Warum wurde dieser Sonderbericht vom IPCC erstellt?
Der Sonderbericht über Klimawandel und Landsysteme (SRCCL) stellt neue gesicherte Erkenntnisse zur Bedeutung der Landsysteme, wie beispielsweise Wälder, Moore und Ackerflächen, für das Klimasystem bereit. Er erfüllt das Bedürfnis, unter anderem von besonders von Wüstenbildung (Desertifikation) betroffenen Ländern der Erde, Erkenntnisse zum Zustand und Trend mensch-gemachter Degradierung der Landsysteme auf globaler Ebene und deren Veränderung durch den Klimawandel zu erhalten. Zum anderen haben Staaten, die Aufforstungsprojekte im Rahmen der multi- und bilateralen Klimafinanzierung unter dem REDD-Mechanismus unterstützen, Interesse an einem Bericht über die Effektivität von Aufforstungen als Klimaschutzmaßnahme gezeigt. Der Bericht wird helfen, besser zu verstehen, welche Rolle Landsysteme im Klimaschutz spielen und wie ihre Nutzung unter Berücksichtigung dessen nachhaltig gestaltet werden sollte.
Was vermittelt der Sonderbericht?
Aus der Sicht des Umweltbundesamtes (UBA) enthält der Bericht wichtige Botschaften:
- Landsysteme sind die Grundlage menschlichen Lebens, aber der Mensch setzt sie durch die Zerstörung der Wälder, die Degradierung der Böden und zusätzlich durch den Klimawandel enorm unter Druck.
- Landsysteme sind – je nach Art, Umfang und Intensität der Nutzung – sowohl Quelle als auch Senke für Treibhausgase.
- Der Klimawandel verschärft die bereits vorhandenen Belastungen der Landsysteme durch Permafrostabbau, Desertifikation und Landdegradierung infolge von Temperaturanstieg, aber auch durch die Wirkungen von Extremereignissen. Die Landdegradierung selbst wird ebenfalls zum Treiber des Klimawandels, etwa weil in entwässerten Mooren erhebliche Mengen an Treibhausgasen freigesetzt werden.
- Nachhaltige Entwicklungspfade mit einer verringerten Energienachfrage (z. B. durch eine fleisch-arme Lebensweise) und geringeren Treibhausgasemissionen verringern die Risiken des Klimawandels.
- Eine Reihe von land-basierten Handlungsoptionen bieten hohe Treibhausgasminderunspotenziale und minimieren Konflikte zwischen unterschiedlichen Zielen der Nachhaltigkeit. Bestandteil der Handlungsoptionen sind unter anderem nachfrageorientierte Maßnahmen, wie Agroforstwirtschaft, ein verbessertes Bodenkohlenstoffmanagement sowie der Stopp von Entwaldung und Walddegradierung.
- Landbasierte Klimaschutzmaßnahmen sind ein wichtiger Baustein für das 1,5-°C-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens. Die meisten umfassen sowohl großflächige Aufforstungen als auch den massiven Ausbau von Bioenergie (oft verbunden mit CO2-Abscheidung und -Speicherung (BECCS)). Solche landbasierten Klimaschutzmaßnahmen können den Druck auf Landflächen erhöhen und mit negativen Auswirkungen auf Landdegradierung und Ernährungssicherung zu Zielkonflikten führen.
- Die Rahmenbedingungen für nachhaltige landbasierte Klimaschutzmaßnahmen („gute Regierungsführung“; Governance) müssen in Richtung eines Mehrebenen-Ansatzes auf allen Ebenen und mit allen Stakeholdern, durch die legale Absicherung der Landrechte von Kleinbauern und indigenen Bevölkerungsgruppen vor allem im globalen Süden, durch die Einpreisung von Umweltkosten und durch die Umlenkung von Investitionsströmen schnell und effizient umgestaltet werden.
Welche Bedeutung hat der Sonderbericht für die internationale, europäische und deutsche Klimapolitik?
Vor dem Hintergrund der bisher unzureichenden nationalen Klimabeiträge (NDCs) zur Umsetzung des Pariser Abkommens bekräftigten die Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention auf der COP24 in Kattowitz 2018, dass global mehr Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt werden müssen. Damit kommen auch die Landsysteme als wichtiger Baustein für die Einhaltung der 1,5 °C-Obergrenze stärker in den Fokus der Klimapolitik.
Die Botschaften dieses Sonderberichtes können dazu beitragen, die NDCs bzw. Ziele und Maßnahmen sowie langfristige Klimastrategien der Staaten den neuesten Erkenntnissen entsprechend anzupassen.
Der Sonderbericht liefert wichtige Erkenntnisse zur Bestimmung der derzeitigen und zukünftigen CO2-Senken in Landsystemen. Aufgrund der Standortabhängigkeit der Senken- und Quellenfunktion und deren negativer oder positiver Beeinflussung durch Art, Umfang und Intensität unserer Landnutzung ist die Quantifizierung der künftigen globalen Kohlenstoffsenke mit Unsicherheiten verbunden. Dennoch macht der Bericht deutlich, dass Optionen zur Nutzung des Treibhausgasminderungspotenzials für die Einhaltung der 1,5 °C-Obergrenze verfügbar sind, etwa durch die Erhaltung und Verbesserung des Zustandes von natürlichen Kohlenstoffsenken.
Im vorherigen Sonderbericht zu 1,5°C globaler Erwärmung (SR1.5) wurden Modellierungen zu CO2-Minderungspotenzialen für verschiedene sozioökonomische Entwicklungspfade vorgelegt, von denen einige auf dem großflächigen Einsatz von Kohlenstoffentzug durch Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -speicherung (BECCS) und großflächiger Aufforstung beruhen. Ergänzend dazu zeigt dieser Sonderbericht auf sehr differenzierte Weise die Minderungspotenziale von Ansätzen der nachhaltigen Landbewirtschaftung auf, wie beispielsweise Moorschutz und -renaturierung und Walderhalt sowie nachhaltige Landbewirtschaftung, z. B. durch bodenschonende und humusmehrende Bodenbewirtschaftung, Ökolandbau und Agroforstwirtschaft. Die Wirkung dieser lokal differenziert umzusetzenden Maßnahmenbündel lassen sich nicht ohne weiteres durch flächendeckende globale Modellierungen abbilden und quantifizieren. Dieser Sonderbericht hat insofern eine besondere Bedeutung, als er das große Potenzial und die Synergieeffekte dieser lokal angepassten Maßnahmen mit weiteren Nachhaltigkeitszielen in das Bewusstsein der politischen Entscheidungsträger rückt.
Der Bericht verfeinert damit die im SR1.5 aufgezeigten Handlungsoptionen. Mit der Bezugnahme auf lokal umsetzbare integrierte Handlungsoptionen knüpft der SRCCL auch direkt an die Botschaften des Globalen Berichts zum Zustand der biologischen Vielfalt des Weltbiodiversitätsrates (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services; IPBES) vom 6. Mai 2019 an.