Schadstoffe aus Kanalisationen in Gewässern

Auf diesem Bild ist eine Regenwassereinleitung zu sehenzum Vergrößern anklicken
Regenwassereinleitung
Quelle: KIT/IWG

Über die Kanalisationen wird eine Vielzahl von Stoffen unterschiedlicher Herkunftsbereiche (Haushalte, Gewerbe, Straßenabfluss) in die Gewässer eingetragen. Über Regenwassereinleitungen und Überläufe von Mischsystemen kann Abwasser auch unbehandelt in Gewässer gelangen. Welche Relevanz haben diese urbanen Pfade für den Schadstoffeintrag in die Gewässer?

Inhaltsverzeichnis

 

Schadstoffe im urbanen Abwassersystem

Das Abwasser aus Haushalten und Gewerbe wird in der Kanalisation gesammelt, in der Regel einer kommunalen Kläranlage zugeführt und dort behandelt. In kombinierten Kanalisationen, den sogenannten Mischkanalisationen, wird zusätzlich das von versiegelten Flächen und der Bebauung ablaufende Regenwasser abgeleitet (Abbildung 1). Die Nutzung von Produkten unseres täglichen Lebens, wie Arzneimittel, Haushaltschemikalien, Kosmetika und Biozid-Produkte, ist mit dem Eintrag einer Vielzahl von Stoffen in das Abwasser verbunden. Auch das ablaufende Niederschlagswasser führt Stoffe mit sich, die zum Beispiel von Straßenflächen (Reifenabrieb, Zigarettenreste) oder aus Häuserfassaden (Fassadenanstriche) und Dächern ab- und ausgewaschen werden. Starkregenereignisse können dazu führen, dass die Speicherkapazität der Mischkanalisation wie Regenüberlaufbecken nicht ausreicht. In solchen Fällen gelangt ein Teil des Gemisches aus häuslichem beziehungsweise gewerblichem Schmutzwasser und Niederschlagswasser aus dem Regenüberlaufbecken ohne vorherige Behandlung in die Gewässer (Mischwasserentlastung) (Abbildung 1). Um dies zu vermeiden wird in vielen Siedlungsgebieten, bevorzugt in Neubaugebieten, das Schmutzwasser aus Haushalten und Niederschlagswasser separat in eigenen Kanalisationen, in der sogenannten Trennkanalisation, gesammelt und abgeleitet. Das Schmutzwasser gelangt in die Kläranlage, während das Niederschlagswasser entweder direkt einem Gewässer zugeführt oder vorab in einem Regenklärbecken behandelt wird (Abbildung 2). Ob das Niederschlagswasser behandelt wird, ist unter anderem von der Verschmutzung abhängig. Bundeseinheitliche rechtliche Regelungen dazu gibt es bislang in Deutschland nicht. Ein Anhang zur Abwasserverordnung, der die Behandlung von Niederschlagswasser regeln soll, ist durch eine Expertengruppe in Arbeit. Die Abwasserbehandlung in Kläranlagen hat sich in den letzten Jahrzehnten technisch weiterentwickelt. Stoffe im Abwasser werden durch Rückhalt im Klärschlamm oder durch optimierte Abbauprozesse effektiver zurückgehalten. Mit dieser Entwicklung steigt der Beitrag der Mischwasserüberläufe und Regenwassereinleitungen als Eintragspfade für Stoffe aus dem urbanen Raum in die Gewässer. Für einen umfassenden Gewässerschutz sind auch die Einträge aus diesen Eintragspfaden zu begrenzen. Die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL, 2000/60/EG) hat unter anderem das Ziel, den Eintrag für ausgewiesene (prioritäre) Schadstoffe in die Gewässer zu verringern beziehungsweise ganz zu vermeiden. Als Grundlage für die Umsetzung effizienter Maßnahmen ist eine regelmäßige Bestandsaufnahme der Emissionen, Einleitungen und Verluste gefordert (Richtlinie über Umweltqualitätsnormen (UQN-RL, 2013/39/EU)).

<>
 

Ein koordiniertes Monitoring-Projekt in Deutschland

Eine bundesweite Verpflichtung, Regen- und Mischwassereinleitungen als Quelle von Schadstoffeinträgen in Gewässer zu untersuchen, besteht derzeit nicht. Um Kenntnislücken zu schließen, wurden in einem von den Ländern und vom Bund finanzierten Projekt im Zeitraum 2018 bis 2019 unter anderem die Abläufe von zwei Regenklärbecken und sechs Regenüberlaufbecken untersucht (siehe Toshovski et al. 2020, Fuchs et al. 2020 und Beitrag „Abwasserbehandlung und Gewässerschutz“). Für die beiden Regenklärbecken wurden jeweils zehn und für die sechs Regenüberlaufbecken zwischen ein bis zehn Überlaufereignisse auf insgesamt 77 Stoffe aus unterschiedlichen Herkunftsbereichen (Metalle, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Biozide, Phenole usw.) untersucht. Das Umweltbundesamt hat dieses Vorhaben fachlich und administrativ begleitet.

 

Stoffeintrag in Gewässer aus Regen- und Mischwassereinleitungen

Die untersuchten Stoffe waren unterschiedlich häufig im Ablauf der Regen- und Mischwassereinleitungen zu finden. Stoffe, die sowohl in Regen- als auch in Mischwassereinleitungen nicht oder nur vereinzelt nachgewiesen wurden sind, zum Beispiel:

  • die Pflanzenschutzmittelwirkstoffe Aclonifen, Bifenox und Quinoxyfen,
  • bestimmte per- und polyfluorierte Chemikalien (⁠PFC⁠ / ⁠PFAS⁠),
  • das Insektizid Heptachlor und
  • der früher unter anderem für Bootsanstriche verwendete Antifoulingwirkstoff Cybutryn (Irgarol).

Häufig nachgewiesen wurden:

  • die Metalle Blei, Cadmium, Nickel und Quecksilber,
  • der Weichmacher DEHP,
  • PFOS⁠ und andere Vertreter der PFC / PFAS,
  • Vertreter der ⁠PAK⁠, wie Fluoranthen und
  • Biozid-Wirkstoffe wie die Materialschutz- und Konservierungsmittel Diuron, Isoproturon, Terbutryn, Carbendazim und Propiconazol und das Schädlingsbekämpfungsmittel DEET.

Darüber hinaus wurde der insektizide Wirkstoff Permethrin in relevanten Konzentrationen in über 80% der Proben der Mischwasserentlastungsanlagen gefunden, in Abläufen der Kläranlagen hingegen nicht. Dieses Beispiel bestätigt, dass für bestimmte Stoffe Regenwassereinleitungen und Mischwasserentlastungen relevante Eintragspfade darstellen und daher künftig verstärkt berücksichtigt werden müssen.

 

Relevanz der Stoffeinträge aus Kanalisationen

Für einen Teil der untersuchten Stoffe scheinen die Regen- und Mischwassereinleitungen keine relevanten Eintragspfade in die Gewässer zu sein, da sie dort nicht nachgewiesen werden konnten. Andere Stoffe wiederum wurden häufig nachgewiesen und beeinflussen so direkt die Gewässer. Aber welche Relevanz für den Eintrag in die Gewässer haben die Regen- und Mischwassereinleitungen im Vergleich zu den kommunalen Kläranlagen? Unter Verwendung des Stoffeintragsmodells MoRE (Modelling of Regionalized Emissions) wurden für ausgewählte Stoffe die Einträge über die drei urbanen Abflusskomponenten:

  • Kläranlagen,
  • Regenklärbecken (Trennkanalisation) und
  • Regenüberlaufbecken (Mischkanalisationsüberlauf)

für Deutschland bilanziert (Abbildung 3).

Für die Metalle Blei, Cadmium, Quecksilber und einzelne Vertreter der ⁠PAK⁠ sind im urbanen Raum die Einträge über Regen- und Mischwassereinleitungen deutlich höher als die Einträge über kommunale Kläranlagen (siehe Abbildung 3). Das sind meist die Stoffe, die sehr gut in den Kläranlagen, vor allem im Klärschlamm, zurückgehalten werden (siehe auch ⁠UBA⁠-Themenseite Gewässerschutz benötigt effiziente Abwasserbehandlung). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Kläranlagen das behandelte Abwasser kontinuierlich in die Gewässer einleiten, während die Mischwassereinleitung nur bei Starkregenereignissen (mehrmals im Jahr) erfolgt. Auch über die Trennkanalisation gelangt Niederschlagswasser nicht kontinuierlich in die Gewässer.
Für andere Stoffe, wie Vertreter der ⁠PFC⁠ oder die Materialschutz- und Konservierungsmittel Diuron und Terbutryn, dominieren im urbanen Raum die Einträge über das behandelte Abwasser der Kläranlagen. Grund ist, dass diese Stoffe sehr langlebig (persistent) sind, nur bedingt durch die konventionelle Abwasserbehandlung zurückgehalten werden und der Ablauf aus Kläranlagen die anteilig größte Abflusskomponente im urbanen Raum ist.

Die Abbildung zeigt die Stoffeinträge über urbane Abwasserströme kommunaler Kläranlagen, Regenwassereinleitungen und Mischwasserentlastungen in Deutschland im Mittel. Um eine langjährige Repräsentativität zu gewährleisten, wurden die Einzeljahre 2012-2016 gemittelt.
Abbildung 3: Modellierte Stoffeinträge für ausgewählte Stoffe in die Gewässer

über Kläranlagen, Regen- und Mischwassereinleitungen in Deutschland im Mittel der Jahre 2012-2016

Quelle: KIT / IWG aus Toshovski et al. 2020

Die Ergebnisse bestätigen, dass die Relevanz der Regen- und Mischwassereinleitungen im urbanen Raum hoch ist und hier Minderungsmaßnahmen erforderlich sind. Das Umweltbundesamt bringt auch die Forschung in diesem Bereich weiter voran. So befassen sich weitergehende Projekte mit der Untersuchung und der Bilanzierung der Einträge von Spurenstoffen wie prioritäre Stoffe und Biozide über die genannten Eintragspfade.