Ein (nahezu) treibhausgasneutrales Deutschland im Jahr 2050 ist machbar - und das mit technischen Möglichkeiten zur Treibhausgasreduktion in allen Sektoren, die bereits heute verfügbar sind. Wie das gelingen kann, zeigt die UBA-Studie „Treibhausgasneutrales Deutschland 2050“, die 2014 abgeschlossen und veröffentlicht wurde.
Unsere Szenarioanalyse für Deutschland im Jahr 2050 zeigt, dass eine Minderung der Treibhausgas (THG)-Emissionen um rund 95 Prozent gegenüber 1990 technisch möglich ist, sodass der jährliche Pro-Kopf-Ausstoß bei knapp einer Tonne Kohlendioxidäquivalente (CO2Äq) liegen würde. Eine Schlüsselstellung nimmt hierbei der Umstieg des Energiesystems auf 100 Prozent erneuerbare Energien ein. In den Sektoren Landwirtschaft, Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft (LULUCF) sowie Industrie sind Minderungen nur begrenzt möglich, so dass Sockelemissionen von insgesamt 60 Millionen Tonnen Kohlendioxidäquivalente (CO2Äq) auch in diesem ambitionierten Szenario verbleiben.
Unsere Studie basiert aus Nachhaltigkeitserwägungen auf folgenden Prämissen:
keine fossilen und nuklearen Energieträger
keine Anbaubiomasse für energetische Zwecke
keine Verpressung von Kohlendioxid im Untergrund (Carbon Capture and Storage - CCS)
keine Schiefergasförderung durch Fracking
In der Studie wurde ein Zielszenario entwickelt. Transformationspfade zu diesem Ziel und die damit verbundenen Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen und die Auswahl geeigneter politischer Instrumente waren nicht Gegenstand der Untersuchung, sondern werden in Folgestudien thematisiert. Unsere Studie bezieht alle Quellen für Treibhausgasemissionen in Deutschland ein, die im jährlich erstellten Nationalen Inventarbericht (NIR) zum Treibhausgasinventar beschrieben werden. Nicht betrachtet wird aufgrund des gesetzten Untersuchungsrahmens die für importierte Güter im Ausland anfallende Emissionsmenge. Umgekehrt werden auch Emissionen für exportierte Güter nicht herausgerechnet.
In den folgenden Textabschnitten finden Sie eine Zusammenfassung für die einzelnen Sektoren.
Energie
Durch den vollständigen Umstieg auf erneuerbare Energien und die Ausschöpfung der Effizienzpotenziale (Halbierung des Endenergieverbrauches 2050 gegenüber 2010) sinken die THG-Emissionen aus dem Energiesektor (Strom, Wärme, Verkehr) auf null. Zentraler Baustein einer vollständig regenerativen Energieversorgung ist die Erzeugung von Wasserstoff durch Wasserelektrolyse mit Hilfe von erneuerbarem Strom. Aus Wasserstoff können durch weitere katalytische Prozesse Methan und weitere Kohlenwasserstoffe erzeugt werden (Power to Gas, PtG und Power to Liquid, PtL), sodass Kraftstoffe für den Verkehr, Prozesswärme für die Industrie und Rohstoffe für die chemische Industrie bereitgestellt werden können. Nachteilig gegenüber dem konventionellen Energiesystem sind die höheren Umwandlungsverluste, dennoch kann die Nettostromerzeugung im Vergleich zum heutigen Primärenergiebedarf gesenkt werden.
Die technischen Potenziale, um den gesamten Strombedarf (rund 3.000 Terawattstunden pro Jahr) national überwiegend aus Wind- und Photovoltaik-Anlagen zu erzeugen, sind vorhanden. Wir gehen aber davon aus, dass ein großer Teil des für PtG und PtL in Deutschland benötigten Stroms an günstig erschließbaren Standorten im Ausland produziert wird. PtG und PtL könnten dann ebenfalls am Ort der Stromerzeugung erfolgen und die Brenn- und Kraftstoffe danach importiert werden. Eine dem heutigen Stand vergleichbare Importquote erscheint realistisch.
Industrie
Im Szenario ist der Industriesektor mit der aktuellen Branchenstruktur vergleichbar. Trotz erwarteter Produktionssteigerungen in vielen Bereichen wird der Endenergieverbrauch im Vergleich zu 2010 halbiert und die Hauptenergieträger sind Methan und Strom, beides auf regenerativer Basis. Hierzu werden die Herstellungsprozesse in vielen Branchen umgestellt. Beispielsweise wird die Elektrostahlerzeugung mittels Schrott und Schwammeisen (DRI) massiv ausgebaut. Auch die erdölbasierte Rohstoffversorgung der chemischen Industrie wird auf regenerativ erzeugte Kohlenwasserstoffe umgestellt. So können die prozessbedingten THG-Emissionen um rund 75 Prozent im Vergleich zu 2010 reduziert werden und belaufen sich im Jahr 2050 auf rund 14 Millionen Tonnen CO2Äq. Der größte Emittent ist die Zement- und Kalkindustrie.
Verkehr
Der Endenergiebedarf wird trotz des prognostizierten Verkehrsanstiegs auf 624 Terawattstunden (inklusive Seeschifffahrt) gesenkt. Hierzu tragen Maßnahmen zur Verkehrsvermeidung und -verlagerung sowie Effizienzsteigerungen bei. Im dargestellten Szenario wird nur etwa 20 Prozent des Stromes direkt eingesetzt, während der Anteil der stromgenerierten Kraftstoffe über 80 Prozent beträgt. Bei den Pkw wird 57 Prozent der Fahrleistung elektrisch erbracht. Der gesamte Strombedarf (Nettostromerzeugung) des treibhausgasneutralen Verkehrssektors liegt aufgrund der Umwandlungsverluste deutlich höher. Vorteilhaft ist, dass strombasierte Kraftstoffe in nicht für die Elektrifizierung geeigneten Bereichen des Verkehrssektors eingesetzt werden können.
Landwirtschaft
Für den Landwirtschaftssektor wurden zwei Szenarien betrachtet mit unterschiedlichen Flächenanteilen für den ökologischen Landbau und unterschiedlicher Produktions- und Versorgungsleistung. In beiden Szenarien werden die THG-Emissionen um fast die Hälfte auf 35 Millionen Tonnen CO2Äq gesenkt. Die Landwirtschaft ist damit im Jahr 2050 der Hauptemittent für Treibhausgase. Wichtige Maßnahmen sind, die Stickstoff(N)-Ausnutzung zu steigern, den anfallenden Wirtschaftsdünger (Gülle und anderes) in Biogasanlagen mit gasdichter Lagerung der Gärreste einzusetzen, den Tierbestand vor allem der Wiederkäuer zur verringern, die Umwandlung von Grünland in Ackerland einzustellen und den größten Teil der landwirtschaftlich genutzten Moorflächen aus der Bewirtschaftung zu nehmen und wiederzuvernässen. Weiterhin haben wir angenommen, dass sich der Fleischkonsum in Deutschland bis 2050 auf das Niveau reduziert, dass einer gesunden Ernährung entspricht und dass sich die Menge der Lebensmittelabfälle um die Hälfte verringert.
Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF)
Der LULUCF-Sektor nimmt mit seiner potenziellen Senkenfunktion (Biomasse und Böden als Kohlenstoffspeicher) eine Sonderstellung unter den Sektoren ein. Wichtige Minderungsmaßnahmen sind – neben der bereits im Landwirtschaftssektor beschriebenen Wiedervernässung von Moorflächen – eine nachhaltige Waldnutzung, die Einstellung des Torfabbaus und eine Verminderung der Flächeninanspruchnahme für die Erweiterung von Siedlungs- und Verkehrsflächen auf den Zielwert Null im Jahr 2050. Unter diesen Annahmen ergeben sich für das Jahr 2050 THG-Emissionen von 8 Millionen Tonnen CO2Äq.
Abfall und Abwasser
Die THG-Emissionen im Sektor Abfall und Abwasser sind bereits erheblich zurückgegangen und werden bis 2050 weiter auf rund 3 Millionen Tonnen CO2Äq sinken. Dafür sind folgende Maßnahmen bedeutsam: getrennte Sammlung von Bioabfällen und Wertstoffen, thermische oder mechanisch-biologische Behandlung von Abfällen vor der Ablagerung, Fassung von Deponiegas, Deponierückbau und aerobe Stabilisierungsverfahren, Rückgang der Produkte auf Erdölbasis, erhöhter Anschlussgrad an die zentrale Abwasserbehandlung und fleischärmere Ernährung.
Internationale Konferenz „Elements of a greenhouse gas neutral society“ 2013
Die Studie wurde am 10. und 11. Oktober 2013 auf der internationalen Konferenz „Elements of a greenhouse gas neutral society“ in Berlin vorgestellt. Mit internationalen Teilnehmerinnen aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, der Zivilgesellschaft und den Medien wurden Lösungsansätze für alle Sektoren, wie Energieversorgung, Verkehr und Industrie, diskutiert. Die Vorträge finden Sie unten zum Herunterladen.
„Für Mensch und Umwelt“ ist der Leitspruch des UBA und bringt auf den Punkt, wofür wir da sind. In diesem Video geben wir Einblick in unsere Arbeit.
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