Containerbegasung mit Sulfuryldifluorid

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Begasung von Exportholz – Eine Hauptquelle für die Emission von Sulfuryldifluorid
Quelle: Michael Neuhauß / Fotolia.com

Sulfuryldifluorid (SO₂F₂, auch Sulfurylfluorid) ist ein farb- und geruchloses giftiges Gas, das ein hohes Treibhauspotenzial aufweist. Sulfuryldifluorid wird zur Schädlingsbekämpfung unter anderem in Überseecontainern eingesetzt. Die Praxis der Containerbegasung geht mit hohen Emissionen in die Atmosphäre einher, die einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss auf das Weltklima haben.

Sulfuryldifluorid als Begasungsmittel

Sulfuryldifluorid findet etwa seit dem Jahr 2000 breite Anwendung als Pflanzenschutzmittel und Biozid. Dabei dient es als Ersatz für den ozonschichtschädigenden ⁠Stoff⁠ Methylbromid, dessen Verwendung durch das Montrealer Protokoll weltweit stark begrenzt wurde. Zwar wirken sich Emissionen von Sulfuryldifluorid im Gegensatz zu Methylbromid nicht schädigend auf die Ozonschicht aus. Sulfuryldifluorid verfügt aber über ein hohes Treibhauspotenzial: Eine Tonne emittiertes Sulfuryldifluorid ist, gemäß dem Fünften Sachstandsbericht des ⁠Weltklimarats, auf 100 Jahre gesehen so klimaschädlich wie 4.090 Tonnen CO2. Anhand von Atmosphärenmessungen lässt sich etwa seit dem Jahr 2000 mit der Abnahme der Konzentration an Methylbromid gleichzeitig eine stetige Zunahme der Hintergrundkonzentration des Ersatzstoffes Sulfuryldifluorid feststellen.

Sulfuryldifluorid wird als Begasungsmittel weltweit beispielsweise für die Bekämpfung von Lebensmittel- und Holzschädlingen verwendet, etwa für Gebäude wie Kirchen oder für Lebensmittel wie Trockenobst, Nüsse und Getreide. Aufsehen erregte in den letzten Jahren vor allem die zunehmende Verwendung zur Begasung von Stammholz in Überseecontainern. Einfuhrländer fordern häufig die Begasung von Exportholz vor der Ausfuhr als Voraussetzung für den Import. Dies soll verhindern, dass Ökosysteme durch die Einfuhr neuer Arten, zum Beispiel von Borkenkäfern, gestört werden.

Ansteigende Emissionen

Entsprechend der gängigen Begasungspraxis werden die Container nach erfolgter Begasung durch Öffnen der Türen belüftet. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass die gesamten verwendeten Begasungsmengen direkt in die ⁠Atmosphäre⁠ entweichen. Aufgrund der trockenen Sommer und des starken Borkenkäferbefalls nahm der Export von sogenanntem Kalamitätsholz über europäische und deutsche Überseehäfen wie Hamburg seit 2018 stark zu. Dies spiegelte sich in erheblichen Sulfuryldifluorid-Emissionen wider.

Rechtliche Situation und Berichterstattung

Sulfuryldifluorid ist auf Basis der EU-Verordnungen Nr. 1107/2009 (Pflanzenschutzmittelverordnung) und Nr. 528/2012 (Biozid-Verordnung) für die Verwendungen als Biozid und Pflanzenschutzmittel in der EU zugelassen. Entsprechend der Vorgaben des Pflanzenschutzgesetzes sind Hersteller, Vertreiber und Importeure verpflichtet, dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) jährlich die Mengen an Sulfuryldifluorid für Pflanzenschutzanwendungen zu melden, die in Deutschland abgegeben und exportiert werden.

In der am 11. März 2024 in Kraft getretenen Verordnung (EU) 2024/573 über fluorierte Treibhausgase ist Sulfuryldifluorid als geregelter Stoff in Anhang II Gruppe 3 aufgenommen worden. Damit verbunden sind eine ab 1. Januar 2025 geltende Kennzeichnungspflicht für Behälter, die Sulfuryldifluorid enthalten (Artikel 12) sowie Berichtspflichten für Unternehmen, die dieses Gas ab dem Kalenderjahr 2024 herstellen, importieren, exportieren, zerstören oder aufarbeiten (Artikel 26). Nach Artikel 4 der Verordnung gibt es auch eine Verpflichtung zur Vermeidung von Emissionen: die absichtliche Freisetzung von fluorierten Treibhausgasen in die Atmosphäre ist verboten, sofern diese Freisetzung für die vorgesehene Verwendung nicht technisch notwendig ist. Im Falle der Begasung mit Sulfuryldifluorid müssen Betreiber die Maßnahmen zum Auffangen und Sammeln dokumentieren oder Gründe angeben, aus denen mögliche Maßnahmen zur Vermeidung von Emissionen technisch oder wirtschaftlich nicht durchführbar waren.

In Deutschland sind Vorschriften zur Verwendung von akut toxischen Begasungsmitteln für Containerbegasung in der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA-Luft) von 2021 festgeschrieben. Diese Verwaltungsvorschrift regelt die Umsetzung des Bundes-Immissionsschutzgesetztes (⁠BImSchG⁠) für Genehmigungs- und Überwachungsbehörden. Sie schreibt für die Genehmigung neuer Begasungsanlagen ab 01. Dezember 2021 die Abscheidung von Sulfuryldifluorid aus der Containerabluft vor. Bei Altanlagen sind entsprechende Technologien bis zum 01. Dezember 2026 nachzurüsten.

Wegen der international zunehmenden Bedeutung von Sulfuryldifluorid als ⁠Treibhausgas⁠ berichtet Deutschland seit 2021 die Sulfuryldifluorid-Emissionen freiwillig im Nationalen Inventarbericht zum Deutschen Treibhausgasinventar.

Emissionsminderung

Die Begasung von Überseecontainern mit Sulfuryldifluorid ist international als effektives Verfahren zur Vermeidung der Einfuhr von Schädlingen anerkannt. In Deutschland ist Sulfuryldifluorid derzeit der einzige für den Vorratsschutz bei Laub- und Nadelhölzern zugelassene Pflanzenschutzmittelwirkstoff.

Eine Minderung der Sulfuryldifluorid-Emissionen ist perspektivisch über zwei Wege möglich:

Zum einen durch die Entwicklung von Gasabscheidern, welche die Abluft nach der Begasung von Sulfuryldifluorid reinigen. Allerdings ist bislang noch kein geeigneter Gasabscheider marktverfügbar.

Zum anderen durch die Zulassung international anerkannter Ersatzverfahren. So wird beispielsweise die Eignung und Genehmigung von alternativen Begasungsmitteln, wie den giftigen und brennbaren Gasen Monophosphan (PH3) oder Ethandinitril (Dicyan), als Ersatz für Sulfuryldifluorid geprüft. Darüber hinaus existieren auch Verfahren, die ganz ohne den Einsatz giftiger Gase auskommen, wie beispielsweise die thermische Behandlung von Stammholz in Wärmekammern. Hier ist allerdings mit hohem Energieverbrauch zu rechnen, dessen Treibhausgas-Bilanz ebenfalls in eine Bewertung einfließen sollte. Generell hängt die Nutzung von Ersatzverfahren aber vor allem von der Anerkennung durch die Einfuhrländer ab.

Die Wirksamkeit zugelassener sowie alternativer und klimaneutraler Pflanzenschutzmaßnahmen für den Rundholzimport und -export wird aktuell im Forschungsvorhaben „KLIMAtiv" untersucht. Das im Rahmen des ⁠Klimaschutz⁠-Sofortprogramms 2022 vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft finanzierte Projekt läuft bis Ende 2025.