Schnittstellen REACH und Produktregelungen

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Leitfaden Nachhaltige Chemikalien
Quelle: Umweltbundesamt

Bei den Analysen der Schnittstellen der ⁠REACH-Verordnung⁠ mit produktbezogenen Regelungen stößt man zunächst auf grundlegende begriffliche Unterschiede: Das Chemikalienrecht nämlich kennt den Begriff des Produkts gar nicht, dort gibt es nur Stoffe, Gemische und Erzeugnisse. Dies hat jeweils deutlich unterschiedliche Rechtsfolgen für Stoffe und Gemische auf der einen, und Erzeugnisse auf der anderen Seite. Ein ⁠Stoff⁠ ist unter REACH ein chemisches Element oder eine chemische Verbindung (einschl. Verunreinigungen und ggf. Stabilisator), Gemische sind „Gemenge, Gemische oder Lösungen, die aus zwei oder mehr Stoffen bestehen“ und ein ⁠Erzeugnis⁠ ist „ein Gegenstand, der bei der Herstellung eine spezifische Form, Oberfläche oder Gestalt erhält, die in größerem Maße als die chemische Zusammensetzung seine Funktion bestimmt“. In den produktbezogenen Regelungen wird der Begriff „Produkt“ in der Regel als Oberbegriff benutzt, unabhängig davon, ob Erzeugnisse, Gemische oder Einzelstoffe betroffen sind, so dass auch bei den Pflichten keine Unterschiede bestehen.

Neben der REACH-Verordnung existieren auf EU-Ebene eine Reihe von spezifischen Regelungen, die sich auf Chemikalien in Produkten beziehen. Sie regeln zum Einen kritische Chemikalien in bestimmten Produktgruppen. Zu diesen produktgruppenbezogenen Regelungen gehören beispielsweise die ⁠RoHS-Richtlinie⁠ zur Beschränkung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten, die Altfahrzeug-Richtlinie oder die Bauprodukten-Richtlinie. Zum Anderen machen sie für besonders problematische Chemikalien genaue Vorgaben für deren Einsatz in Produkten. Zu diesen stoffbezogenen Regelungen gehören beispielsweise die Verordnungen über ⁠FCKW⁠ und fluorierte Treibhausgase oder die Deco-Paint-Richtlinie für ⁠VOC⁠ (flüchtige organische Kohlenwasserstoffe) in Farben und Lacken.

Unter REACH gelten für Stoffe in Erzeugnissen geringere Anforderungen als für Stoffe an sich oder für Stoffe in Gemischen. Die Registrierungsanforderungen beschränken sich im Wesentlichen auf die bestimmungsgemäße Freisetzung von Stoffen aus Erzeugnissen und den Gehalt an besonders Besorgnis erregenden Stoffen (SVHC). Die Anforderungen unter REACH an chemische Stoffe in Erzeugnissen sind in den Artikeln 7 und 33 fest gelegt.
> Chemikalien in Erzeugnissen
 
Entsprechend vielfältig wie die bestehenden Produktregelungen, sind auch ihre möglichen Schnittstellen mit der REACH-Verordnung. Eine Systematisierung der Schnittstellen wurde im ⁠UBA⁠-Forschungsvorhaben „Schnittstellen zwischen REACH und anderen produktbezogenen Stoffregulierungen“ (FKZ 206 67 460/04) vorgenommen und am Beispiel der Bauprodukte konkretisiert.
 
Die Analyse der betrachteten produktbezogenen Regelungen und von REACH zeigt, dass diese unterschiedliche Schwerpunkte hinsichtlich der betrachteten Abschnitte im Lebenszyklus der Stoffe bzw. Produkte setzen. Auch daher ist eine vollständige Integration der produktbezogenen Regelungen in REACH nicht möglich oder würde deren Zielen zum Teil widersprechen. Die Regelungen ergänzen sich vielmehr, notwendig ist zukünftig jedoch eine bessere gegenseitige Verknüpfung von REACH mit anderen Regulierungen. Dies beinhaltet u.a.: Doppelarbeit zwischen REACH und bestehenden produktbezogenen Stoffregulierungen kann dann vermieden werden, wenn ein Abgleich der Bewertungsmethoden der verschiedenen Regulierungen für verbesserten Austausch von Informations-„Bausteinen“ und eine Klärung der Begrifflichkeiten (wie z.B. „Expositionsszenarien“ und „Freisetzungsszenarien“) erfolgt.

Weitere Untersuchungen widmeten sich den Zusammenhängen der REACH-Verordnung mit bestimmten Produktregelungen wie der RoHS-Richtline sowie der Bauproduktenrichtlinie. Das Zusammenspiel zwischen der REACH-Verordnung und den spezifischen Regelungen für Spielzeuge, Elektro- und Elektronikgeräte sowie Boden- und Wandbelägen wird weiterhin im Forschungsbericht „Karzinogene, mutagene, reproduktionstoxische (CMR) und andere problematische Stoffe in Produkten“ dargestellt.

Wie Produktregelungen die Kommunikationsanforderungen nach Artikel 33 der REACH-Verordnung für besonders besorgniserregende Stoffe (SVHC) unterstützen können, zeigt die jüngst verabschiedete EU-Bauproduktenverordnung: Ab dem Jahr 2018 muss in der Leistungserklärung für Bauprodukte mit CE-Zeichen angegeben werden, ob das Produkt SVHC enthält. Die Information über besonders besorgniserregende Stoffe wird für Verbraucher somit direkt ersichtlich.

Schnittstellen zwischen der Bauprodukten-Richtlinie (BPR) und der REACH-VO
Auswirkungen europäischer Bestimmungen für Gesundheits- und Umweltschutz auf Bauprodukte und Bauwerke.
Ein Forschungsvorhaben des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) sowie des Bundesamtes für Bauwesen und Raumentwicklung (BBR), bearbeitet von Ökopol - Institut für Ökologie und Politik GmbH / Hamburg.
Langfassung
Zusammenfassung

Effects of European Regulations for Health and Environmental Protection on Buildungs and Building Products
Executive Summary

Dirk Bunke, Stépahnie Zangl, Andreas Hermann, Christopher Blum, Johanna Wurbs (2010): Ersatz oder Ergänzung? Schnittstellen zwischen REACH und produktbezogenen Regelungen am Beispiel von Bauprodukten. Umweltwissenschaften und Schadstoff-Forschung – Zeitschrift für Umweltchemie und Ökotoxikologie, Springer, Berlin, Heidelberg. Jg. 22, S.36-45.

Schnittstelle zur AbfallRahmenrichtlinie
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Schnittstellen zu produktbezogenen Stoffregulierungen
Mit der Einführung von REACH werden die Regularien der europäischen Chemikalienpolitik neu gestaltet und verbessert. REACH definiert für Hersteller und Importeure, Formulierer und Anwender neue Aufgaben- auch in den Bereichen der Bewertung von Stoffen, Zubereitungen sowie Produkten und ihren Anwendungen. Hieraus ergeben sich Schnittstellen zu bestehenden europäischen und nationalen Gesetzen, aber auch zu freiwilligen Industrie-Vereinbarungen und Produktkennzeichnungen.
Aus inhaltlichen Überschneidungen ergibt sich die Möglichkeit, das vorhandene Wissen und auch das im Rahmen von REACH in Zukunft neu verfügbare Wissen gemeinsam zu nutzen.
Aufgabenstellung des Projektes ist es, solche Schnittmengen herauszuarbeiten sowie mögliche Synergien und eventuelle Hemmnisse zu identifizieren. Ziel ist es, Vorschläge für Umsetzungshilfen der anstehenden Aufgaben zu entwickeln und mit den interessierten Fachkreisen zu diskutieren.

Ergebnisse des FuE-Projektes „Schnittstellen zwischen REACH und anderen produktbezogenen Regelungen"(FKZ: 206 67 460 / 04)
REACH Schnittstellen Endbericht        REACH Schnittstellen Zusammenfassung

Karzinogene, mutagene, reproduktionstoxische (CMR) und andere problematische Stoffe in Produkten – Identifikation relevanter Stoffe und Erzeugnisse, Überprüfung durch Messungen, Regelungsbedarf im Chemikalienrecht > http://www.umweltbundesamt.de/uba-info-medien/4092.html
Fritz Kalberlah, Markus Schwarz, Dirk Bunke, Johanna Wurbs (2010): Schadstoffbelastete Erzeugnisse im Verbraucherbereich: Wird REACH zu Verbesserungen führen? Umweltwissenschaften und Schadstoff-Forschung – Zeitschrift für Umweltchemie und Ökotoxikologie, Springer, Berlin, Heidelberg. Jg. 22, S.188-204.

Besonders besorgniserregende Stoffe in Bauprodukten
Internetseite zur neuen Bauproduktenverordnung

Presse-Information: Gefährliche Stoffe in Bauprodukten – zukünftig leichter zu erkennen

Schnittstelle zum Trinkwasserschutz
Die Trinkwasserrichtlinie 98/83/EG kennt für Wasser für den menschlichen Gebrauch zwei Ansätze zum Schutz der menschlichen Gesundheit vor Chemikalien: (1) den toxikologischen Ansatz nach dem eine Stoffkonzentration aus der sich eine potentielle Gesundheitsgefährdung ergibt verboten ist und (2) das Verschlechterungsverbot nach dem ein allgemeines Verbot jeglichem Anstieges der Verschmutzung von Trinkwasserressourcen vorliegt. In der deutschen TrinkwV 2001 §6 (3) wird diesem Verschlechterungsverbot entsprochen, indem die Konzentration von Verunreinigungen im Wasser für den menschlichen Gebrauch so weit wie derzeit möglich mit vertretbarem Aufwand zu minimieren ist.

Die REACH-Verordnung verfolgt den toxikologischen Ansatz, denn die mögliche Stoffaufnahme durch den Menschen, durch direkten Kontakt und/oder eine indirekte ⁠Exposition⁠ über belastete Umweltkompartimente (man via the environment), darf laut REACH-VO einen toxikologisch unbedenklichen Schwellenwert nicht überschreiten. Der Wert dieser Aufnahmemenge muss durch die registrierenden Unternehmen abgeleitet werden und nennt sich DNEL (Derived No-Effect Level) (Anhang I, 1.4. REACH-VO). Die Verpflichtung zur Bestimmung eines DNEL, sowie zum Abschätzen der zu erwartenden tatsächlichen Exposition des Menschen, ist u.a. abhängig von der zu registrierenden Stoffmenge und könnte sich auch aus der Rohwasserrelevanz heraus ergeben.

Siehe auch Rohwasserrelevanz >

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