Die Aufmerksamkeits-Defizits-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) gehört zur Gruppe der Verhaltens- und emotionalen Störungen. ADHS beginnt im Kindesalter und kann Betroffene während des gesamten Lebens begleiten. ADHS ist gekennzeichnet durch motorische Unruhe, mangelnde Konzentrationsfähigkeit und gesteigerte Impulsivität. Menschen mit ADHS unterliegen einer ständigen Reizüberflutung, da sie aufgrund von Stoffwechsel- und Funktionsstörungen im Gehirn wichtige von unwichtigen Informationen nicht unterscheiden können und so ständig unter großer Anspannung stehen. Liegt keine Hyperaktivität vor, so spricht man auch von ADS.
Wie häufig ist ADHS in Deutschland?
In der kritischen Öffentlichkeit wird häufig thematisiert, dass ADHS in der westlichen Welt eine Art „Modediagnose“ ist, die es erlaubt, schwieriges kindliches Verhalten medikamentös zu dämpfen. Tatsächlich ist die Diagnose von ADHS nicht einfach zu stellen.
Daten des Kinder- und Jugend-Gesundheitssurveys (KiGGS) 2003-2006 zeigen für Deutschland bei 3 bis 17-jährigen Kindern eine Häufigkeit von 5% auf. Berücksichtigt wurden solche Kinder, bei denen ein Arzt oder ein Psychologe jemals ADHS diagnostiziert hat. Jungen sind mehr als viermal häufiger betroffen als Mädchen. Hinzu kamen noch einmal 5% Verdachtsfälle, gemäß der Auswertung von Elternangaben ohne dass eine Diagnose erstellt wurde.
Welche Risikofaktoren sind bekannt?
Bei kaum einer anderen Krankheit mit unklarer Ursache gibt es so viele Hinweise und Studien zu möglichen Faktoren, die die Entstehung und den Verlauf beeinflussen, wie bei ADHS. Als relativ gesichert gilt, dass eine genetische Veranlagung einen wesentlichen Risikofaktor darstellt. Die relevanten Gene konnten allerdings bisher nicht identifiziert werden, Interaktionen zwischen Umweltfaktoren und Genveränderungen könnten eine wesentliche Rolle spielen.
ADHS beginnt im Kindesalter, so dass ungünstigen Einflüssen während der Schwangerschaft eine große Bedeutung zukommen könnte. Risikofaktoren für das Auftreten von ADHS bei Kindern könnten sein: Nikotin- und Alkoholkonsum während der Schwangerschaft und Geburtskomplikationen (z.B. Sauerstoffmangel). In der Diskussion ist auch, dass eine Schwangerschaftsdiabetes, die Einnahme von Paracetamol und der Verzehr von Lakritz während der Schwangerschaft die kognitive Entwicklung der Feten stören könnte. Alle diese Faktoren stellen Hinweise aus Studien dar, sie können daher nicht als ausreichend kausal belegt gelten.
Ungünstige psychosoziale Einflüsse gelten weniger als Ursache für ADHS. Allerdings können sie den Krankheitsverlauf negativ beeinflussen. Zu nennen sind hier unter anderem: familiäre Instabilität, beengte Wohnverhältnisse und Armut, fehlende Regeln in der Erziehung und Schlafmangel des Kindes.
Zudem gibt es eine Reihe von Hypothesen dazu, dass die Ernährung zumindest die Ausprägung von ADHS beeinflussen kann. Gemäß einer EU-Verordnung müssen Lebensmittel, die bestimmte Farbstoffe (E102, E104, E110, E122, E124, E129) enthalten, seit 2010 mit dem Satz „kann Aktivität und Aufmerksamkeit von Kindern beeinträchtigen“ gekennzeichnet sein. In den letzten Jahren mehren sich wissenschaftliche Studien zur Rolle der Ernährung im Zusammenhang mit ADHS. Es wird zum Beispiel untersucht, ob eine gesunde Ernährung mit ausreichend essentiellen Fettsäuren und genügend Mineralstoffen oder eine entsprechende Supplementierung sich günstig auf den Verlauf von ADHS auswirken könnte.
Welche Rolle spielen Umweltfaktoren?
Viele Umweltgifte wie einige Metalle oder Pestizide (Pyrethroide) haben neurotoxische Eigenschaften und können besonders bei Exposition während der Schwangerschaft oder im Kleinkindalter die Entwicklung des Gehirns beeinflussen. Dadurch kann die neurale Entwicklung von Kindern gestört oder verzögert werden. Ob eine Exposition mit Schadstoffen allerdings tatsächlich in der Folge auch zu ADHS führen kann, wird derzeit noch kontrovers diskutiert. Der Hauptzuführpfad dieser Umweltschadstoffe für die Allgemeinbevölkerung ist die Nahrung. Hinsichtlich der Metalle ist Blei hervorzuheben, da Blei auch heute noch vereinzelt in unzulässigen Konzentrationen im häuslichen Trinkwasser zu finden ist. Eine Ernährung mit viel Seefisch kann zu einer relevanten Belastung mit Quecksilber führen.
In den letzten Jahren wurden Studien durchgeführt und publiziert, die ADHS auch mit Luftschadstoffen in Verbindung bringen. In den Studien wurde meist untersucht, ob es einen Zusammenhang zwischen der kognitiven Entwicklung von Kindern und der Exposition gegenüber städtischen Verkehrsimmissionen gibt. In einigen Studien ergeben sich Hinweise auf positive Zusammenhänge zur „Nähe“ zum Straßenverkehr als auch für die Höhe der auftretenden Schadstoffe (NO2, Feinstaub), allerdings sind die Ergebnisse bisher widersprüchlich.
Gegen eine Bedeutung von Luftschadstoffen bei der Entstehung von ADHS sprechen die Ergebnisse des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys. Dort wurde für das Vorkommen von ADHS (Befragung der Eltern nach jemals gestellter Diagnose und Summenscore aus abgefragten Verhaltensweisen) zum Beispiel kein Effekt der städtischen oder ländlichen Wohnumgebung ermittelt. Deutlich war aber der Einfluss der sozialen Stellung: Kinder aus Familien mit niedrigem Sozialstatus wiesen häufiger ADHS auf als Kinder aus Familien mit hohem Status.
In vielen Ratgebern für Erziehende finden sich Hinweise unter anderem dazu, dass Kinder mit ADHS vor zusätzlicher Reizüberflutung geschützt werden sollten. So gibt es zum Beispiel wissenschaftliche Untersuchungen, die zeigen, dass ein täglicher Aufenthalt in „grüner“ Umgebung (Wälder oder Parks) die ADHS-Symptomatik mildern kann.