Beherrschung der Gewässereutrophierung

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Eutrophierung und Oligotrophierung

Eutrophierung⁠ ist der Fachbegriff für die Zunahme der Konzentration an Planzennährstoffen in Gewässern, die das Algen- und Cyanobakterienwachsum "düngen".  Die Umkehrung dieses Prozesses – "Oligotrophierung" – ist eines der wichtigsten Ziele im Schutz von Trinkwasserressourcen.

In Deutschland zeigen etliche Gewässer erste Erfolge der vielfachen Anstrengungen zur Reduzierung der Nährstoffzufuhr – die Konzentrationen in den Gewässern sind rückläufig. Oft zeigen die Algen und ⁠Cyanobakterien⁠ jedoch noch keinen Rückgang. Daher stellt sich die Frage: Ab wann merken die Algen und Cyanobakterien den Unterschied?  Oder – anders formuliert: Müssen Schwellenwerte unterschritten werden, um ihr Auftreten wirksam zu beherrschen?

 

Modellprojekt

Zur Klärung dieser Frage führt das ⁠UBA⁠ an einem Modellprojekt – zwei in Berlin sehr erfolgreich sanierten Seen – seit 25 Jahren Begleituntersuchungen durch: Der Tegeler See und der Schlachtensee in Berlin sind beispielgebende Fallstudien für eine erfolgreiche Sanierung von Trinkwasserressourcen innerhalb einer Großstadt. Sie sind zudem typische Beispiele für die durch vielfältige Nutzung verursachten Probleme, wie die Nutzung als Wasserstraße (Tegeler See), als Erholungsgebiet, als Vorfluter für die Abwassereinleitung und nichts desto trotz als Trinkwasserreservoir. Seewasser wird zur Gewinnung von Trinkwasser in Form von Uferfiltrat und für die künstliche Grundwasseranreicherung benutzt. Starke ⁠Eutrophierung⁠ gefährdete ab den 1970er Jahren diese Nutzungen beider Seen. Um die nahezu natürliche Trinkwassergewinnung als Uferfiltrat aus diesen Seen – ohne Bedarf einer Desinfektion – langfristig zu sichern, wurden Anfang der 1980er Jahre die externen Phosphorfrachten drastisch vermindert: Phosphoreliminierungsanlagen reduzierten die Gesamtphosphorkonzentration der Zuläufe von nahezu 1000 µg/L auf ca. 10-20 µg/L.

Der Tegeler See und der Schlachtensee reagierten auf die dramatische Reduktion der Zufuhr mit einer sofortigen und in den ersten Jahren nahezu linearen Abnahme der Phosphorkonzentration im Seewasser. In beiden Seen deuten saisonale Muster auf eine signifikante Phosphorrücklösung aus dem Sediment hin. Forschungsergebnisse des UBA zeigen, dass diese sowohl mit der Temperatur als auch mit der Nitratkonzentration im überstehenden Wasser zusammenhängt.

Interessanterweise reagierte jedoch die ⁠Biomasse⁠ an Algen und ⁠Cyanobakterien⁠ (gemessen als Chlorophyll-a-Konzentration) zunächst nicht auf den Rückgang der Phosphorkonzentration: Die Abbildung verdeutlicht, dass solange die Konzentration an Gesamtphosphor über 100 µg/L lag, die jährlichen Mittelwerte der Chlorophyll-a-Konzentrationen unverändert blieben und die sommerlichen Maxima sich nur geringfügig verringerten. Ein deutlicher Rückgang trat erst unterhalb von 60 - 100 µg/L (Tegeler See) bzw. 30 µg/L (Schlachtensee) Gesamtphosphor auf. Diese Ergebnisse unterstreichen, dass es für eine effektive Kontrolle der Massenentwicklungen von Algen und – potentiell toxischen – Cyanobakterien notwendig ist, die Gesamtphosphorkonzentration deutlich unter einen Schwellenwert zu senken, der jedoch gewässerspezifisch etwas unterschiedlich liegen kann und von weiteren, insb. hydrophysikalischen Wachstumsbedingungen für Algen und Cyanobakterien abhängig ist. Diese werden derzeit im Drittmittelprojekt OLIGO näher erforscht, insb. im Hinblick auf verallgemeinerbare Erkenntnisse und daraus abzuleitende Maßnahmen im Management von Trinkwasserressourcen.

 

Wie bestimmen chemische, hydrophysikalische und biologische Wachstumsbedingungen das Vorkommen von Algen und Cyanobakterien?

In Deutschland gibt es über 300 größere Talsperren. Über 130 Talsperren dienen der Trinkwassergewinnung für rund 10 % der Bevölkerung. Weitere rund 20 % der Bevölkerung werden aus Flüssen oder Seen versorgt, wobei in den meisten Fällen das Oberflächenwasser durch Uferfiltration oder Langsamsandfiltration aufbereitet wird.

Ein häufiges Problem in Talsperren, Flüssen und Seen ist das Auftreten von Algen- oder Cyanobakterienarten. In großen Mengen beeinträchtigen alle ⁠Cyanobakterien⁠ und Algenarten die Trinkwassergewinnung und die Nutzung als Badegewässer. Als Gegenmaßnahme hilft nur die Beherrschung der ⁠Eutrophierung⁠ durch Sanierung der Nährstoffzufuhr.
Dennoch stören auch in geringerer Zelldichte manche Arten mehr als andere, z. B.

  • Arten, die Geruchs- oder Geschmackstoffe bilden (manche Goldalgen, Kieselalgen und Cyanobakterien), 
  • Arten, die Gifte produzieren (Cyanobakterien) und
  • Arten, die die Filteranlagen in der Wasseraufbereitungsanlage verstopfen (viele Kieselalgen).

Für die Trinkwassernutzung ist ein erhöhter Aufwand bei der technischen Aufbereitung die Folge, und bei der Badegewässernutzung bleibt bei erhöhtem Auftreten giftiger Arten kurzfristig nur die vorübergehende Sperrung.

Für die Bewertung des Risikos, dass solche Arten auftreten und für die Planung von möglichst wirksamen Gegenmaßnahmen sind Prognosemodelle wertvoll, mit deren Hilfe anhand der chemischen, hydrophysikalischen und biologischen Charakteristika vorhergesagt werden kann, welche Arten etwa in welchen Mengen zu erwarten sind.  Die Steuermechanismen des Artenvorkommens sind in ihren komplexen Interaktionen jedoch erst teilweise bekannt, und dies hemmt derzeit die Entwicklung mechanistischer Modelle.

 

Forschungsarbeiten

Im ⁠UBA⁠ wird ein anderer Weg versucht, nämlich aus der Auswertung von Gewässerüberwachungsdaten statistische Prognosemodelle abzuleiten.

Ein erstes Ergebnis liegt aus der Zusammenarbeit mit verschiedenen Talsperrenverwaltungen in einem durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (⁠BMBF⁠) geförderten Projekt vor. Dabei wurde das Auftreten elf solcher Problemarten in 24 deutschen Mittelgebirgstalsperren untersucht.

Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen, unter welchen spezifischen Bedingungen die jeweilige Art verstärkt vorkommt, d.h. sie charakterisieren das ⁠Habitat⁠ dieser Arten. Diese Arbeiten werden derzeit weitergeführt, insb. im Hinblick auf das Vorkommen potenziell toxischer ⁠Cyanobakterien⁠.

Für nähere Information siehe den deutschsprachigen Abschlussbericht dieses Projekts sowie die Fachpublikation: Niesel et al. 2007.

Drittmittelförderung

Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF von 1999 bis 2002 als Teilprojekt im Gesamtprojekt "Strategien zur Vermeidung des Vorkommens ausgewählter Algen- und Cyanobakterienmetabolite im Rohwasser".

Ausblick

Dieser Ansatz soll durch Einbeziehung weiterer Datensätze weiter entwickelt werden, insb. im Hinblick auf die ⁠Prognose⁠ des Vorkommens potenziell toxischer Cyanobakterien. Durch Auswertung sehr großer Datensätze, wie sie ggf. in Folge der ⁠Wasserrahmenrichtlinie⁠ zu erwarten sind, wäre eine Reduzierung der Prognoseunsicherheit erreichbar. Auch könnten Wahrscheinlichkeiten des Auftretens abgeleitet werden.

Publikationen

Forschungsarbeiten

  • Chorus, I.; Niesel, V. (2004): Prognosemodelle der Artenzusammensetzung des Talsperren-Phytoplanktons. Abschlussbericht des BMBF-Forschungsvorhabens „Strategien zur Vermeidung des Vorkommens ausgewählter Algen- und Cyanobakterienmetabolite im Rohwasser”
  • Niesel, V.; Chorus, I.; Sudbrack, R.; Willmitzer, H.; Hoehn, E. (2003): Das Auftreten von problematischen Phytoplanktonarten in Talsperren. DGL Tagungsbericht 2002 Band II. S. 681 - 686
  • Niesel, V.; Chorus, I.; Hoehn, E.; Sudbrack, R.; Willmitzer, H. (2006): Ist das Auftreten von problematischen Phytoplanktonorganismen mit einem einfachen statistischen Modell (MOPS) vorhersehbar? Rostock. Meeresbiolog. Beitr. 2006. 15, S. 25-35
  • Niesel, V.; Chorus, I.; Sudbrack, R.; Willmitzer, H.; Hoehn, E. 2007: The probability of occurrence of the dinoflagellates Gymnodinium uberrimum and Peridinium willeii in German reservoirs. Journal of Plankton Research; doi: 10.1093/plankt/fbm017
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 Cyanobakterien  Gewässereutrophierung  Eutrophierung  Algenwachstum  Gewässersanierung  Trinkwassernutzung