Netzausbau

Windpark und zwei Energiefreileitungstrassenzum Vergrößern anklicken
Mit der Energiewende muss auch das Stromnetz weiterentwickelt werden
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Die Anforderungen an das Stromnetz haben sich stark verändert und werden in den kommenden Jahren weiter steigen. Schwankende Einspeiseleistungen von Erneuerbare-Energien-Anlagen und die neue räumliche Verteilung der Stromerzeugung machen eine umfangreiche Anpassung der Netzinfrastruktur notwendig.

Inhaltsverzeichnis

 

Transformation des Stromnetzes

Der wachsende Anteil erneuerbarer Energien stellt das Energiesystem vor große Herausforderungen. In der Vergangenheit wurden konventionelle Kraftwerke verbrauchsnah gebaut. Der Strom floss nur in eine Richtung, ausgehend von großen, zentralen Erzeugern (Kohle-, Atom- oder Gaskraftwerke). Das hierarchisch strukturierte Stromnetz transportierte den Strom aus dem Höchstspannungsnetz (220 und 380 kV), dem Übertragungsnetz, in Verteilnetze geringerer Spannungen (bis 110 kV) bis zu den Endverbrauchern. Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien entfernen sich Stromerzeugung und -verbrauch geographisch zunehmend voneinander. Viel Strom wird durch den Ausbau der Windenergie an Land und auf See in Norddeutschland bereitgestellt. Die industriellen Großverbraucher liegen allerdings primär in Süddeutschland. Um die erneuerbaren Energien in das Energiesystem integrieren zu können, muss daher das Übertragungsnetz für große Leistungstransite über weite Distanzen bedarfsgerecht ausbebaut werden. Bei großen Entfernungen und großen zu übertragenden Leistungen eignet sich besonders der Einsatz von Höchstspannungs-Gleichstrom-Übertragungs-Leitungen. Für die Gleichstromtrassen soll eine Spannungsebene von 525 kV eingesetzt werden. Die Übertragungsverluste fallen dabei nachweislich geringer aus und überkompensieren die Verluste bei der Umwandlung von Gleich- in Wechselspannung.

Um die Netzinfrastruktur an die neuen Anforderungen anzupassen, kann diese optimiert, verstärkt und ausgebaut werden. So können die vorhandenen Übertragungskapazitäten erhöht oder effizienter genutzt werden. Zu den möglichen Maßnahmen gehören:

  • der witterungsabhängige Freileitungsbetrieb (Freileitungsmonitoring)
  • der Einsatz von Hochtemperaturleiterseilen (HTL oder HTLS),
  • die Spannungserhöhung von 220 kV auf 380 kV
  • Topologiemaßnahmen wie Stromflusssteuerung und -regelung
  • Auflage zusätzlicher Stromkreise auf bestehende Gestänge
  • Neubau oder Parallelneubau in bestehenden Trassen

Neben dem Übertragungsnetz stehen auch die Verteilnetze vor Herausforderungen, um das Netz an die neuen Gegebenheiten anzupassen und auszubauen. Vermehrt erzeugen kleinere erneuerbare Energieanlagen geringerer Leistung Strom. Sie speisen nicht direkt in das Übertragungsnetz, sondern in die Verteilnetze ein. Dadurch kann es zu einem Stromtransport in höhere Spannungsebenen kommen. Darauf ist das Bestandsnetz allerdings nicht flächendeckend ausgelegt. Darüber hinaus entstehen vermehrt Leistungsspitzen aufgrund witterungsbedingt hoher Stromeinspeisungen aus Photovoltaik (PV)- und Windenergieanlagen. Wärmepumpen und Elektromobilität verursachen bei gleichzeitigem Netzbezug und hohen Leistungsaufnahmen steigende Lastspitzen. Um diese zu verringern, bedarf es einer systemdienlichen Flexibilisierung. Beispiele für Maßnahmen, die das Energiesystem flexibilisieren können, sind:

  • intelligentes Lastmanagement der Verbraucher,
  • Sektorkopplung und
  • der Einsatz von Stromspeichern (wie Batteriespeicher und Pumpspeicherkraftwerke).

Im Stromsystem der Zukunft ist die Flexibilität insbesondere dafür erforderlich, dass Strom in Zeiten mit einer hohen Erzeugung aus Windenergie und Photovoltaik verbraucht oder gespeichert wird. Bei verringerter Stromerzeugung (tages- und jahreszeitlich bedingt) wird dann weniger Strom verbraucht oder gespeicherter Strom zurückgespeist. Beispielsweise werden mit der zunehmenden Verbreitung von Elektromobilität und Batteriespeichern für PV-Anlagen zukünftig sehr große Speicherkapazitäten im Stromsystem nutzbar sein. Sie müssen allerdings systemdienlich betrieben werden, um zu einer Entlastung führen zu können. Das soll unter anderem über monetäre Anreize und die Installation intelligenter Messsysteme mit Steuerbarkeit durch den Netzbetreiber erreicht werden. Wärmepumpen, auch Großwärmepumpen, ermöglichen ebenfalls ein Lastmanagement, insbesondere in Verbindung mit Wärmespeichern.

Neben dem innerdeutschen ist auch der europäische Netzausbau von zentraler Bedeutung. Ein gut ausgebautes europäisches Verbundnetz ermöglicht es, großräumige Ausgleichseffekte zu nutzen. Die erneuerbaren Energien, insbesondere die Windenergie, produzieren nicht europaweit gleichförmig Strom. Ein europäischer Verbund und eine Diversifizierung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien fördern die ⁠Resilienz⁠ des Stromnetzes. Kraftwerksausfälle können so auf europäischer Ebene kompensiert werden.

 

Bundesweite Netzentwicklungsplanung

Mit dem im Jahr 2009 beschlossenen Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) wurden erstmalig die notwendigen Leitungsbaumaßnahmen auf Höchstspannungsebene in Deutschland gesetzlich festgestellt. Da damit bereits gesetzlich verankert war, welche Leitungen notwendig sind, wurde eine Diskussion darüber während des laufenden Zulassungsverfahrens verkürzt. Somit ermöglicht das EnLAG den Ländern, die Bauvorhaben schneller zu genehmigen.

Seit 2011 haben die vier deutschen Übertragunsnetzbetreiber (50Hertz, Amprion, TenneT und TransnetBW) den Auftrag, gemeinsam alle zwei Jahre einen Netzentwicklungsplan (NEP) für den Ausbau der Übertragungsnetze zu erarbeiten. Rechtliche Grundlage ist das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG). Der Netzentwicklungsplan soll alle Maßnahmen an Land (Onshore) und auf See (Offshore), die zukünftig einen sicheren und zuverlässigen Netzbetrieb ermöglichen, enthalten. Bei der Offshore-Anbindung wird auf den Flächenentwicklungsplan Bezug genommen, erstellt vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie im Rahmen des Windenergie-auf-See-Gesetzes (WindSeeG). Der im März 2024 von der Bundesnetzagentur bestätigte NEP 2023-2037/2045 zeigt erstmals, welches Stromnetz notwendig ist, um Treibhausgasneutralität bis 2045 zu erreichen..

Die bundesweite Netzausbauplanung umfasst die folgenden fünf Phasen:

  1. Im ersten Schritt erstellen die Übertragungsnetzbetreiber einen Szenariorahmen mit mindestens drei Szenarien. Diese stellen die für die mindestens nächsten zehn und höchstens fünfzehn Jahre wahrscheinlichen Entwicklungen im Rahmen der klima- und energiepolitischen Ziele der Bundesregierung dar. Der von den Übertragungsnetzbetreibern vorgelegte Szenariorahmen wird durch die Bundesnetzagentur öffentlich gemacht und anschließend genehmigt.
  2. Die Szenarien bilden die Grundlage für die darauffolgenden Strommarkt- und Netzsimulationen der Übertragungsnetzbetreiber, um den Netzentwicklungsbedarf im Übertragungsnetz und bei Offshore-Anbindungsleitungen zu bestimmen. Aus den Ergebnissen erstellen die Übertragungsnetzbetreiber den Netzentwicklungsplan. Die Netzausbauplanung muss grundsätzlich nach dem NOVA-Prinzip (Netzoptimierung vor Verstärkung vor Ausbau) erfolgen Es folgen Öffentlichkeitsbeteiligungen, woraufhin die Übertragungsnetzbetreiber den Entwurf des Netzentwicklungsplans überarbeiten.
  3. Danach prüft die Bundesnetzagentur die Pläne und führt eine strategische Umweltprüfung durch. Nach einer weiteren Konsultation der Öffentlichkeit wird der Netzentwicklungsplan der Bundesregierung als Entwurf für einen Bundesbedarfsplan vorgelegt. Das geschieht mindestens alle vier Jahre. Der Gesetzgeber erlässt den Bundesbedarfsplan. Damit wird festgestellt, dass die im Plan enthaltenen Vorhaben energiewirtschaftlich notwendig sind und vordringlich gebraucht werden.
  4. Hierauf folgt die Bundesfachplanung ⁠, bei der die Trassenkorridore in einem Bundesnetzplan festgelegt werden. Sie wird durch das Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz (NABEG) geregelt. Demnach führt die Bundesnetzagentur nur bei den länderübergreifenden oder grenzüberschreitenden Höchstspannungsleitungen des Bundesbedarfsplans die Bundesfachplanung durch.
  5. Das nachfolgende Planfeststellungsverfahren prüft den genauen Trassenverlauf und mündet im Planfeststellungsbeschluss.

Die Bundesnetzagentur stellt in ihren vierteljährlichen Monitoringberichten die Planungs- und Baufortschritte sämtlicher Vorhaben aus dem Gesetz zum Ausbau von Energieleitungen (EnLAG) und dem Gesetz über den Bundesbedarfsplan (BBPlG) sowie der Anbindungsleitungen zu Offshore-Windparks in der Nord- und Ostsee dar. Von den ausgewiesenen Maßnahmen des EnLAG ist ein Großteil bereits umgesetzt und gebaut, während sich die in den BBPIG aufgenommenen Baumaßnahmen überwiegend im oder vor dem Planfeststellungsverfahren befinden.

 

Umweltauswirkungen

Der Aus- und Umbau der Stromnetze ist notwendig für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien. Allerdings sollte die anstehende Netzentwicklung so umweltverträglich und raumsparend wie möglich geplant werden. Relevante Umwelteffekte gehen sowohl von der Bauphase als auch der Betriebsphase aus. Sie umfassen beispielsweise den Ressourcenbedarf für Stromleitungen, -kabel und Nebenanlagen, die Flächeninanspruchnahme und die Übertragungsverluste, die über den deutschen Strommix mit Treibhausgasemissionen verbunden sind. Nachfolgend werden einige Umweltauswirkungen von Höchstspannungs-Freileitungen und -Erdkabeln dargestellt.

Freileitungen

  • elektrische und magnetische Felder,
  • Beeinträchtigung des Landschaftsbildes,
  • Geräusche durch Koronaentladungen bei bestimmten Wetterlagen,
  • witterungsbedingte Gefahren wie Eisbruch, Mastbruch, Blitzeinschlag,
  • Gefährdung von Vögeln durch Leitungsanflug (insbesondere Zugvögel),
  • Schneisenbildung im Wald und Zerschneidung von Lebensräumen (Schlaf- und Nahrungsgebiete für Vögel).

Erdkabel

  • während der Kabelverlegung umfangreichere Flächeninanspruchnahme und Bodenbewegung als bei Freileitungen,
  • magnetisches Feld (nimmt rasch mit der Entfernung ab),
  • Bodenerwämung und -austrocknung, Drainagewirkung,
  • eingeschränkte landwirtschaftliche Nutzung,
  • Schneisenbildung im Wald führt zu Veränderungen des Lebensraums (Kabeltrasse mit Schutzstreifen darf nicht bebaut und muss von tiefwurzelnden Pflanzen freigehalten werden),
  • Bodenveränderungen in Mooren und Feuchtgebieten.

Bei Erdkabeln wird das Landschaftsbild kaum beeinträchtigt und sie stellen kein Risiko für Vögel dar. In der Planung von Netzausbaumaßnahmen sind aber sämtliche Vor- und Nachteile von Freileitungen und Erdkabeln sowohl unter ökologischen als auch technisch- ökonomischen Aspekten zu prüfen. Erdkabel führen nicht in allen Fällen zu einer höheren Akzeptanz. Ihr Einsatz im Hoch- und Höchstspannungsnetz ist mit neuen Herausforderungen wie technischen Risiken, finanziellem Mehraufwand sowie stärkeren Eingriffen in die Bodenökologie verbunden.

Generell sind die Auswirkungen auf die Umwelt so weit wie möglich zu begrenzen. Unterstützende Maßnahmen sind hierbei die Nutzung vorhandener Trassen, die Bündelung mit anderen Infrastrukturmaßnahmen, Vogelschutzmarkierungen an den Freileitungen oder ökologisches Schneisenmanagement. Bei letzterem geht es darum, durch regelmäßige Pflegemaßnahmen einen kontrollierten Bewuchs der Trassen zuzulassen.

 

Akzeptanz

Der Widerstand der betroffenen Bevölkerung, Bürgerinitiativen und Naturschutzverbände richtet sich vor allem gegen den Bau weiterer Freileitungen aufgrund der Auswirkungen auf Mensch, Natur und Landschaftsbild. Die Erdverkabelung kann akzeptanzsteigernd wirken. Darüber hinaus wird teilweise die energiesystemische Notwendigkeit von Netzausbaumaßnahmen in Frage gestellt. Grundsätzlich reduziert die stärkere Vernetzung infolge des Netzausbaus den Bedarf an Infrastruktur zur Reservehaltung und erhöht die Versorgungssicherheit im Vergleich zu autarken Inselnetzen. Insbesondere Ballungsgebiete und Lastzentren sind auf eine überregionale Stromversorgung angewiesen. Der Stromtransport verursacht relativ geringe Verluste und ermöglicht es so, erneuerbaren Strom an prädestinierten Standorten effizient zu erzeugen.

Eine höhere Akzeptanz von Netzausbauprojekten kann im Ergebnis den Ausbau beschleunigen. Dazu sollten die Entscheidungsträger die Bevölkerung frühzeitig in die Planungs- und Genehmigungsverfahren einbinden, Entscheidungsprozesse transparent gestalten sowie Konflikte sachgerecht und fair bewältigen. Das Netz schonend auszubauen und negative Auswirkungen angemessen finanziell oder materiell zu kompensieren, stärkt die Akzeptanz darüber hinaus maßgeblich. Zudem sind auf allen Entscheidungsebenen, an denen die Öffentlichkeit beteiligt ist, Umweltprüfungen durchzuführen. Wichtig ist, dass bei konkreten Plänen und Projekten immer alle betroffenen Umweltbelange abgewogen und umweltverträgliche Lösungen gefunden werden. Für eine erfolgreiche Energiewende muss eine gesamtgesellschaftliche Akzeptanz für den notwendigen Netzausbau geschaffen werden. Die dezentrale Stromversorgung über erneuerbare Energien wird sich zukünftig regional sichtbar auf Mensch, Natur und Landschaft auswirken. Gleichzeitig werden die umwelt- und klimarelevanten Effekte durch die Erschließung und Nutzung fossiler Energieträger reduziert. Nur so kann der ⁠Klimawandel⁠ begrenzt, die natürlichen Lebensgrundlagen geschützt und die Landschaft als Ganzes erhalten werden.

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