Was sind Szenarien und Projektionen?
Im Gegensatz zur Emissionsberichterstattung geben Szenarien und Projektionen der Politik im Voraus eine Auskunft darüber, welchen Effekt Instrumente und Maßnahmen für Energie und Klimaschutz auf die Treibhausgasemissionen haben.
Szenarien stellen potentielle Zukunftspfade dar, beispielsweise die Entwicklung von Treibhausgasemissionen mit existierenden oder mit zusätzlichen Klimaschutzmaßnahmen. Anders als Prognosen geben sie nicht zwingend Zukünfte wider, die für wahrscheinlich gehalten werden. Eine spezielle Art von Szenarien sind normative Szenarien. Diese geben vor, was geschehen müsste, damit ein spezieller Zukunftszustand eintritt. Projektionen sind die Ergebnisse von Modellierungen, die auf Grundlage von Szenarien erfolgen. Im Fall von Treibhausgasprojektionen wären das die projizierten Emissionen in einem modellierten Zeitraum.
Projektionen für die Berichterstattung der Bundesregierung
Nach Bundes-Klimaschutzgesetz erstellt das Umweltbundesamt jährlich die sogenannten Projektionsdaten, die die Wirkung aktueller sowie geplanter politischer Klimaschutzinstrumente und -maßnahmen auf die Treibhausgasemissionen in den kommenden Jahren untersuchen. Neben dem Bundes-Klimaschutzgesetz kommt damit Deutschland den Berichtspflichten laut EU-Governance-Verordnung nach. Der Projektionsbericht als starkes Monitoring-Instrument hilft dabei, dass gezielt nachgesteuert werden kann, um die Ziele zu erreichen.
Szenarien-Arbeit am UBA
Projektionen und Szenarien können darüber hinaus untersuchen, wie die Klimaschutz- oder Energiepolitik ausgestaltet werden könnte, um ein geplantes Ziel zu erreichen. Das UBA nutzt diese Szenarien für Politikempfehlungen. Dazu simulieren sektorübergreifende Modellierungen mögliche Entwicklungen der Energiebedarfe und Treibhausgasen über alle Sektoren (etwa Stromversorgung und Verkehr) hinweg. Die Studie „Energieziel 2050“ zeigte bereits im Jahr 2010, dass eine Stromversorgung aus 100 Prozent erneuerbaren Energien technisch möglich ist. Dieser Umbau der Stromversorgung sollte der erste Ansatzpunkt sein, um in Deutschland im Jahr 2050 eine Minderung von Treibhausgasemissionen um 80 bis 95 Prozent zu erreichen, so die Studie. Da ein Umbau der Stromversorgung für ein treibhausgasneutrales Deutschland nicht ausreicht, untersuchte die Studie „Treibhausgasneutrales Deutschland im Jahr 2050“ wenige Jahre später neben der Stromversorgung die vollständige erneuerbare Energieversorgung sowie sämtliche Anwendungsbereiche und Sektoren (Industrie, Gebäude, Abfallwirtschaft, Land- und Forstwirtschaft). Das Ergebnis: Ein fast treibhausgasneutrales Deutschland mit einem klimaverträglichen jährlichen Pro-Kopf-Ausstoß von weniger als einer Tonne Kohlendioxid- Äquivalenten im Jahr 2050 ist möglich.
Die 2019 veröffentlichte RESCUE-Studie („Wege in eine ressourcenschonende Treibhausgasneutralität“) stellte erstmalig die Verbindung zwischen Pfaden zur Treibhausgasneutralität und Ressourcenschonung her. Dabei wurden sechs Szenarien aufgestellt. Ihnen ist gemein, dass sie aufzeigen, wie Deutschland (nahezu) treibhausgasneutral bis 2050 werden kann. Hinsichtlich der Einflussfaktoren Energieeffizienz, Materialeffizienz, Technikinnovationen, nachhaltiges Handeln, Entkoppelung von Wohlstand und Wachstum, Ausgleich des globalen Technologieniveaus, Verringerung der Flächeninanspruchnahme und Klimaschutzbestrebungen variieren die Szenarien. Die Studie zeigt, dass die Treibhausgasemissionen um 95 bis 97 Prozent gegenüber 1990 gemindert werden und 5 bis 3 Prozent als unvermeidbare Emissionen verbleiben. Diese können mit einer nachhaltigen land- und forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung ausgeglichen werden, womit in Summe sogar Netto-Null-Emissionen erreichbar sind. Dabei wird der Primärrohstoffkonsum um 56 bis 70 Prozent reduziert.
Welche Empfehlungen bauen auf den Szenarien auf?
Das Ziel der Treibhausgasneutralität ist nur erreichbar, wenn der Umbau in allen Sektoren erfolgt und so ergeben sich grundlegende Auswirkungen auf alle Bereiche des Wirtschaftssystems und im Zentrum auf das Energiesystem bei dieser notwendigen Transformation.
Auf der Grundlage des GreenSupreme-Szenarios der RESCUE-Studie hat das Umweltbundesamt beispielsweise die Position erarbeitet, dass Deutschland sogar noch ambitioniertere Klimaziele erreichen könnte als derzeit gesetzlich verankert sind. Im 70 Prozent-Positionspapier empfiehlt das Umweltbundesamt eine Treibhausgasminderung um mindestens 70 Prozent bis 2030 gegenüber 1990. Es wird gezeigt, welche Weichen in den einzelnen Sektoren sowie sektorübergreifend für eine ambitionierte Transformation gestellt werden müssen.
Blick auf Europa
Die Transformation hin zur Treibhausgasneutralität kann Deutschland jedoch nicht losgelöst von Europa und der Welt erreichen. Bei den meisten der nationalen Szenarien werden die europäischen Wechselbeziehen, insbesondere bei der Energieversorgung abgebildet. Gleichwohl gilt es, auch die gesamtsystemische Transformation von Europa voranzubringen und aus den nationalen Erkenntnissen auf Europa zu schlussfolgern sowie durch Szenarien Empfehlungen für die europäische Transformation zu erarbeiten. So existieren auch hier zahlreiche Emissionsszenarien, z. B.
Das vom UBA in Auftrag gegebene Projekt Low-Carbon Europe 2050 überträgt die Leitgedanken des GreenSupreme-Szenarios der RESCUE-Studie auf ein treibhausgasneutrales Europa. Für alle Sektoren (Energiewirtschaft, Dienstleistungs- und Gebäudesektor, Transport, Landwirtschaft, Abfall- und Abwasserbereich und Industrie) wird ein Zielzustand im Jahr 2050 aufgezeigt. Auch hier können die europaweiten unvermeidbaren Emissionen durch nachhaltige land- und forstwirtschaftliche Bewirtschaftung ausgeglichen werden, womit in Summe Netto-Null-Emissionen bzw. Treibhausgasneutralität erreichbar wird.