Formaldehydemissionen: Prüfbedingungen für Holzwerkstoffe

Auch in der heutigen Zeit gast Formaldehyd in die Innenraumluft aus. Emissionsarme Produkte sind aufgrund der baulichen Gegebenheiten heute wichtiger denn je. Das UBA hat vor Jahren erreicht, dass Prüfbedingungen in Deutschland an aktuelle Bedingungen angepasst wurden. Nun gibt es eine neue europäische Formaldehyd-Verordnung, deren für Holzwerkstoffe relevante Teile im August 2026 in Kraft treten.

Inhaltsverzeichnis

Formaldehyd und Innenraumluftqualität

Im Juni 2014 hat die EU aufgrund aktueller Erkenntnisse Formaldehyd als „kann Krebs erzeugen“ (Kategorie 1 B gemäß ⁠CLP⁠ Verordnung) eingestuft. Nähere Informationen zur gesundheitlichen Bewertung, zum Vorkommen und zu möglichen Maßnahmen finden Sie auf unserer Themenseite Formaldehyd. Obwohl rechtliche Regelungen (Gefahrstoffverordnung/Chemikalienverbotsverordnung) in den letzten Jahrzehnten eine deutliche Verringerung der Formaldehydemissionen aus Holzwerkstoffen bewirkt haben, sind mit Harnstoff/Formaldehyd-Leimen produzierte Holzwerkstoffe auch wegen der über die Zeit kaum abklingenden Formaldehydemissionen und der häufig großflächigen Anwendung im Hausbau und beim Innenausbau nach wie vor eine bedeutende Emissionsquelle für Formaldehyd in der Innenraumluft.

Hinzu kommt, dass neue und sanierte Gebäude aus energetischen Gründen heute wesentlich dichter sind als Häuser es früher waren. Aus hygienischen Gründen ist ein Luftwechsel von mindestens 0,5 pro Stunde anzustreben. Bei dieser Rate erneuert sich die Raumluft alle 2 Stunden komplett einmal. Solche Werte erreichen moderne Gebäude meist nur mit einer Lüftungsanlage. Oftmals liegt der Luftwechsel bei modernen Häusern nur im Bereich von 0,1 bis 0,2 pro Stunde. Emissionsarmen Holzwerkstoffen kommt daher eine immer größere Bedeutung zu, nicht zuletzt da Schadstoffemissionen aus Bauprodukten durch manuelles Lüften allein nicht immer ausreichend entfernt werden können.

 

Werte zur Beurteilung der Formaldehydbelastung in Innenräumen

2016 hat der Ausschuss für Innenraumrichtwerte [AIR] von Bund und Ländern einen Innenraumrichtwert für Formaldehyd von 100 µg/m³ abgeleitet. Dieser Wert soll auch kurzzeitig, bezogen auf einen Messzeitraum von einer halben Stunde, nicht überschritten werden. Er entspricht dem ⁠WHO⁠-Grenzwert für Formaldehyd aus dem Jahre 2000. Der Grenzwert für Formaldehyd, der der deutschen Chemikalien-Verbotsverordnung zu Grunde liegt, beträgt 0,1 ⁠ppm⁠ (124 µg/m³).

Da Formaldehyd die Tumorhäufigkeit in den oberen Atemwegen nur bei solchen Konzentrationen erhöht, die auch zytotoxisch wirken, charakterisiert diese Wirkung einen „praktischen“ Schwellenwert. Jegliches Risiko im Konzentrationsbereich des so definierten „sicheren“ Wertes und in niedrigeren Konzentrationen ist äußerst gering, kann nicht vom Hintergrundrisiko unterschieden werden und ist damit „praktisch nicht existent", so zumindest die bisherige Lesart des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR 2006).

Seit Februar 2015 wird Formaldehyd auch im AgBB-Bewertungsschema mit bewertet. Der Ausschuss zur gesundheitlichen Bewertung von Bauprodukten (AgBB) befasst sich in Deutschland mit der Frage, inwieweit Materialien und Gegenstände, die in einem Haus verbaut werden, die menschliche Gesundheit beeinträchtigen können. Im AgBB-Bewertungsschema gilt für Formaldehyd ein NIK-Wert (NIK steht für niedrigste interessierende Konzentration) von 100 µg/m3.

 

Handlungsbedarf und Aktivitäten des ⁠UBA

Seit den 1980er Jahren haben sich die klimatischen Verhältnisse in Innenräumen deutlich verändert. Um die Prüfbedingungen von Holzwerkstoffen an den heutigen Stand der Technik anzupassen, wie er durch das AgBB-Schema und die zugehörigen Prüfnormen beschrieben ist, hat das UBA  2016 bis 2018 zusammen mit der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) ein Forschungsvorhaben durchgeführt. Protokolle des für dieses Vorhaben eingerichteten Fachbeirates und weitere relevante Dokumente sind auf dieser Webseite verlinkt.

Die wesentlichen Prüfbedingungen für die Marktfähigkeit von Holzwerkstoffen („Prüfverfahren für Holzwerkstoffe“) waren 2016 in Deutschland bereits seit etwa 35 Jahren unverändert.

Das Vorhaben hatte das Ziel, die Prüfbedingungen mit der heutigen Bauweise in Einklang zu bringen und damit Überschreitungen des Innenraumwertes für Formaldehyd von 0,1 ⁠ppm⁠ durch die Weiterentwicklung der Anforderungen an formaldehydemittierende Produkte zukünftig sicherer zu vermeiden. Dazu bedurfte es eines neuen Prüfverfahrens. Das Forschungsvorhaben wurde durch einen Fachbeirat begleitet, der sich regelmäßig während der Laufzeit getroffen hat.

Im experimentellen Teil des Vorhabens hat die BAM u. a. geprüft, wie hoch Formaldehyd-Emissionen aus Holzwerkstoffen unter realitätsnahen Bedingungen werden können. Auch wenn es inzwischen viele formaldehydarme Produkte gibt, waren in der Zeit, als die Studie durchgeführt wurde, auch Produkte auf dem Markt, die höhere Emissionen zeigten. Eine im Rahmen des Forschungsvorhabens eingekaufte Spanplatte zeigte eine so hohe Formaldehydemission, dass sie in Deutschland nicht verkehrsfähig war. Ein Marktüberwachungsverfahren wurde eingeleitet.

Auf der Grundlage der Forschungsergebnisse wurde folgende Änderung als notwendig erachtet:

Um das der Chemikalien-Verbotsverordnung zugrunde liegende Schutzniveau unter den heutigen Gegebenheiten in Gebäuden einhalten zu können, war die Einführung der horizontalen und europäisch harmonisierten DIN EN 16516 aus ⁠UBA⁠-Sicht als neue Prüfnorm („Referenznorm“) für Formaldehydemissionen aus Holzwerkstoffen unerlässlich. Prüfungen nach der bisherigen Referenznorm DIN EN 717-1 sind auch mit dem neuen Prüfverfahren weiterhin gleichberechtigt möglich. Ergebnisse von Messungen, die nach der EN 717-1 ermittelt werden, sind allerdings mit dem Faktor 2,0 zu multiplizieren. Abgeleitete Verfahren, wie z.B. das Gasanalyseverfahren sollen ebenfalls weiterhin möglich sein. Das ⁠BMUV⁠ hat diese Änderungen in der Bekanntmachung analytischer Verfahren für Probenahmen und Untersuchungen für die im Anhang der Chemikalien-Verbotsverordnung genannten Stoffe und Stoffgruppen“ im November 2018 im Bundesanzeiger veröffentlicht. Seit Januar 2020 gilt in Deutschland dieses neue Referenzprüfverfahren. Nachdem es während der Erarbeitungsphase und teilweise auch direkt nach der Einführung einige Widerstände gab, hat die Holzwerkstoffindustrie die neuen Anforderungen zügig und aus Überzeugung umgesetzt.

Da anfangs viele Detailfragen an das UBA herangetragen wurden, haben wir damals zeitnah FAQ zum Thema veröffentlicht. Diese wurden inzwischen teilweise aktualisiert.

Parallel wurde eine mögliche EU-weite Beschränkung für Formaldehyd unter der ⁠REACH-Verordnung⁠ verhandelt. Auch dieser Prozess wurde inzwischen beendet und mündete in der neuen europäischen Formaldehyd-Verordnung. Diese Verordnung stellt einen großen Fortschritt bezüglich der Begrenzung von Formaldehydemissionen in Innenräume dar, da sie die erste diesbezügliche europäische Regelung darstellt und somit erstmals EU-weit strenge Grenzwerte einführt. Für Holzwerkstoffe tritt diese Verordnung im August 2026 in Kraft. Die entsprechende nationale Regelung in der Chemikalien-Verbotsverordnung wird damit dann obsolet. Zu der neuen Verordnung wurde in einer europäischen Arbeitsgruppe eine Anleitung zur konkreten Durchführung der Emissionsprüfungen erarbeitet, die bald veröffentlicht werden soll.

Das UBA hat sich neben vielen anderen Beteiligten sowohl bei der Erarbeitung der Verordnung, als auch der Anleitung intensiv mit Kommentaren und Stellungnahmen eingebracht.