Gewässertyp des Jahres 2024 – Flaches Küstengewässer der Ostsee

Braunalge unter Wasser.zum Vergrößern anklicken
Braunalgen-Bestände sind wichtige Lebensräume für viele Organismen in der Ostsee.
Quelle: Christian Howe

Das „Flache Küstengewässer der Ostsee“ ist Gewässertyp des Jahres 2024. Wichtige Lebensräume sind Seegraswiesen, dichte Algenbestände, Steinriffe und Muschelbänke. Eine Besonderheit ist der von West nach Ost abnehmende Salzgehalt. Obwohl sich der Zustand der Küstengewässer teilweise verbessert hat, ist ein guter Zustand noch nicht erreicht. Die Nutzungen und Belastungen sind weiter zu reduzieren.

Inhaltsverzeichnis

In Deutschland sind 50 Gewässertypen anhand ihrer charakteristischen Eigenschaften definiert. Sie unterscheiden sich in geologischen und morphologischen Eigenschaften sowie in ihren Lebensräumen und typischen Lebensgemeinschaften. Der Gewässertyp des Jahres 2024 ist das „Flache Küstengewässer der Ostsee“.

 

Kurzbeschreibung des Gewässertyps

Der Gewässertyp „Flaches Küstengewässer der Ostsee“, in Fachkreisen auch „Typ B3 Mesohalines offenes Küstengewässer“ genannt, kommt entlang der Küsten Schleswig-Holsteins und Mecklenburg-Vorpommerns in bis zu einer Seemeile Entfernung von der Küste vor. Insgesamt hat dieser Gewässertyp, der sich in Wassertiefen bis zu 15 Meter erstreckt, einen Anteil von etwa 20 Prozent der deutschen Meeresfläche in der Ostsee.

 

Steckbrief

Typ B3 „Mesohalines offenes Küstengewässer“

Salzgehalt

5-18 ‰ (deutliche Unterschiede entlang der Küstenlinie)

Tidenhub

< 20 cm

Wellenexposition

variabel, exponiert bis extrem geschützt

Mittlere Sichttiefe

3-4 m

Sommerliche Höchsttemperaturen

ca. 20 °C

Natürlicherweise typische Habitate, Gewässerform

Riffe, Sandbänke, Makrophyten

Durchmischung

gut durchmischt

Wasserverweilzeit

Tage

Substrat

Sand (teilweise mit Kies und Steinen), Geschiebemergel u. organische Sedimente

Lebensgemeinschaft

Makrophyten je nach Sand (Seegraswiesen) und steinigem Untergrund (Makroalgen), Muschelbänke.

Hauptbelastungsfaktoren

Nähr- und Schadstoff- sowie Abfalleinträge aus den Einzugsgebieten der Ostseezuflüsse, intensive Nutzungen durch Tourismus, Schifffahrt und Fischerei (durch Stellnetze)

 

Der Kartendienst zum Gewässertyp des Jahres stellt alle Fließgewässer, Seen, Ästuare (⁠Übergangsgewässer⁠) und Küstengewässer dar. Der Zustand der "Flachen Küstengewässer der Ostsee" ist dort farbig hervorgehoben. Weiterhin stehen detailliertere Angaben zum Zustand der Gewässerflora und -fauna zur Verfügung.

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Lebensraum

In den flachen Küstengewässern der Ostsee nimmt der Salzgehalt von Westen nach Osten ab, da der Süßwassereinstrom aus den Flüssen größer ist als der Salzwassereinstrom aus der Nordsee. Dieser Salzgradient variiert von 18 (im Westen) bis 5 (im Osten) Promille und bestimmt verschiedene Lebensräume, in denen sowohl Salz- als auch Brackwasserarten leben. Das Sediment im flachen Küstengewässer der Ostsee ist geprägt durch Sand, teilweise in Kombination mit Kies und Steinen. Wichtige Lebensräume sind Seegraswiesen, dichte Algenbestände, Steinriffe und Muschelbänke, in denen Muscheln, Krebse und Fische aufwachsen. Die flachen Küstengewässer der Ostsee bieten Rast- und Nahrungsplätze für Wasservögel, wie Seetaucher, Gänse und Enten. In einigen Regionen leben auch Schweinswale und Robben.

 

Nutzung, Belastungen, Maßnahmen

Die flachen Küstengewässer der Ostsee werden intensiv für die Schifffahrt, den Tourismus und die Fischerei genutzt und sind durch diese beeinträchtigt. Der Fischfang mit mobilen Grundschleppnetzen ist zwar in der deutschen Ostsee innerhalb der 3-Seemeilenzone größtenteils verboten, entnimmt außerhalb dieses Bereichs jedoch Organismen aus den Lebensräumen und stört die Struktur des Meeresbodens.

In den flachen Küstengewässern wurde von Beginn des 19. Jahrhunderts bis Ende der 1970er Jahre intensive Steinfischerei betrieben. Die entnommenen Hartsubstrate wurden zum Bau von größeren Bauwerken, wie Molen, Buhnen oder Deckwerken verwendet. Die entnommenen Steine und Felsen fehlen nun als wesentliches Siedlungssubstrat für Algen und stellen somit eine Verschlechterung der Lebensräume dar.

Die Ostsee tauscht ihr Wasser nur alle 25 bis 35 Jahre aus (Nordsee alle 3 bis 4 Jahre). Das macht sie besonders empfindlich gegenüber Verschmutzungen. Belastend wirken die Nährstoffe Stickstoff und Phosphor, die aus Quellen an Land wie der Landwirtschaft, dem Verkehr oder Kläranlagen, über die Luft oder die Flüsse in die Ostsee eingetragen werden. Das Überangebot an Nährstoffen führt in der Ostsee zu Algenblüten und zur Trübung des Wassers. Der bakterielle Abbau abgestorbener Algen führt zu Sauerstoffmangel am Boden der Ostsee, mit negativen Folgen für viele marine Lebewesen. Zu hohe Schadstoffkonzentrationen werden in der Ostsee vor allem in den Küstengewässern gemessen, da hier – zusätzlich zur Schifffahrt als Quelle – Schadstoffe über Flüsse und Kläranlagen eingetragen werden. Schadstoffe reichern sich in der Meeresumwelt an und sind dann eine dauerhafte Belastung für Meereslebewesen. In der Ostsee ist die Schadstoffbelastung eine Gefährdungsursache für den Bestand der marinen Säugetiere, beispielsweise für den Schweinswal oder die Kegelrobbe.

Auch Müll, insbesondere aus Kunststoffen, gelangen durch vielfältige Aktivitäten an der Küste ins Meer. Müllfunde an deutschen Ostseestränden zeigen ein deutliches Bild der wesentlichen Eintragsquellen: Der meiste Müll stammt aus Tourismus- und Freizeitaktivitäten, gefolgt von Einleitungen durch Abwässer, Schifffahrt, Offshore-Installationen, wie Windkraftanlagen, und aus der Fischerei. Sogenannte „Geisternetze“ sind dabei besonders schädlich. Etwa 10 Prozent des Meeresmülls stammen von verlorengegangenen oder bewusst zurückgelassenen Fischereigeräten. Sie stellen eine tödliche Gefahr insbesondere für Meeressäuger, Seevögel und Fische dar, da sie teilweise über sehr lange Zeiträume herrenlos und ungenutzt weiterfischen.

Die flachen Küstengewässer sind nach dem 2. Weltkrieg als Versenkungsgebiete für überwiegend konventionelle Weltkriegsmunition genutzt worden. Die Metallhüllen dieser Munition sind über die letzten Jahrzehnte durchgerostet und setzen krebserregende Explosivstoffe frei, die unter anderem von Fischen und Muscheln aufgenommen werden. In einigen Gebieten wurden bei Fischen Lebertumore und andere Leberkrankheiten nachgewiesen.

Zusätzlich belastet der fortschreitende ⁠Klimawandel⁠ mit erhöhten Wassertemperaturen und der Zunahme von Extremereignissen die flachen Küstengewässer der Ostsee. Beispielsweise wird das Absterben von Blasentang und Seegras bei andauernden Wassertemperaturen über 25 Grad Celsius vorhergesagt.

Sich ändernde Umweltbedingungen können auch die Ansiedlung und Ausbreitung von nicht-heimischen Arten begünstigen. Solche Arten gelangen häufig durch Seeschifffahrt oder Aquakulturen in neue Gebiete. In der Ostsee sind über 140 nicht-heimische Arten bekannt.

Maßnahmen zur Reduktion der Nähr- und Schadstoffeinträge stehen im Fokus der EU-⁠Wasserrahmenrichtlinie⁠ (WRRL). Die EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) reguliert weitere Belastungen wie Müll und Lärm. Die EU-weite ⁠Flora⁠-⁠Fauna⁠-⁠Habitat⁠- und die ⁠Vogelschutzrichtlinie⁠ (FFH- und V-RL) sollen den Erhalt der Arten und Lebensräume und deren Gemeinschaften sichern. Teile der flachen Küstengewässer der Ostsee erfahren als „Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft“ und „Nationalpark Jasmund“ in Mecklenburg-Vorpommern einen besonderen Schutz. Zum Erreichen des guten Umweltzustands müssen die Belastungen weiter reduziert und der Schutz deutlich verstärkt werden.

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Zustand

Ziel der WRRL und der MSRL ist es, einen guten Zustand in den Gewässern zu erreichen. Dazu werden Entwicklungen im Bestand des Phytoplanktons, der Makrophyten und des ⁠Makrozoobenthos⁠ sowie Nähr- und Schadstoffkonzentrationen beobachtet und bewertet. Der Zustand der flachen Küstengewässer der Ostsee hat sich zwar teilweise verbessert, da Einträge von Schad- und Nährstoffen aus Flüssen und aus der ⁠Atmosphäre⁠ seit 1990 abgenommen haben. Dennoch wird gegenwärtig der gute ökologische und chemische Zustand entsprechend der Kriterien der WRRL in keinem der definierten ⁠Wasserkörper⁠ erreicht. Auch entsprechend der MSRL-Bewertung ist der Zustand der Küstengewässer nicht gut.

 

Lebewesen in den flachen Küstengewässern der Ostsee

 

Großes Seegras (Zostera marina)

Seegras ist eine Unterwasser-Blütenpflanze. Das Große Seegras hat etwa 30 bis 100 Zentimeter lange Blätter und kann dichte Wiesen ausbilden. Es ist in der Ostsee bis in maximal 10 Meter Wassertiefe verbreitet. Seegraswiesen sind ökologisch besonders wertvoll, denn sie bieten Schutz für zahlreiche Tierarten und fixieren ⁠Kohlendioxid (CO2)⁠. Daher sind Seegraswiesen bedeutsam für den natürlichen ⁠Klimaschutz⁠. Bis vor etwa 100 Jahren waren die flachen Küstengewässer der Ostsee dicht mit Seegraswiesen bewachsen; inzwischen ist das Große Seegras als gefährdet eingestuft. Die Trübung des Wassers aufgrund zu hoher Nährstoffbelastung verhindert die Wiederbesiedlung, weil zu wenig Licht auf den Meeresboden gelangt.

Seegraswiese auf felsigem Untergrund.
Seegraswiesen sind „die Kinderstuben der Ostsee“.
Quelle: Christian Howe
 

Blasentang (Fucus vesiculosus)

Der Blasentang ist eine mehrjährige, bis zu 30 Zentimeter lange Braunalge, die bis in 10 Metern Wassertiefe vorkommen kann und große Schwankungen im Salzgehalt toleriert. Charakteristisch sind die Gasblasen, mit denen sich die Pflanze aufrecht und möglichst nahe der Wasseroberfläche hält. Der Blasentang ist auf festen Untergrund, wie Fels und Stein, angewiesen. Die Bestände in der Ostsee sind in den letzten 50 Jahren drastisch zurückgegangen, was mit der verstärkten Trübung des Meerwassers und den nach über einhundert Jahre intensiver Steinfischerei fehlenden Ansiedlungsflächen (Steinen) zusammenhängt

Blasentang unter Wasser.
Bei guten Bedingungen kann Blasentang einen dichten „Wald“ bilden.
Quelle: Christian Howe
 

Leuchtalgen

In flachen Ostseegewässern kann man in warmen Nächten ein blaues Leuchten beobachten, vor allem wenn sich das Wasser durch Wellen oder Schiffsschrauben bewegt. Der Grund für dieses Meeresleuchten sind mikroskopisch kleine Panzergeißelalgen, auch Dinoflagellaten genannt. Diese Einzeller haben die Fähigkeit, sichtbares Licht zu erzeugen (Biolumineszenz). Eine solche Art ist Alexandrium ostenfeldii. Diese Alge bevorzugt warmes und nährstoffreiches Wasser, und war bis zum 20. Jahrhundert nicht in der Ostsee auffällig. Heute kommt sie – wahrscheinlich durch ⁠Klimawandel⁠ und Überdüngung begünstigt – immer häufiger vor. Besorgniserregend wäre ein Massenvorkommen dieser Art, da sie Gifte produziert, die sich in Meerestieren anreichern und auf das Nervensystem wirken können.

Nachtaufnahme, ein Bootsmotor zieht eine blau leuchtende Spur hinter sich her.
In den letzten 20 Jahren ist Meeresleuchten in der Ostsee immer häufiger zu beobachten.
Quelle: Anke Kremp
 

Baltische Plattmuschel (Macoma baltica)

Die Baltische Plattmuschel ist eine Meeresmuschelart, die in Meeresböden der flachen Ostseegewässer vorkommt. Sie ist mit 2,5 Zentimeter relativ klein und hat eine flache, länglich-ovale Form. Die Schalen sind bunt mit verschiedenen Farben, von weiß über gelb, rosa bis zu braun. Die Muschel lebt eingegraben im Meeresboden. Sie ernährt sich von organischen Partikeln und Plankton, die sie aus dem umgebenden Wasser filtert oder direkt vom Meeresboden aufnimmt. Als Nahrung für Krebse, Fische und Vögel spielt sie eine wichtige Rolle im ⁠Ökosystem⁠ der Ostsee

Braun-weiß gestreifte Muschel im Sand.
Die gefärbte Schale schützt das sensible Innere der baltischen Plattmuschel.
Quelle: Manuela Krakau
 

Miesmuschel (Mytilus-Komplex)

In den flachen Küstengewässern der Ostsee kommen drei Arten von Miesmuscheln vor, die schwer voneinander zu unterscheiden sind: Mytilus edulis, M. trossulus und M. galloprovincialis. Die typisch blauschwarzen Muscheln heften sich an felsigen und steinigen Untergründen an. Sie bilden auch Muschelbänke aus tausenden Individuen. Aufgrund des geringen Salzgehaltes werden Miesmuscheln in der Ostsee nur bis zu 5 Zentimeter groß. Um Nahrung zu gewinnen, filtert jede Miesmuschel etwa 2 Liter Meerwasser pro Stunde. Da die Miesmuscheln dabei auch Schadstoffe und Mikroplastik aufnehmen, werden sie für die Überwachung der Wasserqualität in den Küstengewässern untersucht. In den letzten 20 Jahren sind die Schadstoffgehalte von Schwermetallen und verbotenen Bioziden, wie ⁠DDT⁠ und ⁠Lindan⁠, in Miesmuscheln signifikant zurückgegangen.

Nahaufnahme von einer Miesmuschelbank.
Miesmuscheln sind „die Kläranlage des Meeres“.
Quelle: Christian Howe
 

Scherenassel (Sinelobus vanhaareni)

Diese nicht-heimische Scherenassel hat eine Länge von nur 4 bis 7 Millimeter. Die typischen Scherenbeine sind bei den Männchen stark vergrößert. Ihr Herkunftsgebiet ist bisher nicht bekannt. Erstmals wurde sie in der Nordsee nachgewiesen; seit 2012 ist diese Art ebenfalls in der deutschen Ostsee belegt. Die kleine Krebsart bevorzugt überwiegend Brackwasserareale und toleriert starke Schwankungen im Salzgehalt. Sie wird inzwischen in zahlreichen Häfen entlang der Nord- und Ostseeküste entdeckt und kommt dort teilweise in extrem hohen Individuendichten (bis zu 10000 Tiere pro Quadratzentimeter) vor. Sie baut aus kleinen Algen und Sedimentpartikeln Wohnröhren, meist an künstlichen Hartsubstraten wie Hafenmauern oder Schiffsrümpfen, und ist somit Teil der Aufwuchsgemeinschaft („fouling community“). Es wird eine Konkurrenz zur heimischen Scherenassel (Heterotanais oerstedii) angenommen; dies konnte jedoch noch nicht belegt werden.

Nahaufnahme einer Scherenassel.
Sinelobus vanhaareni wurde erst im Jahr 2014 als neue Art beschrieben.
Quelle: Jan Leitinger / IfAÖ Institut für Angewandte Ökosystemforschung GmbH
 

Pinsel-Felsenkrabbe (Hemigrapsus takanoi)

Der etwa 3 Zentimeter breite Panzer der Pinsel-Felsenkrabbe erscheint fast quadratisch. Die Männchen zeichnen sich durch ein pinsel-ähnliches Haarpolster an den Scheren aus. Die Art bevorzugt schlickige Sedimente mit geringer Hydrodynamik und ist häufig in geschützten Habitaten, z. B. unter Steinen oder zwischen Miesmuscheln, zu finden. Die Pinsel-Felsenkrabbe stammt ursprünglich aus dem Nordwestpazifik und wurde erstmals 2014 in der deutschen Ostsee (Kieler Förde) nachgewiesen. Seitdem hat sich die Krabbe stetig weiter ostwärts bis Rügen ausgebreitet. Aufgrund vergleichbarer ⁠Klima⁠- und Umweltbedingungen in ihrer asiatischen Heimat – begünstigt durch eine hohe Vermehrungsrate sowie ihre Toleranz gegenüber sich verändernden Salzgehalten und Temperaturen – wird der Pinsel-Felsenkrabbe ein erhebliches Potential für eine weitere Ausbreitung entlang der europäischen Küsten zugeschrieben. Aufgrund derselben Raum- und Nahrungsbedarfe besteht wahrscheinlich Konkurrenz zur heimischen Strandkrabbe (Carcinus maenas), die mit bis zu 6 Zentimeter Panzerbreite doppelt so groß werden kann.

Pinsel-Felsenkrabbe und die größere Strandkrabbe.
Pinsel-Felsenkrabbe und die größere Strandkrabbe.
Quelle: Anna Dietrich / IfAÖ Institut für Angewandte Ökosystemforschung GmbH
 

Kliesche (Limanda limanda)

Die Kliesche ist ein bis zu 40 Zentimeter großer Plattfisch. Über der Brustflosse hat sie eine halbkreisförmig gebogene Seitenlinie, die die Kliesche deutlich von der Scholle unterscheidet. Die Kliesche bevorzugt sandige weiche Meeresböden und ernährt sich von kleinen Fischen, Würmern oder Krebstieren. Zu den natürlichen Fressfeinden der Kliesche gehören größere Fische, Vögel und Robben. Die jungen Fische leben in den flachen Küstengewässern der Ostsee in direkter Küstennähe, ausgewachsene Tiere bevorzugen Meerestiefen von bis zu 40 Metern. Aufgrund ihres großen Verbreitungsgebiets wird die Kliesche regelmäßig als Anzeiger für Schadstoffbelastung in Nord- und Ostsee untersucht.

Hände in Laborhandschuhen halten eine Kliesche.
Die Kliesche wird als Anzeige für Schadstoffbelastung untersucht.
Quelle: Christina Waitkus / Thünen Institut
 

Ostseehering (Clupea harengus membras)

Der Ostseehering ist eine an die Verhältnisse der Ostsee angepasste Unterart des Atlantischen Herings. Wegen ihrer immensen historischen Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung in der Region wird er auch das „Silber der Ostsee“ genannt. Die Bestände des Herings sind durch die übermäßige Befischung und Verschmutzung der Ostsee stark geschrumpft. Der ⁠Klimawandel⁠ setzt der Population zusätzlich zu, da die allzu milden Winter die Tiere zum verfrühten Ablaichen anregen und die Larven zu dieser Zeit noch zu wenig Futter finden. Um auf den besonderen Gefährdungsstatus hinzuweisen, ist der Hering schon zweimal zum Fisch des Jahres (2021 + 2022 ) gewählt worden.

Hände in Laborhandschuhen halten einen Hering.
Der Ostseehering spielt eine Schlüsselrolle im Nahrungsnetz.
Quelle: Christina Waitkus / Thünen Institut
 

Dorsch (Gadus morhua)

Der Atlantische Dorsch ist ein ökologisch wichtiger Raubfisch in der westlichen Ostsee. Ausgewachsene Tiere sind durchschnittlich 100 Zentimeter lang; der größte gefangene Fisch hatte sogar eine Länge von etwa 200 Zentimetern. Der Dorsch war über lange Zeit eine der kommerziell am meisten geschätzten Arten im Meer, aber aufgrund veränderter Umweltfaktoren und Überfischung ist sein Bestand zusammengebrochen. Um seine Erholung zu unterstützen, darf er seit 2022 nicht mehr kommerziell gefischt werden. Außerdem sollen veränderte Schleppnetze seinen Beifang reduzieren. Der Dorsch ist zum Fisch des Jahres 2024 gewählt worden.

Hände in Laborhandschuhen halten einen Dorsch.
Der Dorsch als großer Raubfisch spielt eine essentielle regulierende Rolle im Ökosystem.
Quelle: Christina Waitkus / Thünen Institut
 

Eisente (Clangula hyemalis)

Die Eisente lebt für den Großteil des Jahres in der arktischen Tundra. Zwischen November und März überwintern bis zu 360.000 Vögel an der Ostseeküste. Eisenten können tief tauchen, um ihre Hauptnahrung, Muscheln, zu erreichen. Die Art ist weltweit als gefährdet eingestuft. Sie können sich beim Tauchen in Stellnetzen verfangen oder beim Flug mit Offshore-Anlagen kollidieren. In ihren nordischen Brutgebieten macht dieser Art zudem der ⁠Klimawandel⁠ zu schaffen. Ein Beispiel dafür ist das sich mit zunehmenden Meerestemperaturen verändernde Nahrungsangebot, das die erfolgreiche Aufzucht des Nachwuchses erschwert. Der Bestand hat sich in weniger als zwei Jahrzehnten nahezu halbiert. Weitere Maßnahmen für den Schutz der Eisente sind daher dringend nötig.

Eine Eisente schwimmt auf dem Wasser.
Die hübsche Eisente ist im Winter an der deutschen Ostseeküste zu Gast.
Quelle: Mirko Hauswirth / Bundesamt für Naturschutz
 

Brandgans (Tadorna tadorna)

Die Brandgans gehört zu den Halbgänsen, weshalb sie auch "Brandente" genannt wird. "Brand-" im Namen ist abgeleitet von dem kräftig rotbraunen Brustband, das deutlich ins Auge fällt. Auch von der Größe her liegt sie mit 68 Zentimetern Länge und circa 1300 Gramm Gewicht zwischen Gans und Ente. Brandgänse leben an der Nord- und Ostseeküste und sind dort vor allem auf den flachen Küstengewässern und den angrenzenden Sand- und Schlammflächen zu finden. Sie ernähren sich dort vor allem von Würmern, Schnecken, Muscheln und Insekten, gelegentlich auch von Wasserpflanzen. Eine weitere Besonderheit der Brandgänse ist, dass sie ihre 8-10 Eier in Erdhöhlen wie z.B. verlassenen Kaninchenhöhlen ausbrüten. Entlang unserer Meeresküsten finden Brandgänse immer seltener störungsfreie Gebiete zum Brüten und zur Jungenaufzucht. Dies ist vielleicht ein Grund, warum sich die Art entlang großer Flussläufe ins Binnenland ausgebreitet hat, wo sie heute auch an Elbe, Rhein, Ems, Havel und Oder zu finden ist.

Brandgans am Ufer.
Bei der Brandgans haben sowohl Männchen als auch Weibchen das arttypische auffällige Gefieder.
Quelle: Mirko Hauswirth
 

Gewöhnlicher Schweinswal (Phocoena phocoena)

Der Schweinswal ist die einzige heimische Walart in der Ostsee. Die durchschnittlich bis zu 1,60 Meter großen Tiere gehören zu den Zahnwalen. Sie ernähren sich vornehmlich von Fischen; gelegentlich stehen aber auch Tintenfische, Krebstiere, Schnecken oder Borstenwürmer auf ihrem Speiseplan. Sie sind eher scheu und nur bei glatter Meeresoberfläche vom Strand oder einem Segelboot aus zu beobachten. Die Rückenflosse (Finne) des Schweinswals ist eher dreieckig als sichelförmig und somit ein gutes Erkennungszeichen. Schweinswale leben in Gruppen aus wenigen Tieren und bevorzugen küstennahe, ruhige Gewässer, wie flache Meere, Buchten und Flussmündungen. Entlang der deutschen Ostseeküste sind zwei Populationen bekannt, eine westlich von Rügen und eine östlich von Rügen. Die Anzahl der in der Ostsee lebenden Tiere ist schwer zu erfassen; in der zentralen Ostsee gelten Schweinswale mit weniger als 500 Individuen sogar als vom Aussterben bedroht. Sie sind hauptsächlich durch Beifang in Fischereinetzen, Unterwasserlärm und eine schleichende Vergiftung gefährdet.

Ein Schweinswal schwimmt durch das Wasser
Der Schweinswal ist eine der kleinsten Walarten.
Quelle: Adobe Stock
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