Warum Pinguine?
Im Antarktischen Ozean sind marine Säugetiere und alle heimischen Vögel, also auch Pinguine, unter besonderen Schutz gestellt. Sie sollen dadurch vor schädlichen Einwirkungen durch die Menschen, wie zum Beispiel auch Unterwasserschall, geschützt werden.
An Land wirken die flugunfähigen Pinguine oft unbeholfen, aber im Wasser zeigen sie sich als meisterhafte Schwimmer und Taucher: Pinguine können eine halbe Stunde tauchen (z. B. Kaiserpinguine) und erreichen dabei Wassertiefen von mehreren hundert Metern. Auf ihren Nahrungszügen unternehmen sie bis zu mehreren Dutzend Tauchgänge pro Tag und bleiben dabei stundenlang im und unter Wasser. Obwohl das Verhalten von Pinguinen, wie zum Beispiel zur Nahrungssuche, bereits untersucht wurde, ist über ihre Hörfähigkeiten nur wenig bekannt. Wir nehmen an, dass Pinguine ein spezialisiertes Hörvermögen haben, aber bislang gibt es dazu kaum wissenschaftliche Erkenntnisse. Von Menschen verursachter Unterwasserlärm gilt heute als eine der Hauptbelastungen für Meeresbewohner. Die derzeitige Wissensgrundlage über das Hörvermögen von tauchenden Vögeln erlaubt keine ausreichende Bewertung der Auswirkungen anthropogenen Unterwasserschalls auf diese Arten. Deshalb hat das UBA Anfang 2018 ein internationales Forschungsprojekt gestartet, um das Hörvermögen von Humboldt-, Königs-, Felsen- und Eselspinguinen zu erforschen.
In dem deutsch-dänischen Forschungsprojekt „Hearing in Penguins“ wird untersucht, was und wie gut Pinguine hören. Die Ergebnisse können Aufschluss geben, inwieweit Pinguine von menschengemachtem Lärm unter Wasser beeinflusst werden.
Hörtest für Pinguine
Um eine Prognose über die Auswirkungen von Unterwasserschall auf Pinguine zu erstellen, braucht es als Basisinformation Daten zum Hörvermögen dieser Arten. Das Hörvermögen von Arten wird als Audiogramm, also als Kurve der Hörschwelle bei verschiedenen Frequenzen dargestellt. Es gibt bisher aber nur eine einzige Studie, die Audiogramme von drei Brillenpinguinen beschreibt. Diese Studie aus den 1960er Jahren verwendetet invasive Methoden, die heute nicht mehr zu Anwendung bei Pinguinen kommen.
Bei diesem Forschungsprojekt wird das Hörvermögen der Pinguine mit nicht-invasiven Methoden ermittelt. Die Pinguine werden in einem Teil des Projekts so trainiert, dass sie an einem Hörtest, also einer verhaltensbiologischen Hörmessung, teilnehmen können. Allerdings erfordert die Methode eine aufwendige Trainingsphase, in der die Tiere lernen müssen, auf akustische Signale mit einer eindeutigen Verhaltensantwort zu reagieren.
Bei vielen Säugetieren (wie zum Beispiel bei einigen Walarten, aber auch bei menschlichen Säuglingen) ist eine alternative Methode zur Feststellung der Hörfähigkeiten bereits etabliert: Die Methode der Auditorisch Evozierten Potentialen (AEP). Hierbei wird die elektrische Aktivität des Gehirns in Reaktion auf ein Schallsignal gemessen. Diese elektrophysiologische Messtechnik soll in einem anderen Projektteil für die Anwendung an Pinguinen weiterentwickelt werden.
Die Forschungspartner und ihre Pinguine
Für die verhaltensbiologischen Hörtests arbeitet das Deutsche Meeresmuseum in Stralsund mit Humboldtpinguinen an Audiogrammen für das Hören an Land. Die Universität Süddänemark kooperiert mit dem Zoo Odense und untersucht die Hörfähigkeit von Königs-, Felsen- und Eselspinguinen.
Für die elektrophysiologischen Hörtests entwickeln die Wissenschaftler in Dänemark ein Konzept für einen Helm mit Sensoren, der es ermöglichen soll, die Hirnaktivität bei vollem Bewusstsein der Pinguine zu messen.
Eine Video-Tour durch das Ohr eines Pinguins
Um besser zu verstehen, wie Pinguine hören, wurden Pinguinohren visualisiert. Im Museum für Naturkunde in Berlin wurden Schädel aus der Sammlung in einem Computertomographen gescannt und zu einem 3D-Modell rekonstruiert. Durch Weichgewebescans konnten die Strukturen der Ohren deutlich gemacht werden.
Wissenschaftskommunikation zu Unterwasserlärm
In der Studie wurden Instrumente der Wissenschaftskommunikation durch das Museum für Naturkunde in Berlin und das Deutsche Meeresmuseum entwickelt. Neben den Ergebnissen zur Pinguinforschung soll generell das Thema Unterwasserlärm in die Öffentlichkeit gebracht werden, um diese für die Problematik zu sensibilisieren. Auf der Seite „Lautes Meer – Meereslaute“ finden Sie Informationen zur Geräuschkulisse im Meer. Hierbei wurde insbesondere eine Audiogrammdatenbank entwickelt, die das aktuelle Wissen der Experten aufbereitet und den Austausch über das Forschungsgebiet der Bioakustik fördert.