Unter CCU verstehen wir Abscheidung, Transport und anschließende Nutzung von Kohlenstoff. In Klimaschutzdebatten werden zunehmend CCU-Maßnahmen ins Spiel gebracht. Welche Rolle können sie bei der Transformation hin zu einem treibhausgasneutralen Wirtschaften spielen? Aus Sicht des UBA sollte dabei sowohl die Perspektive des Klimaschutzes als auch die rohstoffliche Sicht berücksichtigt werden.
Als „Carbon Capture and Utilization“ werden die Abscheidung, der Transport und die anschließende Nutzung von Kohlenstoffverbindungen, meist in Form von Kohlendioxid (CO2) oder Kohlenmonoxid (CO), bezeichnet, bei denen der Kohlenstoff mindestens einem weiteren Nutzungszyklus zugeführt wird. Je nach Herkunft und Nutzung des Kohlenstoffs erfordert dies die Kombination verschiedener Prozesse und Verfahrensschritte, die jeweils mit Energie- oder Ressourcenverbräuchen sowie Umweltwirkungen verbunden sind.
Der in CCU-Techniken genutzte Kohlenstoff kann in verschiedenen Formen und unterschiedlichen Ursprungs vorliegen. Oft wird unter CCU die Nutzung von gasförmigem CO2 verstanden. Dieses kann fossilen Ursprungs sein (aus fossilen Energieträgern oder Rohstoffen, z.B. aus Kalkstein) oder aus der Atmosphäre stammen.
Der Kohlenstoff kann nach Aufbereitung und eventuellem Transport direkt oder indirekt zur Bereitstellung kohlenstoffhaltiger Produkte genutzt werden. Eine direkte Nutzung von CO2 ist beispielsweise der Einsatz in Feuerlöschanlagen. Die indirekte, rohstoffliche Nutzung umfasst die Synthese von Grundchemikalien oder (Zwischen-)Produkten der chemischen Industrie und von Endenergieträgern, die im Verkehr, in der Industrie sowie der Wärmeversorgung genutzt werden können. Dies wird als Power to Gas/Liquid/Solid bezeichnet.
Bewertungskriterien
Bei der Bewertung der Bedeutung und des möglichen Beitrags von CCU in einem zukünftigen Wirtschaftssystem sind aus unserer Sicht verschiedenste Aspekte zu berücksichtigen:
die Entstehung von CO2 ist als oberste Priorität zu vermeiden, auch wenn danach eine Nutzung erfolgen kann,
ob und in welchem Umfang durch die CCU-Maßnahme Treibhausgasemissionen gegenüber dem jeweils aktuellen Stand eingespart werden können,
ob der Bedarf an Kohlenstoff für notwendige Kohlenstoffprodukte über direkte, energieeffiziente Recycling-Maßnahmen oder aus biogenen Reststoffen gedeckt werden können sowie
ob andere nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt entstehen.
Ausführliche Informationen finden sich dazu in unserer Publikation „Diskussionsbeitrag zur Bewertung von Carbon Capture and Utilization“.
Rolle im Klimaschutz
Für einen effektiven Klimaschutz müssen primär fossile Treibhausgasemissionen gemindert werden.
Deutschland strebt bis 2045 und Europa bis 2050 Treibhausgasneutralität an. Oberste Prämisse im Sinne des Vorsorgeprinzips ist es daher, die Entstehung von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasemissionen zuerst zu vermeiden. Dazu sind viele Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft notwendig, sowohl bei der Nachfrage als auch bei der Produktion. Insbesondere im Bereich der Energieversorgung und industriellen Produktion bedarf es technologischer Innovationen. Sowohl die Weiterentwicklung vieler bekannter als auch neu zu entwickelnde Techniken sind vonnöten. Durch Umstellung auf erneuerbare Energien kann es gelingen, die energiebedingten Treibhausgasemissionen vollständig zu vermeiden. Um Energie und natürliche Ressourcen effizient einzusetzen, muss überall, wo es technisch möglich ist, erneuerbarer Strom direkt genutzt werden. Industrieprozesse müssen sowohl vollständig auf erneuerbare Energieträger als auch auf treibhausgasarme Rohstoffe umgestellt und weiterentwickelt werden. Dabei ist überall mit oberster Priorität die Entstehung von Kohlenstoffdioxid ganz zu vermeiden.
CCU mit fossilem Kohlenstoff stellt keinen Ersatz zur Minderung von fossilen Treibhausgasemissionen dar.
Wird fossiler Kohlenstoff mittels CCU abgeschieden und anderweitig genutzt, gelangt dieses CO2 unabhängig von der Anzahl der nachfolgenden Nutzungen immer am Ende der Nutzungskette in die Atmosphäre. Dies gilt beispielsweise für Kohlenstoffemissionen aus industriellen Produktionsprozessen, wie der Zement-, Kalk- und Glasherstellung, die nach heutigem Kenntnisstand technisch nicht vermeidbar sind. Auch hier gilt es, Innovationen kontinuierlich mit dem Ziel zu fördern, die aus heutiger Sicht nicht vermeidbaren Treibhausgasemissionen durch fortwährende Entwicklungen und Erkenntnisfortschritte am Ende möglichst doch zu vermeiden oder wenigstens zu vermindern. Wird solcher Kohlenstoff mit CCU-Maßnahmen zur Herstellung von Brenn- und Kraftstoffen genutzt, wird der Ausstoß in die Atmosphäre nur zeitlich und örtlich verlagert. Das fossile Kohlendioxid wird nicht mehr durch die Industrie emittiert, sondern an anderer Stelle. Für die entstehende Klimawirkung macht das jedoch keinen Unterschied. Veranschaulicht ist dies im Bild. Für einen effektiven Klimaschutz sind primär die Vermeidung von fossilen Treibhausgasemissionen und Substitution fossiler Energieträger und Produkte zu verfolgen. Solange aber derartige Produktionsprozesse für die Gesellschaft notwendig und keine treibhausgasneutralen Alternativen verfügbar sind, können diese CCU-Maßnahmen aus rohstofflichen Gründen sinnvoll sein, siehe unter „Rolle in der Rohstoffversorgung“.
CCU in Verbindung mit atmosphärischem Kohlenstoff hat das Potenzial, dauerhaft nicht zu weiteren anthropogenen Treibhausgasemissionen zu führen.
Die Entnahme von Kohlenstoff aus der Atmosphäre und die anschließende Wiederfreisetzung in die Atmosphäre führt unabhängig von der Mehrfachnutzung zu einem geschlossenen Kreislauf, bei dem keine Mehremissionen durch den Menschen verursacht werden. Voraussetzung hierfür ist, dass entlang der gesamten Prozesskette der CCU-Maßnahme keine weiteren Treibhausgasemissionen entstehen und ausschließlich erneuerbare Energien für die energetischen Aufwendungen verwendet werden.
CCU mit atmosphärischem Kohlenstoff hat das Potenzial, dauerhaft nicht zu weiteren anthropogenen Treibhausgasemissionen zu führen.
Wird Kohlenstoff aus der Atmosphäre entnommen und anschließend wieder emittiert, führt dies unabhängig von der Mehrfachnutzung zu einem geschlossenen Kreislauf, bei dem keine Mehremissionen durch den Menschen verursacht werden. Voraussetzung ist allerdings, dass entlang der gesamten Prozesskette der CCU-Maßnahmen keine weiteren Treibhausgasemissionen entstehen und ausschließlich erneuerbare Energien für die energetischen Aufwendungen verwendet werden. Brenn-, Kraft- und Chemierohstoffe mit CCU aus atmosphärischem Kohlenstoff führen im Gegensatz zu CCU mit fossilem Kohlenstoff dann zu keinem treibhausgasrelevanten Ausstoß in den Anwendungsbereichen Verkehr, Wärme und Industrie. Veranschaulicht ist dies im Bild.
Unvermeidbare Treibhausgasemissionen müssen kompensiert werden, um Treibhausgasneutralität zu erreichen. CCU-Maßnahmen können keinen Beitrag zur Kompensation leisten.
Neben den genannten, aus heutiger Kenntnis unvermeidbaren Prozessemissionen der Industrie ist vor allem in der Landwirtschaft davon auszugehen, dass Treibhausgasemissionen trotz technologischer Entwicklungspotenziale auch langfristig nicht vollständig vermeidbar sind. Unvermeidbare Treibhausgasemissionen können nur durch die Entnahme von Kohlenstoff aus der Atmosphäre und eine langanhaltende und sichere Bindung dieses Kohlenstoffs ausgeglichen werden.
CCU-Maßnahmen ersetzen nicht diese erforderliche Kompensation, da der Kohlenstoff nur mehrfach genutzt und nicht dauerhaft gebunden wird. Es bedarf einer zusätzlichen, dauerhaften Kohlenstoffentnahme aus der Atmosphäre (CDR - Carbon Dioxide Removal). Diese kann beispielsweise durch Erhalt und Erschließung von natürlichen Kohlenstoffsenken wie Wäldern und Mooren erfolgen. Damit ist in Deutschland die vollständige Kompensation der unvermeidbaren Treibhausgasemissionen aus Industrie, Landwirtschaft und Abfall/Abwasser-Bereich nachhaltig möglich. Dies zeigt das UBA in seiner RESCUE-Studie (2019).
Kohlendioxid als Rohstoffquelle für Kohlenstoffverbindungen wird dauerhaft benötigt. CCU, vornehmlich mit atmosphärischem Kohlenstoff, wird daher langfristig gesehen ein unverzichtbarer Bestandteil für zukünftiges Wirtschaften sein.
Langfristig werden auch in einem effizienten und treibhausgasneutralen Wirtschaftssystem Kohlenwasserstoffe benötigt, beispielsweise für den Luft- und Seeverkehr und für die chemische Industrie. Eine mögliche hocheffiziente Rohstoffquelle ist das Recycling kohlenstoffhaltiger Produkte. Dadurch kann voraussichtlich jedoch nur einen Teil des Bedarfs gedeckt werden, so dass langfristig und dauerhaft CCU-Maßnahmen zur Gewinnung von Kohlenstoff als Rohstoffquelle erforderlich sind. Daher muss mittels CCU der weitere Bedarf gedeckt werden – und zwar in erheblichen Mengen aus der Atmosphäre ergänzend zu den aus derzeitiger Sicht langfristig nicht vermeidbaren Quellen. Techniken zur Kohlenstoffgewinnung aus der Atmosphäre sind daher bereits heute zu fördern, damit die spätere Verfügbarkeit und zukünftig erforderliche großtechnische Anwendung gewährleistet ist.
Integration von CCU in den laufenden Transformationsprozess hin zur Treibhausgasneutralität
CCU führt im heutigen Stromsystem aufgrund der noch großen Anteile fossiler Kraftwerke zu Mehremissionen. Gleichwohl muss die Verfügbarkeit der Technik für ein zukünftiges defossiles Wirtschaftssystem gewährleistet werden.
CCU benötigt sehr viel Energie. Solange diese Energie wie bisher noch zu einem größeren Teil aus fossilen Rohstoffen wie Kohle oder Gas stammt, wird die Weiternutzung der Emissionen mittels CCU hochgradig ineffizient und klimaschädlich. Fossile Brennstoffe würden dann über einen großen Umweg wieder zu Brennstoffen. Dies hat keine energetischen Vorteile und führt unweigerlich zu einer erheblichen Mehremission von Treibhausgasen. Daher sollte CCU erst ab einem sehr hohen Anteil erneuerbarer Energien im Stromsystem angewendet werden (Größenordnung von über 80 %). Alles andere würde die kurz- und mittelfristigen Klimaschutzziele gefährden. Ein schneller Aufbau eines vollständig erneuerbaren Stromsystems ist daher zentrale Voraussetzung für die Integration von CCU-Maßnahmen. Die spätere Verfügbarkeit der CCU-Techniken und zukünftiger Techniktransfer ist durch Forschung und Entwicklung zu gewährleisten und Voraussetzung für die Zirkularität der Kohlenstoffwirtschaft in einem defossilen Wirtschaftssystem.
CCU in Verbindung mit fossilen Treibhausgasemissionen kann keinen nachhaltigen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Dies gilt auch für unvermeidbare Treibhausgasemissionen aus der Industrie. Unabhängig davon, wie oft der fossile Kohlenstoff wiederverwendet wird, führt dies - am Ende einer Mehrfachnutzung - immer zu einer zusätzlichen Treibhausgasemission in die Atmosphäre und trägt damit zum Klimawandel bei.
Eine vollständige Dekarbonisierung des Wirtschaftssystems ist nach heutigem Kenntnisstand nicht möglich. Kohlenstoff wird für ausgewählte Brenn- und Kraftstoffe sowie Rohstoffe der chemischen Industrie benötigt. Langfristig ist CCU daher ein unverzichtbarerer Bestandteil eines zukünftigen Wirtschaftssystems. Dabei sind nur CCU-Maßnahmen, deren Energiebedarf ausschließlich mit erneuerbaren Energien gedeckt wird und die ausschließlich atmosphärischen Kohlenstoff nutzen als treibhausgasneutral zu bewerten.
Die Verfügbarkeit und technische Weiterentwicklung von CCU-Techniken und die dafür notwendigen erneuerbaren Energiemengen müssen für die Zirkularität der Kohlenstoffwirtschaft in einem defossilen Wirtschaftssystemsichergestellt werden. Zugleich muss gewährleistet werden, dass für ein treibhausgasneutrales Wirtschaften keine hinderlichen Abhängigkeiten entstehen. Kurz- und mittelfristig sollten Forschungs- und Demonstrationsprojekte nur in ausgewählten Industriebranchen sowie CCU-Techniken mit atmosphärischem Kohlendioxid unterstützt und gefördert werden. Die unter den derzeitigen Rahmenbedingungen - vor allem in der nächsten Dekade - dabei verursachten Mehremissionen in der Energiewirtschaft sind durch einen raschen Ausbau der erneuerbaren Energien zu verhindern.
Unabhängig vom dauerhaften Kohlenstoffbedarf gilt es, Innovationen und Entwicklungen mit dem Ziel zu fördern, die nach heutigem Kenntnisstand nicht vermeidbaren Treibhausgasemissionen dennoch weiter zu verringern.
„Für Mensch und Umwelt“ ist der Leitspruch des UBA und bringt auf den Punkt, wofür wir da sind. In diesem Video geben wir Einblick in unsere Arbeit.
Umweltbundesamt
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