Ökologische Kriterien für Wärmedämmverbundsysteme

ein Bauarbeiter auf einem Gerüst bringt Dämmplatten aus Polystyrol an einer Hausfassade anzum Vergrößern anklicken
In Deutschland werden pro Jahr etwa 40 Millionen Quadratmeter Wärmedämmverbundsysteme verbaut.
Quelle: mitifoto / Fotolia.com

FAQ

  • Wie werden HBCD-haltige Dämmstoffe abfallrechtlich eingestuft?

    Nach der ⁠POP⁠-Verordnung ((EG) Nr. 850/2004) Art. 7 (2) müssen Abfälle, die persistente organische Schadstoffe („POPs“) enthalten, so verwertet oder beseitigt werden, „dass die darin enthaltenen persistenten organischen Schadstoffe zerstört oder unumkehrbar umgewandelt werden“. Abfall gilt dann als „POP-haltig“, wenn dessen POP-Gehalt größer oder gleich einer bestimmten Grenzwertkon… weiterlesen

  • Wie werden HBCD-haltige Dämmstoffe entsorgt und können sie recycelt werden?

    Dämmstoffe aus Polystyrol sind, sofern sie HBCD enthalten, bei Abbruch oder Sanierungsmaßnahmen getrennt zu sammeln. Die ⁠POP⁠-Verordnung ((EG) Nr. 850/2004) fordert in Art. 7 (2), dass POP-haltige Abfälle so beseitigt werden, „dass die darin enthaltenen persistenten organischen Schadstoffe zerstört oder unumkehrbar umgewandelt werden“.Diesem Zerstörungsgebot wird bei Entsorgung HBCD… weiterlesen

  • Wie kann ich erkennen, ob ein Dämmstoff aus Polystyrol HBCD enthält?

    Da HBCD nach dem Europäischen Chemikalienrecht bereits seit 2008 als besonders besorgniserregender ⁠Stoff⁠ unter der ⁠REACH-Verordnung⁠ identifiziert ist, muss der Hersteller und auch der Händler Ihnen über die Verwendung des Stoffes in allen Erzeugnissen Auskunft geben. Über ein Online-Formular des Umweltbundesamtes können Sie den Hersteller, Händler oder Importeur hie… weiterlesen

  • Welche Alternativen gibt es zu HBCD-haltigen Textilien?

    Um die Entflammbarkeit von Textilien herabzusetzen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. HBCD ist in diesem Bereich leicht zu ersetzen. Entscheidenden Einfluss auf das Brandverhalten haben zunächst der Aufbau und die Dichte eines Gewebes, so lässt sich die Entflammbarkeit etwa durch eine dichte Webart herabsetzen. Zu den alternativen Flammschutzmitteln zählen zum Beispiel die Permanentausrüstung vo… weiterlesen

  • Was macht einen persistenten organischen Stoff wie HBCD auf lange Sicht so problematisch für Mensch und Umwelt?

    Problematisch ist der ⁠Stoff⁠ deshalb, weil er sich einerseits weltweit verteilen und andererseits leicht in Lebewesen anreichern kann. Wirkungen treten immer dann auf, wenn die Effektschwellen überschritten werden. Dies kann bei so persistenten organischen Stoffen mitunter erst nach Jahren, also zeitlich verzögert der Fall sein. Die geringe Wasser- und gute Fettlöslichkeit von HBCD… weiterlesen

  • Können Gesundheits- und Umweltrisiken durch die Nutzung HBCD-haltiger Produkte auftreten?

    Wer in einem Haus mit HBCD-haltigen Dämmplatten wohnt, muss nach heutigem Kenntnisstand bei fachgerechter Anwendung keine negativen Effekte auf seine Gesundheit befürchten, da in der Nutzungsphase nur sehr wenig HBCD aus den Platten austritt, das über die Luft oder den Hausstaub von den Bewohnern aufgenommen werden könnte.Weil der ⁠Stoff⁠ mittlerweile in der Umwelt weit verbreitet is… weiterlesen

  • Ist ein REACH-Zulassungsantrag notwendig, um HBCD-haltige Dämmplatten verbauen zu dürfen?

    Die ⁠REACH⁠-Zulassungspflicht umfasst die Herstellung und Verwendung des Stoffes als solches und im ⁠Gemisch⁠ mit anderen Stoffen. Bei einem HBCD-haltigen Gemisch wird für die Verwendung des Stoffes eine Zulassung benötigt, beispielsweise um eine Dämmplatte daraus herzustellen (eigene Zulassung oder Zulassung eines Lieferanten für diese Verwendung). Zur Verwendung eines… weiterlesen

  • Welche negativen Eigenschaften hat HBCD für Umwelt und Gesundheit?

    HBCD hat vier problematische Eigenschaften in der Umwelt. Es ist giftig, vor allem für Gewässerorganismen wie Krebstiere und Algen. Der ⁠Stoff⁠ ist zudem persistent, das heißt langlebig, weil er in der Umwelt schlecht abgebaut werden kann. Er wird z.B. in über 10 Jahre alten Sedimentschichten gefunden. Auch wenn die Gehalte mit zunehmender Entfernung zu Verursachern abnehmen, wird HB… weiterlesen

  • Wofür wird der Stoff HBCD verwendet?

    HBCD dient wegen seiner technischen Eigenschaften vorwiegend als Flammschutzmittel für Kunststoffe. Es kann Brände entweder ganz verhindern, oder zumindest die Ausbreitung des Brandherdes verzögern. In einem voll entwickelten Brand brennen aber auch Gegenstände, die mit HBCD behandelt sind.HBCD wird vor allem in Dämmstoffen aus Polystyrol für Gebäude – sowohl in expandiertem Polystyrol (EPS) als a… weiterlesen

  • Ist HBCD derselbe Stoff wie HBCDD?

    Häufig wird HBCD mit ⁠HBCDD⁠ gleichgesetzt. HBCDD ist als Abkürzung für HexaBromCycloDoDecan etwas eindeutiger als die Abkürzung HBCD mit nur einem D, hinter der sich noch andere Stoffbezeichnungen verbergen können. Zur eindeutigen Identifizierung von Stoffen wird häufig die CAS-Nr. (Chemical Abstracts Service Registry Number) verwendet, für das übliche technische Isomerengemisch ist… weiterlesen

  • Ist die Verwendung von HBCD jetzt verboten?

    In fast allen Bereichen ja. Für Dämmstoffe aus expandiertem Polystyrol (EPS) gibt es noch eine Ausnahme. Das Handels- und Verwendungsverbot von HBCD ist auf die Stockholm Konvention zurückzuführen und wird in der Europäischen Union (EU) im Anhang I der POP-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 850/2004 über persistente organische Schadstoffe) umgesetzt. Seit dem 22. März 2016 dürfen Produkte (Stoffe, Ge… weiterlesen

  • Was ist Hexabromcyclododecan (HBCD)?

    HBCD ist ein ringförmiges, bromiertes Kohlenwasserstoffmolekül mit der chemischen Formel C12H18Br6. Hinter dieser Formel verbergen sich drei chemische Verbindungen mit gleicher chemischer Zusammensetzung und Struktur, aber unterschiedlicher räumlicher Anordnung der Brom-Atome. Der ⁠Stoff⁠ ist bei normalen Temperaturen fest und nur sehr wenig wasserlöslich. Eine seiner Eigenschaften i… weiterlesen

  • Welche chemikalienrechtlichen Vorschriften gelten für den Einsatz von HBCD?

    HBCD unterliegt in der Europäischen Union (EU) den einschlägigen stoffrechtlichen Regelungen. Zentrale Verordnungen sind: die CLP-Verordnung >die Chemikalienverordnung REACH > die POP-Verordnung > weiterlesen

  • Welche chemikalienrechtlichen Vorschriften gelten nach der POP-Verordnung für den Einsatz von HBCD?

    Die Verordnung (EG) Nr. 850/2004 über persistente organische Schadstoffe (POP-Verordnung) überführt in der Europäischen Union die Beschlüsse der internationalen Stockholm-Konvention – auch POP-Konvention genannt – in europäisches Recht.Die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwendung von Stoffen, die in Anhang I der POP-Verordnung aufgeführt sind, sind verboten. Davon ausgenommen sind die… weiterlesen

  • Wie hängen die verschiedenen Regelungsbereiche des Chemikalienrechts zusammen (REACH-Verordnung, POP-Verordnung)?

    Die POP-Verordnung ((EG) Nr. 850/2004) und die REACH-Verordnung ((EG) Nr. 1907/2006) sind unabhängige Rechtsvorschriften, die beide parallel in der EU zu beachten sind. Es gilt jeweils die strengere Regelung. Daraus folgt, dass die Inverkehrbringens-, Abfallbehandlungs- und Kennzeichnungsvorschriften der POP-Verordnung zu beachten sind. Weiterhin sind die Zulassungspflicht und die Mitteilungspflic… weiterlesen

  • Welche Alternativen gibt es zu HBCD-haltigen Dämmstoffen?

    In Deutschland werden über 60 Prozent der Energie in Gebäuden verbraucht. Entsprechend hoch sind dort auch die Einsparpotenziale. Die Energieeinsparverordnung (EnEV) fordert daher für den Neubau von Gebäuden eine effektive Wärmedämmung zur Minderung des Energiebedarfs. Auch im Gebäudebestand (Altbau) können Wärmedämmverbundsysteme die Heizkosten und damit den Ausstoß klimaschädlicher Gase deutlich… weiterlesen

< >

Wärmedämmverbundsysteme (WDVS) tragen wesentlich zur Energieeffizienz von Gebäuden bei, vor allem bei Altbauten. Damit sind sie ein wichtiges Klimaschutz-Instrument. Das UBA hat im Jahr 2010 Kriterien entwickelt, um aus Umweltschutzsicht besonders vorteilhafte WDVS mit dem Blauen Engel auszeichnen zu können. Neue Forschungsprojekte unterstützen die zeitgemäße Weiterentwicklung der Kriterien.

Ein Wärmedämmverbundsystem besteht üblicherweise aus Dämmplatten, die direkt auf die Außenwände geklebt oder montiert sind, einem Armierungsgewebe aus Kunststoff, verschiedenen Putzschichten und einem Schutzanstrich. Bundesweit sind nach aktuellen Schätzungen bereits über 800 Millionen Quadratmeter WDVS an Hauswänden installiert. Dazu kommen jährlich etwa 40 Millionen Quadratmeter Neumontage.

In einer im Auftrag des ⁠UBA⁠ durchgeführten Online-Umfrage zeigte sich, dass die überwiegende Mehrheit der Umfrage-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer (ca. 90 %) mit ihrem WDVS hinsichtlich der Dämmeigenschaften „sehr zufrieden“ bzw. „zufrieden“ sind. Jedoch können den Vorteilen der WDVS – Einsparung von ⁠CO2⁠-Emissionen und Energiekosten − einige ökologische Nachteile gegenüber stehen. Denn bei manchen marktüblichen WDVS kommen Stoffe zum Einsatz, die aus Umweltsicht problematisch sind: Flammschutzmittel, die bei brennbaren Dämmstoffen aus Brandschutzgründen oft notwendig sind, und Biozide, um dem Wachstum von Algen und Pilzen an der Fassade vorzubeugen. Durch eine gezielte Produktauswahl ist es möglich, eine umweltverträgliche Lösung zu finden, die gleichzeitig einen zuverlässigen Brandschutz und gute optische Eigenschaften sichert.

Biozideinsatz bei WDVS

Die energetische Ertüchtigung eines Gebäudes mit WDVS geht häufig mit einer Senkung der Oberflächentemperatur an der Fassade und mit Tauwasserbildung auf der Fassadenoberfläche einher. Mit Tauwasser entsteht eine Grundlage für mikrobielles Wachstum: Algen und Pilze bilden unschöne grüne oder gräuliche Beläge. Das vom UBA beauftragte und am Fraunhofer Institut für Bauphysik durchgeführte Forschungsprojekt „Verbesserung der Umwelteigenschaften von Wärmedämmverbundsystemen (WDVS) – Evaluierung der Einsatzmöglichkeiten biozidfreier Komponenten und Beschichtungen“ aus dem Jahr 2015 zeigt: Kunststoffputze und Dispersionsfarben sind heute üblicherweise mit bioziden Wirkstoffen ausgerüstet, um den Bewuchs mit Algen und Pilzen zu verzögern – unabhängig von wesentlichen Randbedingungen wie der Bauweise/Architektur, den klimatischen Voraussetzungen oder der unmittelbarer Umgebung eines Bauwerks. Auch zeigte sich, dass in den ersten vier Jahren der Wirkstoffgehalt in der Deckschicht bis zu 90 % abnehmen kann und dass so ein unkontrollierter Austrag der bioziden Wirkstoffe in die Umwelt entsteht.

Die vorliegende Studie ermittelte, welche Einflussgrößen das Risiko des Befalls durch Algen oder Pilze einer wärmegedämmten Fassade und die Nutzerzufriedenheit mit einem WDVS bestimmen. Im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 (Biozidverordnung) sollte den ökologischen Risiken eines Biozideinsatzes ein ausreichender Nutzen gegenüber stehen. Die Studie zeigt, dass zwischen der Nutzerangabe zur antimikrobiellen Behandlung der Oberflächen und der Nutzerzufriedenheit kein Zusammenhang besteht. Die Nutzerzufriedenheit wird zusätzlich mitbestimmt von weiteren Größen, wie Wissensstand, Erwartungen, bestehenden Ansprüchen und genereller Einstellung zum Umweltschutz. Die Studie legt daher eine Abkehr von der grundsätzlichen Ausrüstung von Fassadenoberflächen zugunsten einer gezielten Ausrüstung im Bedarfsfall nahe.

Weiterentwicklung des Umweltzeichens für WDVS

Beim Umweltzeichen Blauer Engel erlauben die Vergabekriterien DE-UZ 140 für Wärmedämmverbundsysteme sowohl mineralische als auch kunstharzgebundene Putze ohne biozide Ausrüstung auszuzeichnen. Das UBA ließ im Projekt „Blauer Engel für Wärmedämmverbundsysteme – Weiterentwicklung der Kriterien für Dämmstoffe sowie biozidfreie Putze und Beschichtungen“ aus dem Jahr 2017 prüfen, wie widerstandsfähig Putze und ihre Anstriche gegen Veralgen sind. Künftig sollte der Blaue Engel auch die Widerstandsfähigkeit der biozidfreien WDVS gegenüber Aufwuchs von Algen und Pilzen in seinen Kriterien abdecken.

Das Vorhaben „Blauer Engel für Wärmedämmverbundsysteme – Weiterentwicklung der Kriterien für Dämmstoffe sowie biozidfreie Putze und Beschichtungen“ liefert Daten zur Witterungsbeständigkeit der heute am Markt angebotenen biozidfreien WDVS. Die Ergebnisse unterstützen die Gestaltung von Wärmedämmverbundsystemen als innovatives und langfristig nachhaltiges Instrument des Klimaschutzes nach dem aktuellen Stand des Wissens.

Zusätzlich sind Brandschutz- und Ressourcenschonungsaspekte bei der Weiterentwicklung des Blauen Engels für WDVS wichtig. Zu Entwicklungszielen bei der Überarbeitung der Kriterien für den Blauen Engel zählen eine effizientere Ressourcennutzung von Wärmedämmverbundsystemen durch Verbesserung ihrer Dauerhaftigkeit sowie Unterstützung von Recycling und Rückbaubarkeit der verwendeten Dämmstoffe beziehungsweise der WDVS.

weiße Hausfassade, unter einem Balkongeländer, wo häufig Wasser die Fassade herunterfließt, hat sich ein grüner Belag gebildet
Algen und Pilze siedeln sich gerne an feuchten und schattigen Stellen der Hausfassade an.
Quelle: Corinne Meunier / UBA