichzeitig wurde der ⁠Stoff⁠ in der Vergangenheit einigen Düngemitteln zugesetzt, um Stickstoff im Boden zu stabilisieren. Auch wird er in Arzneimitteln und Bioziden verwendet.

 

Und Glyphosat?

Glyphosat mag zunächst nicht als ein Wirkstoff erscheinen, der besonders problematisch für die Umwelt ist. Er steht auch nicht in der Liste der Substitutionskandidaten. Glyphosat baut sich relativ schnell im Boden ab, ist wesentlich weniger giftig für Tiere und Wasserpflanzen als viele andere Pflanzenschutzmittel und versickert kaum ins Grundwasser. Dagegen ist das Hauptabbauprodukt von Glyphosat, Aminomethylphosphonsäure (AMPA), sowohl im Wasser als auch in Böden nachweisbar. Das Abbauprodukt AMPA ist weitaus toxischer als Glyphosat selbst. Es baut sich nur langsam ab und reichert sich im Boden an.

Bedenklich ist Glyphosat durch seine radikale Wirkung auf jegliche Pflanzen in Verbindung mit den sehr hohen Einsatzmengen in der landwirtschaftlichen Praxis. Es wird häufiger eingesetzt als jedes andere Pflanzenschutzmittel. Glyphosat ist ein Totalherbizid. Das heißt, es wirkt uneingeschränkt tödlich auf alle Pflanzen. Damit nimmt Glyphosat vielen Insekten die Lebensgrundlage, denn diese brauchen die Pflanzen als Unterschlupf und deren Blüten als Nahrung. Der hohe Glyphosateinsatz ist somit mitverantwortlich für den dramatischen Artenschwund. Für jeden anderen „Unkraut“-Vernichter würde dasselbe gelten, wenn er so häufig verwendet werden würde. Glyphosat gegen einen anderen Wirkstoff austauschen wäre daher nicht zielführend und könnte, im Gegenteil, der Umwelt mehr schaden. Als Ersatz für Glyphosat und andere ⁠Herbizide⁠ braucht es alternative Methoden zur Beikrautregulierung und Anbausysteme, die ohne den großflächigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auskommen. Beispiel hierfür ist der Ökolandbau, in dem grundsätzlich keine Herbizide eingesetzt werden dürfen.

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 Neonikotinoide  PBT  TFA  candidates for substitution  Endokrine Disruptoren