Raumplanungsrecht

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Der Bau von immer neuen Industrieanlagen zerstört letztendlich die Landschaft
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Viele Vorhaben und Projekte, die den Boden nutzen, können negative Umweltauswirkungen haben. Vor allem die Versiegelung oder gar Zerstörung natürlich gewachsener Böden, beispielsweise durch den Bau von Gebäuden oder Industrieanlagen sind zu nennen. Auch die Zerschneidung der Landschaften, beispielsweise durch Straßen und Schienentrassen, ist ein Problem.

Inhaltsverzeichnis

 

Raumplanungsrecht

Der Boden ist eine natürliche Ressource, auf der und von der wir alle leben. Er erfüllt eine Vielzahl ökologischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Funktionen. Vor allem der humushaltige Oberboden mit seiner natürlichen Bodenfruchtbarkeit ist von besonderer Bedeutung, unter anderem als Lebensraum für Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen und für die landwirtschaftliche Produktion. Böden sind in überschaubaren Zeiträumen nicht erneuerbar. Die Inanspruchnahme des Bodens für Siedlungs, Verkehrs- und andere Zwecke und die damit einhergehende teilweise Bodenversiegelung führen zum Verlust ökologisch wichtiger Funktionen des Bodens: Er geht als Lebensraum verloren, kann Regenwasser nicht mehr aufnehmen und steht auch für die landwirtschaftliche Produktion nicht mehr zur Verfügung.

Die Zerschneidung und Zersiedelung der Landschaften trennt gewachsene Lebensräume von Tieren und Pflanzen. Linienhafte Vorhaben, vor allem Siedlungsbänder, Leitungstrassen, Straßen und sonstige Verkehrswege, können für Tiere und Pflanzen unüberwindbare Barrieren sein, die etwa den genetischen Austausch zwischen Populationen vollständig unterbinden können. Doch auch für den Menschen hat die Zerschneidung der Landschaften negative Wirkung: Wer ungestörten Landschaftsgenuss und Ruhe sucht, findet kaum noch zusammenhängende unberührte Gegenden. Zudem verursachen neue Straßen und Siedlungen im ⁠Außenbereich⁠ auch vermehrten Verkehr. Die Bundesregierung setzte sich in der Nachhaltigkeitsstrategie im Jahre 2002 das Ziel, den Flächenverbrauch für Siedlungs- und Verkehrsprojekte bis 2020 auf 30 Hektar pro Tag zu begrenzen. Nach Mitteilung des Statistischen Bundesamtes betrug der Flächenverbrauch im Durchschnitt der Jahre 2010 bis 2013 73 Hektar pro Tag (entspricht etwa 104 Fußballfeldern). Es bedarf also immer noch großer Anstrengungen, das 30-Hektar-Ziel der Bundesregierung zu erreichen. Infrage kommen sowohl ökonomische und planerische Instrumente. Aber auch die Information der Öffentlichkeit und die Bürgerbeteiligung im Vorfeld und im Rahmen von Planungsprozessen sowie im Rahmen von Umweltprüfungen sind wichtig. Das ⁠UBA⁠ unterbreitet Vorschläge, um die rechtlichen Grundlagen dieser Instrumente zu schaffen oder weiterzuentwickeln.

Ein weiteres wichtiges Betätigungsfeld für die Raumplanung wird künftig auch der Untergrund sein. Kommerzielle Nutzungsansprüche an den begrenzten unterirdischen Raum werden nicht nur im Bereich der Rohstoffgewinnung zunehmen, sondern für die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende werden auch weitere untertägige Speicherstandorte benötigt. Deshalb ist zu erwarten, dass Nutzungskonflikte häufiger räumlich konzentriert auftreten (bspw. Trinkwassergewinnung, Rohstoffgewinnung, Speicherung, ⁠CCS⁠, Erdwärme, Deponien) und sich Konflikte mit Schutzgütern und Gemeinwohlinteressen im Untergrund und an der Oberfläche (z. B. Siedlungs-, Verkehrs-, Natur- und Landschaftsschutzflächen, Meeresumwelt, Grundwasserreservoire und Bodenorganismen) verstärken werden. Ziel der Untergrundplanung muss daher die nachhaltige Ordnung und Entwicklung des Untergrundes sein, d. h. gegenläufige Einzelinteressen und übergeordnete Belange wie bspw. der Umweltschutz sollen möglichst gerecht ausgeglichen werden und auch künftige Nutzungsmöglichkeiten angemessen räumlich gesichert werden. Zur Ermittlung der geologischen und planungsrechtlichen Voraussetzungen sowie zur Verbesserung der Informationsgrundlagen über den Untergrund hat das UBA ein Forschungsvorhaben initialisiert, dessen Ergebnisse bereits veröffentlicht wurden (FKZ: 3711 16 103). Derzeit werden Anwendungsmöglichkeiten und Beispiele der unterirdischen Raumplanung in der Praxis in einem Folgevorhaben untersucht (Unterirdische Raumplanung – Fallstudien, FKZ: 3714 93 1080).

Die genannten und andere ökologische Belange im Entscheidungsprozess zu verarbeiten, ist Aufgabe der räumlichen Planung. Sie muss diese auch gegenüber weiteren – beispielsweise ökonomischen, sozialen oder auch privaten – Belangen abwägen. Geregelt ist das räumliche Planungsrecht auf Bundesebene vor allem im Raumordnungsgesetz (ROG) für die Bundes-, Landes- und Regionalplanung sowie im Baugesetzbuch (BauGB) für die kommunale ⁠Bauleitplanung⁠. Daneben existieren weitere Gesetze mit speziellen Fachplanungen, die auch räumlichen Bezug haben: zum Beispiel Planungen des Umweltschutzes, wie die im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) geregelte Landschaftsplanung oder die Instrumente der Hochwasserschutzplanung im Wasserhaushaltsgesetz (WHG) und die zahlreichen umweltrelevanten Fachplanungen anderer Sektoren wie Energie, Bergbau und Verkehr. Auch die Länder haben für ihre Bereiche eigene (Landes-)Planungsgesetze geschaffen.

Durch den wachsenden Zusammenschluss Europas sowie durch den Ausbau der erneuerbaren Energien steigt der Bedarf an Transportkapazitäten für Personen, Güter, Informationen und nicht zuletzt Energie und Rohstoffen. Dies führt zu einem flächenrelevanten Ausbau von Verkehrs- und Leitungsinfrastrukturen, der zur steigenden Flächenkonkurrenz zur Land- und Forstwirtschaft (u.a. Bioenergieproduktion) und anderen Nutzungen und Ansprüchen an begrenzte Flächen an Land, auf See und im Untergrund beiträgt. Das UBA untersucht die Potenziale des Planungsrechts zum Schutz der Umwelt und die Möglichkeiten, es umweltschutzorientiert zu verbessern. Aktuelle Schwerpunkte sind dabei die Raumordnung in der Ausschließlichen Wirtschaftszone oder der Umweltschutz in Planungskaskaden bei Großprojekten. Zum letztgenannten Thema veranstaltete das Umweltbundesamt unter dem Titel „Anspruchsvoller Umweltschutz in der Fach- und Raumplanung – Planungskaskaden bei Großvorhaben“ am 4. November 2011 in Berlin einen Workshop. Zur Unterstützung des in der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung verankerten Ziels zur Verringerung der Flächeninanspruchnahme (30-Hektar-Ziel bis 2020) wird derzeit der Handel mit Flächenzertifikaten im Rahmen eines Planspiels unter Beteiligung von über 80 Gemeinden in Deutschland erprobt.

 

ROG-Novelle 2009

Die ROG-Novelle 2009 harmonisiert das ROG mit den europarechtlichen Vorgaben und dem Recht der ⁠Bauleitplanung⁠. Durch die Umwälzungen der Föderalismusreform erhielten die Länder Abweichungsmöglichkeiten nach Artikel 72 Absatz 3 Grundgesetz (GG). Grund hierfür war insbesondere, dass die Rahmengesetzgebung des Bundes abgeschafft und die ⁠Raumordnung⁠ in die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes gemäß Artikel 74 Absatz 1 Nr. 31 GG überführt wurde.
Aspekte der raumordnerischen Zusammenarbeit und der Vorsorge für einzelne Nutzungen und Funktionen des Raums ergänzen die allgemeinen Vorschriften im 1. Abschnitt des ROG. Es soll so  dem demografischen Wandel (Rückgang der Bevölkerung, Rückbau von Infrastruktur, Entsiegelung von Flächen, aber auch durch Wanderungsbewegungen innerhalb Deutschlands) Rechnung tragen. Dennoch hält der Gesetzgeber mit der Neufassung des ROG weiterhin an der Gewährleistung der gleichwertigen Lebensverhältnisse in den Teilräumen fest und bindet sie in den zentralen Leitgedanken der nachhaltigen Raumentwicklung ein.

Der Gesetzgeber hat Grundsätze der Raumordnung und überörtlichen Planung gerade in Bezug auf eine nachhaltigere Nutzung von Flächen konkretisiert oder erweitert. So betont Paragraf 2 Abs. 2 Nr. 6 Satz 3 ROG besonders die Minderung der Neuinanspruchnahme von Fläche für Siedlung und Verkehr. Darüber hinaus wurden auch Maßnahmen zum ⁠Klimaschutz⁠ und zur Klimaanpassung unter Berücksichtigung von Flächen für den Ausbau erneuerbarer Energien als raumbedeutsame Grundsätze formuliert. Neu aufgenommene Ausnahmen und Zielabweichungen lassen eine flexiblere Gestaltung der Raumordnungspläne zu. Dies ermöglicht es, Ziele der Raumordnung mit ihren starren Bindungswirkungen an zukünftige Entwicklungen (zum Beispiel demografischer Wandel) anzupassen.
Die Novellierung des ROG übernimmt weitgehend die bewährten – von Bund und Ländern getragenen – bislang rahmenrechtlichen Vorgaben für die Raumordnung in den Bundesländern. Diese wurden neu strukturiert und belassen dem Landesgesetzgeber den erforderlichen Spielraum für ergänzende Regelungen. Die Vorschriften über die Umweltprüfung sind jetzt mit den Regelungen im Gesetz über die ⁠Umweltverträglichkeitsprüfung⁠ und Baugesetzbuch harmonisiert. Auch das Verfahren zur Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Aufstellung der Raumordnungspläne wurde neu geregelt. Jedoch bleiben detaillierte Verfahrens- und Organisationsausgestaltungen den Landesgesetzgebern vorbehalten. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber erweiterte Regelungen zur Planerhaltung, zur Untersagung raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen sowie zur raumordnerischen Zusammenarbeit geschaffen. Besonders letzterer wird nun gegenüber der Fachplanung ein stärkeres Gewicht eingeräumt.

 

Neue Rechtsinstrumente zur Begrenzung des Flächenverbrauchs

Prof. Dr. Edmund Brandt, Professor für Öffentliches Recht, insbesondere Energie- und Umweltrecht an der Universität Lüneburg, und Dr. Joachim Sanden führten im Auftrag des Umweltbundesamtes ein Forschungsprojekt durch, das ausgewählte neue Instrumente zur Begrenzung des Flächenverbrauchs auf ihre rechtliche Zulässigkeit hin überprüfte. Vor allem betrachtet die Studie eine Begründungs- oder Rechtfertigungspflicht der Länder bei der Inanspruchnahme der Freiraumflächen. Auch eine quantitative Vorgabe zur zulässigen Inanspruchnahme der Freiraumflächen (Flächenkontigentierung) sowie der Handel mit Flächenkontingenten (Lizenzhandelsmodell) wurden untersucht. Im Mittelpunkt stand dabei die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des jeweils betrachteten Modells im Hinblick auf die Gesetzgebungskompetenz des Bundes sowie – bei gegebener Kompetenz des Bundes – im Hinblick auf Restriktionen bei dem jeweiligen Modell aus der Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden gemäß Artikel 28 Absatz 2 Grundgesetz (GG).
Die Autoren gelangen zu dem Ergebnis, dass der Bundesgesetzgeber die untersuchten Maßnahmen zur Reduzierung des Flächenverbrauchs vorgeben kann und diese auch mit der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung (Artikel 28 Absatz 2 GG) vereinbar sind.
Studie „Verfassungsrechtliche Zulässigkeit neuer übergreifender Rechtsinstrumente zur Begrenzung des Flächenverbrauchs” kann in der Bibliothek des UBA ausgeliehen werden.

 

Reduzierung der Flächeninanspruchnahme durch raumbezogenes Planungsrecht

Aufbauend auf den Ergebnissen von Brandt und Sanden ließ das ⁠UBA⁠ in einem Forschungsprojekt untersuchen, mit welchen Änderungen das räumliche Gesamt- und Fachplanungsrecht so fortentwickelt werden, dass es den Flächenverbrauchs besser berücksichtigt. Eine solche Anpassung des Planungsrechts soll Deutschland dem  „30-Hektar-Ziel” näherbringen. Die Gutachter – unter der Leitung von Prof. Dr. Wolfgang Köck vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig – weisen im Bericht auf eine Fülle von Möglichkeiten hin, wie vor allem das Baugesetzbuch und das Raumordnungsgesetz geändert werden sollte. So schlagen sie beispielsweise vor, im Bereich der Umweltprüfung und der ⁠Eingriffsregelung⁠ eine bodenbezogene Bewertungsmethodik vorzusehen. Außerdem soll die sogenannte Bodenschutzklausel zu einem der Abwägung vorgeschalteten Planungsleitsatz fortentwickelt und eine Mindestfläche vorgesehen werden, die von Bebauung freizuhalten ist. Auch die Genehmigungspflicht für Bebauungspläne soll der Gesetzgeber für den Fall wieder vorsehen, dass der Planer Außenbereichsflächen überplanen möchte.

 

Reduzierung der Flächeninanspruchnahme

Der Studie „Reduzierung der Flächeninanspruchnahme durch Siedlung und Verkehr – Materialienband” enthält Empfehlungen des ⁠UBA⁠ zum Flächenverbauch. Dabei finden auch juristische Betrachtungen des Themas breiten Raum.

Der Bericht analysiert die vorgefundene Ausgangssituation: Wie aussagefähig sind die Daten aus der Flächenstatistik als ⁠Indikator⁠ für die weitere Zersiedelung und Versiegelung oder sonstige Denaturierung der Flächen und Böden? Was sind die treibenden Kräfte der Inanspruchnahme der Fläche? Hierauf aufbauend schlägt der dritte Teil des Berichts Handlungsziele und Indikatoren vor.

 

Umweltschutz im Planungsrecht

Dr. Gerold Janssen und Dr. Juliane Albrecht befassen sich in einer Studie mit der Frage, inwieweit das raumbezogene Gesamt- und Fachplanungsrecht die Maßnahmen und Instrumente, die zum Schutz des Klimas und der biologischen Vielfalt geschaffen wurden, in ihrer Wirkungsweise unterstützt oder auch hemmt. Aus planungsrechtlicher Sicht geht es somit darum, das Beziehungsgeflecht von Planung und Recht für die beiden Schutzgüter „Klima“ und „Biodiversität“ abzubilden.

Hinsichtlich des Klimaschutzes stellen die Autoren fest, dass das Planungsrecht dem ⁠Klimaschutz⁠ mittelbar über die Frage der Standortwahl zum Beispiel einer Anlage und unmittelbar im Bereich der erneuerbaren Energien dienen kann. Sie stellen den Umfang an möglichen Klimaschutzmaßnahmen und Instrumenten fest und unterbereiten Verbesserungsvorschläge. Sie raten zum Beispiel zur Einführung von Klimaschutzklauseln im Raumordnungsgesetz und in Paragraf 1a des Baugesetzbuchs und unterbreiten Vorschläge zur Verbesserung des Planungsrechts im Hinblick auf die Gewinnung erneuerbarer Energien. Entsprechend geht die Studie bei der „biologischen Vielfalt“ vor.
 

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