Ökotoxikologische Bewertung von Bauprodukten

Bauarbeiter verlegen bitumenhaltige Dachbahnen.zum Vergrößern anklicken
Regenwasser kann aus Dachbahnen Stoffe herauslösen, die so in die Umwelt gelangen.
Quelle: Kadmy / Fotolia.com

Im Sinne des Null-Schadstoff-Ziels der EU benötigen Hersteller von Stoffgemischen, Produkten und Recyclingmaterialien zuverlässige Verfahren, um die Umweltauswirkungen ihrer Produkte im Voraus einschätzen zu können. Als praktikable Methode haben sich neben der chemischen Analytik ökotoxikologische Tests etabliert, mit denen im Labor die Auswirkungen von Stoffen auf Lebewesen untersucht werden.

Ökotoxikologische Tests werden mit Organismen durchgeführt, die sich leicht im Labor züchten lassen, etwa mit Algen oder Leuchtbakterien. Diese werden den zu untersuchenden Stoffen im Labor ausgesetzt, um zu sehen, ob hierdurch zum Beispiel das Wachstum gehemmt oder das Leuchten reduziert wird.

Ökotoxikologische Tests sind seit 2005 ein Bestandteil des in Deutschland bauaufsichtlich eingeführten Bewertungskonzepts für Bauprodukte, die in ihrer Verwendung Kontakt mit Boden und Grundwasser haben. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass ökotoxikologische Tests ein aussagekräftiges Bewertungsinstrument für Bauprodukte, die gefährliche Stoffe in die Umwelt freisetzen können, sind.

Nach umfangreicher Validierung ist inzwischen auch ein europäisches Prüfkonzept für die Bestimmung der Ökotoxizität von Bauprodukten verfügbar. Eine europäische Verständigung über eine empfehlenswerte und praktikable Vorgehensweise ist wichtig, da Bauprodukte am Binnenmarkt grenzüberschreitend angeboten und eingesetzt werden. Nur wenn alle Labore die verfügbaren Tests gleich ausführen, sind Testergebnisse vergleichbar. Durch die Veröffentlichung der Technischen Spezifikation DIN CEN/TS 17459:2023-02 Bestimmung der Ökotoxizität von Eluaten aus Bauprodukten wird dies gewährleistet.

Untersuchungen von Bauprodukten mit der CEN/TS 17459 bestätigen, dass die Methodik sich für eine Reihe von diversen Bauprodukten gut anwenden lässt. Die Ergebnisse eines von der Hydrotox GmbH geleiteteten Konsortiums sind im Abschlussbericht Methoden und Kriterien zur Bewertung der Ökotoxizität von Produkten enthalten. Diese ergänzen die zuvor erarbeiteten Empfehlungen zur Planung und Durchführung von Ökotoxizitätstests an Bauprodukten. Beide im Auftrag des Umweltbundesamts (⁠UBA⁠) durchgeführten Projekte hatten das Ziel, zur europäischen Harmonisierung ökotoxikologischer Prüfmethoden für Bauprodukte zur Außenanwendung beizutragenund zuverlässige Nachweismethoden für die Freisetzung von Schadstoffen aus Bauprodukten bereitzustellen.

Vorgehen bei der ökotoxikologischen Untersuchung von Bauprodukten

Während der Bau- und Nutzungsphase können viele Bauprodukte Kontakt mit Regen- und Sickerwasser oder Grundwasser haben. Die aus diesen Bauprodukten mit dem Kontaktwasser ausgelaugten Stoffe sollten das Grundwasser oder andere Gewässer nicht verunreinigen. Üblicherweise gibt es Referenzwerte für Stoffe in Gewässern, um über mögliche Umweltgefährdungen urteilen zu können. Liegen diese Werte allerdings für die freigesetzten organischen Verbindungen nicht vor, bieten ökotoxikologische Tests eine Orientierung, um Auswirkungen zu bewerten.

Am besten geeignet, um Auswirkungen auf das Schutzgut Grundwasser Grundwasser oder Oberflächengewässer zu prüfen, sind Tests mit verschiedenen Wasserorganismen. Da unterschiedliche Lebewesen nicht gleich empfindlich auf Chemikalien reagieren, ist es üblich, mehrere Organismen in standardisierten Tests zu verwenden. Der erste Schritt, um die Verträglichkeit von Bauprodukten für Grundwasser und andere Gewässer zu bewerten, ist die Gewinnung eines Eluats. Dazu wird das Bauprodukt unter genormten Bedingungen in einen Wasserbehälter gehalten. Die Untersuchung des so gewonnenen Wassers, des Eluats, gibt Auskunft über mögliche mobilisierbare Stoffe und Umweltgefährdungen in der vorgesehenen Verwendung des Bauprodukts.

Handlungsbedarf und Potential zur Schadstoffminimierung im Sinne der Zero Pollution Ambition

Der in der UBA-Publikationsreihe Texte veröffentlichte Abschlussbericht Methoden und Kriterien zur Bewertung der Ökotoxizität von Produkten enthält Ergebnisse zu Dachbahnen, Lacken, Holz-Kunststoff-Verbundstoffen, Pflasterfugenmörteln, Korkgranulaten, Schaumglasschottern, Wegedecken und Dichtmassen. Intention bei den Auswertungen war, zu erkennen, ob Handlungsbedarf zur Schadstoffreduktion besteht. Nach der Null-Schadstoff-Vision der EU für 2050 soll die Umweltverschmutzung auf ein Niveau gesenkt werden, das als nicht mehr schädlich für die Gesundheit und die natürlichen Ökosysteme gilt. Handlungsbedarf bestätigte sich beispielsweise bei Fugenmörteln und Korkgranulaten. Eine eigenständige Publikation zur Darstellung und Diskussion der Befunde zu Fugenmörteln ist in der Zeitschrift Environmental Sciences Europe erschienen. Die untersuchten Lacke, Holz-Kunststoff-Verbundstoffe und Schaumglasschotter ließen sich wiederum als unbedenklich einstufen. Auf der Grundlage der Ergebnisse empfiehlt das Projektteam, für die Produktgruppen Dachbahnen, Kunstrasen und Sportböden sowie Fugenmörtel Vergabekriterien für den Blauen Engel zu entwickeln. Als erste Produktgruppe wurde die Empfehlung für Dach- und Dichtungsbahnen umgesetzt.

Zur Qualitätssicherung und Validierung wurde in diesem Projekt (wie bereits im Vorgängerprojekt, das weiter unten erläutert wird) ein Europäischer Ringversuch gemäß den Vorgaben der DIN ISO 5725 organisiert, durchgeführt und ausgewertet. Hierzu wurde ein Fugenmörtel als flächiges Produkt in der Oberflächenauslaugprüfung (nach DIN CEN/TS 16637-2) und als gebrochenes körniges Produkt im Perkolationstest (nach DIN CEN/TS 16637-3) eluiert und die ⁠Eluate⁠ nachfolgend in den 29 teilnehmenden Laboren hinsichtlich ihrer Ökotoxizität untersucht. Für die Perkolationsprüfung nach DIN CEN/TS 16637-3 konnte die Eignung in Verbindung mit den Ökotoxizitätstests nun statistisch bestätigt werden. Während des Vorgängerprojekts war diese CEN/TS noch nicht verfügbar. Die Ergebnisse der Validierungsversuche wurden als separate Publikation in der Zeitschrift Environmental Sciences Europe veröffentlicht.

Ein weiterer Beitrag in der Zeitschrift Environmental Sciences Europe stellt die Erkenntnisse aus dem Projekt im Kontext der wissenschaftlichen Diskussion über Mischungstoxizität dar.

Untersuchungsprogramm zur Ableitung der Empfehlungen

Die als UBA-Texte 74/2016 veröffentlichten „Empfehlungen für eine Testbatterie zur ökotoxikologischen Bewertung der Umweltverträglichkeit von Bauprodukten“ basieren auf einem Untersuchungsprogramm mit 20 Bauprodukten und einem Ringversuch mit zwei Produkten. Vorerst hat das Forschungskonsortium Bauprodukte ausgewählt, die aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung und Verwendung organische Stoffe auslaugen könnten, und diese eluiert. Für die Herstellung der Eluate für einteilige (beispielsweise Rohre) und flächige Bauprodukte (beispielsweise Dachbahnen) lag ab 2014 eine europäisch einheitliche Prüfvorschrift vor: die horizontale dynamische Oberflächenauslaugprüfung (DSL-Test) nach CEN/TS 16637-2. Hier galt es, erstmalig Erfahrungen zu sammeln, wie sich der DSL-Test am besten mit den bereits international genormten Tests für Ökotoxizität kombinieren lässt. Für körnige Bauprodukte (wie Granulate zum Sportplatzbau) lag das entsprechende europäische Prüfverfahren zur Eluatgewinnung während der Projektlaufzeit noch nicht vor. Deshalb hat das Projektkonsortium körnige Produkte im Schütteltest nach DIN EN 12457-1 eluiert. Dies ist ein europäisches Prüfverfahren für Abfälle, das möglicherweise in Zukunft als eine Schnelltestmethode für Bauprodukte zur Anwendung kommt.

Das Versuchsprogramm für die Eluate umfasste vier aquatische Toxizitätstests (mit Algen, Wasserflöhen, Leuchtbakterien und Fischeiern), einen Gentoxizitätstest und einen Test zur biologischen Abbaubarkeit der organischen Stoffe im Eluat. Je nach Produkt und Testorganismus zeigten sich nicht messbare bis sehr hohe Ökotoxizitäten. Für einen Ringversuch, der die Variabilität der Ergebnisse zwischen verschiedenen Laboren zeigen sollte, hat das Projektkonsortium zwei Produkte mit einer hohen Ökotoxizität ausgewählt. (Denn bei einer nicht messbaren Ökotoxizität wäre die Variabilität nicht sichtbar.)

Am Ringversuch haben 17 Labore aus fünf Ländern teilgenommen. Die Teilnehmer haben für eine Dachbahn und ein Granulat für Sportplätze aus Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk den gesamten, komplexen Verfahrensablauf vom Elutionsprozess über Probenlagerung bis hin zu den eigentlichen Biotests durchgeführt. Nach Ausschluss der als Ausreißer identifizierten Biotests war die laborübergreifende Streuung des Gesamtverfahrens zur ökotoxikologischen Charakterisierung von Bauprodukten akzeptabel. Sowohl in der absoluten Höhe der Toxizität als auch in der Reihenfolge der Empfindlichkeit der Testorganismen unterschieden sich die beiden geprüften Bauprodukte deutlich. Es hat sich gezeigt, dass der Gesamtprozess aus Elutionsverfahren und mehreren Ökotoxtests (Testbatterie) grundsätzlich geeignet ist, eine ökotoxikologische Charakterisierung der Bauprodukte mit akzeptabler Variabilität vorzunehmen. Die Ergebnisse des Ringversuchs und die Empfehlungen für eine Testbatterie sind jeweils als eine eigenständige Publikation in der Zeitschrift Chemosphere erschienen.

Übertragung der Ergebnisse nach Europa

Die europäische Normung hat die in den UBA-Projekten gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen bei der Prüfung der Ökotoxizität von Bauprodukteluaten aufgegriffen. Die Empfehlungen aus dem ersten Projekt (Texte 74/2016) und die Ergebnisse aus dem ersten Ringversuch haben zur Erstellung eines Technischen Berichts “Leitfaden für die Anwendung von ökotoxikologischen Untersuchungen auf Bauprodukte“ beigetragen. Dieser Technische Bericht ist im Februar 2018 als CEN/TR 17105 (Technische Regel) erschienen. Das zweite Projekt (Texte 151/2022) hat die Validierung der CEN/TS 17459 unterstützt. Die CEN/TS 17459 kann jetzt als Referenz zum Beispiel bei der Vergabe des Blauen Engels oder bei der Europäischen Technischen Bewertung von innovativen Bauprodukten Verwendung finden. Als nächster Schritt sollte die ökotoxikologische Methodik gleichwertig mit den chemischen Analysemethoden zur Prüfung von Bauprodukten und ihren Eluaten zur Anwendung kommen. Dies ist erforderlich, um etwa die Null-Schadstoff-Ziele der EU umsetzen zu können. Mit einer verbesserten Methodik zur Prüfung der Auslaugung aus Bauprodukten und ihrer Auswirkung auf die Umwelt ist zu erwarten, dass Hersteller die Umweltverträglichkeit ihrer Bauprodukte leichter und zuverlässiger steuern können als bisher.

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