Prüfprogramm für Altwirkstoffe
Seit 2004 werden biozide Altwirkstoffe in einem EU-weiten Arbeitsprogramm hinsichtlich ihrer Risiken für Mensch, Tier und die Umwelt bewertet. Wirkstoffe, die am Stichtag 14.05.2000 bereits als Wirkstoff in Biozidprodukten in Verkehr waren (für andere Zwecke als wissenschaftliche oder produkt- und verfahrensorientierte Forschung und Entwicklung), werden als „Altwirkstoffe“ bezeichnet. Alle notifizierten Altwirkstoff-/Produktart-Kombinationen sind in der Verordnung (EU) Nr. 1062/2014 (Verordnung zur systematischen Prüfung aller in Biozidprodukten enthaltenen alten Wirkstoffe, „Review-Verordnung“) gelistet. Biozidprodukte, deren Wirkstoff bzw. Wirkstoffe nicht in VO (EU) Nr. 1062/2014 enthalten sind, die also nicht notifiziert wurden, dürfen seit dem 14. Dezember 2003 nicht mehr vermarktet werden.
Übergangsregelungen für Altwirkstoffe
Für Biozidprodukte, die ausschließlich Altwirkstoffe enthalten, bestehen Übergangsregelungen. Das heißt, Produkte in denen sie zur Anwendung kommen, können bis zur Entscheidung über die Genehmigung oder Nichtgenehmigung der enthaltenen Wirkstoffe ohne Zulassung in den Verkehr gebracht und verwendet werden. Die Vermarktung dieser Produkte ist aber nur dann zulässig, wenn alle enthaltenen bioziden Wirkstoffe im Rahmen des Altwirkstoff-Programms überprüft werden. Bis voraussichtlich 2024 sollen alle Altwirkstoffe abschließend auf ihre Risiken für Mensch, Tier und Umwelt und auf ihre Wirksamkeit geprüft und eine Entscheidung zur (Nicht-) Genehmigung getroffen werden.
Genehmigung von Neuwirkstoffen
„Neue Wirkstoffe“ sind Stoffe, die am 14.05.2000 nicht als Wirkstoff eines Biozidprodukts im Verkehr waren. Während Biozidprodukte mit gelisteten Altwirkstoffen bis zu einem bestimmten Stichtag ohne Zulassung vermarktet werden können beziehungsweise konnten, gilt dies nicht für Biozidprodukte mit Neuwirkstoffen. Bevor ein Produkt mit Neuwirkstoffen vermarktet werden darf, müssen zuvor die Wirkstoffe genehmigt und das Produkt zugelassen worden sein.
Wirkstoffprüfung
Um die große Anzahl biozider Altwirkstoffe prüfen zu können, hat die EU im Rahmen des Altwirkstoff-Programms Prioritäten-Listen erstellt. Die Priorität der Produktart wurde anhand der Wahrscheinlichkeit, dass die Anwendung der entsprechenden Produkte zu Gesundheits- und/oder Umweltrisiken führt, abgeschätzt. So werden die Wirkstoffe der einzelnen Produktarten nacheinander bearbeitet und bewertet. Die Aufteilung der Produktarten in die Prioritätenlisten wurde wie folgt vorgenommen:
1. Priorität: Holzschutzmittel, Nagetierbekämpfungsmittel
2. Priorität: Mittel zur Bekämpfung von Schnecken, Insekten, Milben und Gliederfüßern; Vergrämungsmittel; Antifoulingmittel
3. Priorität: Desinfektionsmittel, Konservierungsmittel
4. Priorität: weitere Materialschutzmittel, Vogel- und Fischbekämpfungsmittel, Schutzmittel für Lebens- und Futtermittel, Flüssigkeiten für Einbalsamierung, Produkte gegen sonstige Wirbeltiere.
Für jeden Wirkstoff wird festgelegt, welcher EU-Mitgliedstaat die Erstellung des Bewertungsberichts federführend übernimmt. Der eingereichte Antrag auf Genehmigung eines Wirkstoffs (Dossier) besteht aus zwei Teilen: Zum einen beziehen sich die eingereichten Unterlagen auf den zu prüfenden Wirkstoff (die aktive Substanz), z.B. zu seinen physiko-chemischen Eigenschaften, seinem Umweltverhalten und seinen Wirkungen. Zum anderen enthält der Antrag mindestens ein zu bewertendes Beispiel-Biozidprodukt für die beantragte Produktart, welches eine mögliche spätere Anwendung darstellt. Wirkstoffe können für die betreffende Produktart für einen Anfangszeitraum von höchstens zehn Jahren genehmigt werden, wenn für mindestens ein Biozidprodukt im Bewertungsbericht gezeigt wird, dass von der vorgesehenen Anwendung keine unannehmbaren Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt ausgehen.
Auf Basis dieser Daten wird ein Bewertungsbericht erstellt. Wird ein Wirkstoff in Deutschland bewertet, erarbeitet jede Bewertungsstelle basierend auf den vom Antragsteller eingereichten Unterlagen einen Teil des nationalen Bewertungsberichtes für ihren Zuständigkeitsbereich. Die Zulassungsstelle in Deutschland, die Bundesstelle für Chemikalien (BfC), erstellt aus diesen Teilberichten einen Gesamtbewertungsbericht (Competent Authority Report, CAR) mit Vorschlag zur Genehmigung oder Nicht-Genehmigung des Wirkstoffes. Dieser Vorschlag wird auf EU-Ebene mit den EU-Mitgliedstaaten in den entsprechenden Gremien diskutiert. Die Koordination über dieses Verfahren übernimmt die Europäische Chemikalienagentur (ECHA).
Entscheidung über die Genehmigung
Auf Basis der Schlussfolgerung der Bewertung eines Wirkstoffs verfasst die ECHA eine Stellungnahme über die Genehmigung des Wirkstoffs, auf deren Basis die Europäische Kommission eine Durchführungsverordnung erlässt, die die Bedingungen festlegt, unter welchen der Wirkstoff genehmigt wird. Sind die Genehmigungsvoraussetzungen nicht erfüllt, erlässt die europäische Kommission ebenfalls einen entsprechenden Durchführungsbeschluss. Sobald über die Genehmigung eines Wirkstoffes abgestimmt wurde, wird der Bewertungsbericht (Assessment Report) und die Durchführungsverordnung auf der Internetseite der ECHA veröffentlicht und der Stoff wird in die Liste der genehmigten Wirkstoffe (Unionsliste) der ECHA aufgenommen.
Der Anhang I der Biozid-Verordnung
Der Anhang I der Biozid-Verordnung listet Wirkstoffe, die ein niedriges Risiko aufweisen, als Lebensmittelzusatzstoffe ausgewiesene Stoffe (z.B. Essigsäure), Pheromone und andere Stoffe mit geringer Toxizität, wie beispielsweise schwache Säuren, Alkohole und Pflanzenfette, die in kosmetischen Mitteln und in Lebensmitteln verwendet werden. Für Biozidprodukte, die nur Wirkstoffe des Anhang I enthalten, ist ein vereinfachtes Zulassungsverfahren vorgesehen.