Pflanzenschutzmittel – was ist das?
Pflanzenschutzmittel sind chemische oder biologische Wirkstoffe, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden, um unerwünschte Organismen abzutöten. Sie schützen Kulturpflanzen und ihre Erzeugnisse vor verschiedenen Schadorganismen, zum Beispiel Blatt- oder Fruchtschädigenden Insekten, unerwünschten Ackerbegleitkräutern oder Vorratsschädlingen. In Deutschland waren 2021 281 Wirkstoffe in insgesamt 950 Mitteln (ohne ruhende Zulassungen) mit 1.809 Handelsnamen zugelassen. Die Menge der in Deutschland abgesetzten Pflanzenschutzmittel lag seit 2006 bei jährlich circa 30.000 bis 35.000 Tonnen (ohne inerte Gase, die ausschließlich im Vorratsschutz eingesetzt werden). Zwar kann von der abgesetzten Menge nicht direkt auf den jährlichen Verbrauch rückgeschlossen werden, weil Landwirte Pflanzenschutzmittel bei günstigen Preisen auf Vorrat kaufen. Die Zahlen geben jedoch einen Eindruck von der enormen Menge an Spritzmitteln, die jährlich auf deutschen Äckern landen.
Die Gruppe der Herbizide, allgemein als Unkrautvernichtungsmittel bekannt, macht hierbei mit über 50 Prozent den größten Teil der abgegebenen Spritzmittel aus. Die meisten Pflanzenschutzmittel verfügen über ein relativ breites Wirkungsspektrum, so dass schädliche Nebenwirkungen auf Tiere und Pflanzen, die keine Schadorganismen sind, nicht ausgeschlossen werden können. Der großflächige und umweltoffene Einsatz der Pflanzenschutzmittel ist daher nicht nur mit einem hohen Nutzen für die landwirtschaftliche Produktion, sondern immer auch mit hohen Risiken für die Natur, das Grundwasser und die biologische Vielfalt verbunden.
Gefahren für die Umwelt
Die immer intensivere Bewirtschaftung von Flächen und der Anbau von Futter- und Energiepflanzen haben die Rahmenbedingungen für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Deutschland drastisch verändert. Für den Umweltschutz sind Pflanzenschutzmittel relevant, weil sie sowohl beim Ausbringen auf das Feld, etwa durch Verdriftung von Spritzmitteln oder von kontaminierten Beizstäuben, als auch später durch Abschwemmung von den Ackerflächen in benachbarte Saumbiotope oder Gewässer gelangen können.
Der intensive Einsatz hochwirksamer Breitband-Herbizide und -Insektizide führt zwangsläufig auch dazu, dass die Pflanzenwelt verarmt und vielen Vogel-, Säuger- und anderen Tierarten der Agrarlandschaft die Nahrungsgrundlage entzogen wird. In zahlreichen wissenschaftlichen Studien wurde nachgewiesen, dass Pflanzenschutzmittel über die Nahrungskette eine der Hauptursachen für den Rückgang verschiedener Feldvogelarten, wie zum Beispiel der Feldlerche, der Goldammer oder des Rebhuhns sind. Auch der weltweit beobachtete Rückgang von Blütenbestäubern wird in der wissenschaftlichen Literatur in einem ursächlichen Zusammenhang mit den Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf die zeitliche Verfügbarkeit und die Vielfalt des Blütenangebots gesehen.
Unerwünschte Nebenwirkungen von Pflanzenschutzmitteln können nicht nur für benachbarte natürliche Lebensräume, sondern auch für die behandelten landwirtschaftlichen Flächen selbst ein Problem darstellen. Beispiele hierfür sind Beeinträchtigungen der Bodenfruchtbarkeit durch die Schädigung wichtiger Bodenorganismen oder von Tieren, die sich nur zeitweise auf den Flächen aufhalten, wie zum Beispiel Wirbeltiere oder Blütenbestäuber bei der Nahrungssuche. Zudem sind Probleme wie „gebundene Rückstände“ als Langzeithypothek im Boden, Nachweise von Pflanzenschutzmitteln im Grundwasser oder Oberflächengewässern, sowie die Belastung von Nahrungsmitteln zu nennen.
Auswirkungen auf die Gewässer
In den letzten Jahren gingen die Funde von Pflanzenschutzmitteln in Gewässern kontinuierlich zurück. Zwischen 2013 und 2016 überschritten noch etwa 3,8 % der Proben im oberflächennahen Grundwasser den jeweiligen gesetzlichen Grenzwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter (µg/l) bei mindestens einem Wirkstoff (letzte vorliegende Daten). Der Rückgang der Grundwasserbelastungen ist dabei wesentlich auf abnehmende Fundhäufigkeiten von Atrazin, Desethylatrazin und einigen wenigen anderen Wirkstoffen sowie deren Metaboliten (Abbauprodukte) zurückzuführen, deren Anwendung bereits seit Jahren oder sogar Jahrzehnten verboten ist (“Gewässer in Deutschland“). Hier zeigt sich eine Verzögerung der ökologischen Prozesse, die die strenge Zulassung in Deutschland rechtfertigt. Moderne Pflanzenschutzmittel treten deutlich seltener im Grundwasser auf als ältere.
Für Oberflächengewässer wird die Belastung mit Pflanzenschutzmitteln derzeit nur im Gewässermonitoring zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie systematisch erhoben. Da dazu nur größere Gewässer herangezogen werden, sind die Daten nicht dazu geeignet, um die Belastung der zahlreichen Kleingewässer in der Agrarlandschaft mit Pflanzenschutzmitteln abzuschätzen.
Rechtliche Regelungen
Umweltauflagen und Bestimmungen für die Anwendung sowie ein reduzierter Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und die Kompensation ihrer negativen Auswirkungen in der Agrarlandschaft sollen daher die Risiken auf ein vertretbares Maß mindern. Rechtliche Grundlage für die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln sind das novellierte Pflanzenschutzgesetz (PflSchG), die europäische Pflanzenschutzmittelverordnung (1107/2009/EG) sowie die Umsetzung der Rahmenrichtlinie zur nachhaltigen Verwendung von Pestiziden (2009/128/EG) – einschließlich der Erarbeitung des „Nationalen Aktionsplans der Bundesregierung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln“. In diesen Vorschriften werden Ziele und Maßnahmen für einen verbesserten Schutz von Gewässern und den Erhalt der Biodiversität definiert. Gleichzeitig sollen Anwenderinnen und Anwender intensiver beraten und geschult sowie die Kontrollen durch die Länder verstärkt werden. Ziel ist es, die Einhaltung der Umweltauflagen weiter zu verbessern. Zulassungsübergreifende Managementstrategien sollen auch solche Risiken regulieren, die im Rahmen der Produktzulassung nicht ausreichend berücksichtigt werden können: zum Beispiel indirekte Effekte auf Agrarvögel und -säuger.
Zulassung von Pflanzenschutzmitteln
Das europäische und das deutsche Pflanzenschutzrecht gewährleisten, dass nur auf ihre Umweltauswirkungen geprüfte Pflanzenschutzmittel in den Verkehr gebracht werden. Die Umweltprüfung jedes Pflanzenschutzmittels ist Teil des Zulassungsverfahrens des Umweltbundesamts. Sie stellt sicher, dass direkte Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf die Umwelt einschließlich der Biodiversität weitgehend verhindert werden. Da hierbei die Auswirkungen jedes einzelnen Mittels unabhängig voneinander bewertet werden („Indikationszulassung“), können mögliche kumulative Effekte durch die Anwendung verschiedener Pflanzenschutzmittel in Tankmischungen oder im Rahmen saisonaler Spritzserien nicht erfasst werden. Es können sich daher Auswirkungen auf die biologische Vielfalt ergeben, die nicht durch das Zulassungsverfahren allein zu regulieren sind. So können indirekte Auswirkungen über die Nahrungskette nur durch eine generelle Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln gemindert werden. Indem zum Beispiel Landbewirtschaftungsformen ohne oder mit reduzierter Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (zum Beispiel der Ökolandbau) gefördert werden. Zusätzlich müssen sie ausreichend kompensiert werden, etwa durch Schaffung von ökologisch wertvollen Ausgleichsflächen in der Agrarlandschaft.
Entscheidend für eine Bewertung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes aus Sicht des Umweltschutzes sind weniger die ausgebrachten Mengen als vielmehr die Wirkungsintensität oder Wirkungsäquivalente. So können moderne hochwirksame Pflanzenschutzmittel aus ökotoxikologischer Sicht trotz geringerer Dosierung das gleiche Gefährdungspotenzial wie ältere Mittel in hoher Dosierung aufweisen. Deshalb ist die pauschale Festsetzung von mengenbezogenen Minderungszielen für alle Pflanzenschutzmittel nicht zielführend. Reduktionsziele sind jedoch sinnvoll für Wirkstoffe, die aus Umweltsicht als kritisch anzusehen sind, jedoch nicht verboten werden können. Mit der Einführung so genannter Ausschlusskriterien für die Zulassung von Wirkstoffen („cut-off-Kriterien“) in der neuen europäischen Pflanzenschutzmittelverordnung (Verordnung EG 1107/2009) soll die Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln mit besonders bedenklichen Wirkstoffeigenschaften auf ein Minimum reduziert werden. So sollen in Zukunft schwer abbaubare, bioakkumulierende und umweltgiftige Wirkstoffe grundsätzlich verboten sein – Beispiele sind die persistenten organischen Schadstoffe (POPs), aber auch krebsauslösende oder über Änderungen im Hormonhaushalt oder im Erbgut schädlich wirkende Stoffe.
Maßnahmen in der Landwirtschaft
Die wichtigsten Instrumente, um die Belastung von Gewässern und Böden und die Gefährdung der biologischen Vielfalt zu verringern, sind der „Nationale Aktionsplan der Bundesregierung zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln“ und eine konsequente Kontrolle der Anwendungsauflagen zum Schutz von Ökosystemen durch die Länderbehörden. Der nationale Aktionsplan schließt eine grundsätzliche Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln in der konventionellen Landwirtschaft auf das tatsächlich notwendige Maß ein. Dies kann unter anderem durch die verpflichtende Einführung der Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes und kulturspezifischer Leitlinien des integrierten Pflanzenschutzes geschehen. Zusätzlich müssen alternative Anbauverfahren mit geringerem oder ohne Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gefördert werden. Es gilt, einen ausreichenden Anteil an ökologisch wertvollen Ausgleichsflächen in der Agrarlandschaft zu schaffen. Zu empfindlichen Land- und Gewässerbiotopen sind zusätzliche Pufferzonen einzurichten, um Beeinträchtigungen der dort lebenden Arten so gering wie möglich zu halten. Solche Vorgaben und Maßnahmen werden im Rahmen der Europäischen Agrarpolitik (GAP) gefördert. Diese reichen jedoch voraussichtlich nicht aus, um das von der EU Kommission in der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ festgelegte ehrgeizige Ziel zu erreichen, bis 2030 die Verwendung und das Risiko chemischer und gefährlicher Pestizide in der EU um 50 % zu verringern.
Maßnahmen zum Schutz von Gewässern und Biodiversität
Um die Gefahr des Eintrags von Pflanzenschutzmitteln in benachbarte Biotope zu vermindern, sollten Landwirte und die zuständigen Behörden der Bundesländer gezielt folgende Maßnahmen zum Schutz der Gewässer und der Biodiversität ergreifen:
- Ausschließliche Verwendung abtriftarmer Geräte/Düsen,
- Feld- statt Hofreinigung der Geräte,
- effiziente Kontrolle der Einhaltung aller gewässerschutzbezogenen Umweltauflagen zur Anwendung, Lagerung und Entsorgung sowie zum Schutz terrestrischer „Nichtzielarten“ von Pflanzenschutzmitteln durch die Bundesländer,
- Einschränkung der Anwendung von Gewässer gefährdenden Pflanzenschutzmitteln, die in Messprogrammen aufgefallen sind und in besonders empfindlichen Gebieten eingesetzt werden, durch bundesweite Auflagen oder durch die Länder im Rahmen von regionalen gewässerschutzbezogenen Regelungen,
- Einschränkung der Anwendungen von Pflanzenschutzmitteln auf nicht-landwirtschaftlich genutzten Flächen und Freiflächen im Rahmen einer Vereinheitlichung der Genehmigungspraxis für Nichtkulturland,
- Förderung der Einrichtung von Gewässerrandstreifen, auch durch Schaffung von geeigneten Ausgleichsflächen (zum Beispiel Blühstreifen), so dass die indirekten Auswirkungen auf terrestrische Nichtzielarten minimiert werden,
- Schlagspezifische Aufzeichnung von Art, Menge und Zeitpunkt der ausgebrachten Pflanzenschutzmittel sowie regelmäßige Übermittlung dieser Informationen an die zuständigen Wasserbehörden,
- Gestaltung der Agrarlandschaft in einer Weise, dass die Anwendung von chemischen Pflanzenschutzmitteln durch die Landwirtschaft nicht dem Erhalt der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft entgegensteht: zum Beispiel durch die Festschreibung eines ausreichend hohen und verpflichtenden Anteils an geeigneten ökologischen Ausgleichsflächen (unter anderem Blühstreifen, Brachen) im Rahmen der Guten Fachlichen Praxis oder der Direktzahlungsregelungen im Rahmen der GAP
- Definition von Mindestanforderungen zur Nützlingsförderung und der Aufrechterhaltung eines ausreichenden ökologischen Wiedererholungspotenzials in der Agrarlandschaft in der Guten Fachlichen Praxis und in den kulturspezifischen Leitlinien des integrierten Pflanzenschutzes,
- generelle oder Wirkstoff-spezifische Anwendungseinschränkungen in besonders empfindlichen Gebieten im Rahmen integrierter Gebietsmanagementstrategien (zum Beispiel in FFH-Gebieten gemäß der Richtlinie 92/43/EWG).