Hintergrundpapier: Bromierte Flammschutzmittel
Bromierte Flammschutzmittel sind mit einer breiten Palette von Kunststoffen gut kombinierbar und relativ kostengünstig. Viele Hersteller setzen die Stoffe daher in Elektro- und Elektronikgeräten, Textilien oder Bauprodukten ein. Etliche der bromierten Flammschutzmittel sind jedoch in der Umwelt nur schwer abbaubar und reichern sich in Lebewesen an. Im Brandfall und bei unkontrollierter Entsorgung bilden sie korrosive Rauchgase, die hochgiftige Dioxine und Furane enthalten können.
Die drei am häufigsten verwendeten bromierten Flammschutzmittel waren im Jahr 2008 Tetrabrombisphenol A (TBBPA), Decabromdiphenylether (DecaBDE) und Hexabromcyclododecan (HBCD). Alle drei Chemikalien sind in der entlegenen Polarregion und der Muttermilch nachweisbar und sollten aus Sicht des Umweltbundesamtes nicht eingesetzt werden. Darüber hinaus sind sie in unterschiedlichem Maß giftig für Gewässerorganismen und haben möglicherweise langfristig schädliche Wirkungen auf Mensch oder Umwelt. Für die meisten Anwendungen dieser Flammschutzmittel gibt es sinnvolle Alternativen. Das Presse-Hintergrundpapier des UBA "Bromierte Flammschutzmittel – Schutzengel mit schlechten Eigenschaften?" (April 2008) stellte die wichtigsten Fakten zu bromierten Flammschutzmitteln zusammen.
Seitdem wurde HBCD unter der Chemikalienverordnung REACH (EG Nr. 1907/2006) im Oktober 2008 als besonders besorgniserregender Stoff (SVHC) identifiziert und seine Verwendung wird durch Aufnahme in den Anhang XIV von REACH in der Europäischen Union ab dem 21. August 2015 zulassungspflichtig.
DecaBDE wurde zunächst durch die RoHS-Richtlinie (RL 2002/95/EG) in Elektro- und Elektronikgeräten verboten. Unter der Chemikalienverordnung REACH wurde es im Dezember 2012 zudem als besonders besorgniserregender Stoffe (SVHC) identifiziert und 2017 mit der Verordnung (EU) 2017/227 der EU-Kommission ebenfalls in den Anhang XIV von REACH aufgenommen. DecaBDE darf damit ab dem 2.März 2019 als Stoff selbst weder hergestellt noch in Verkehr gebracht werden.
Fachpapier: Decabromdiphenylether in Elektro- und Elektronikgeräten
Das Flammschutzmittel Decabromdiphenylether (DecaBDE) durfte bereits ab dem 1. Juli 2008 in der Europäischen Union nicht mehr in neu auf den Markt gebrachten Elektro- und Elektronikgeräten enthalten sein. Dieses Urteil fällte der Europäische Gerichtshof am 1. April 2008 in einem Gerichtsverfahren, das Dänemark und das Europäische Parlament gegen die Europäische Kommission angestrengt hatten. Die Entscheidung gab den Klägern auf voller Linie recht, die die Berücksichtigung der ausreichend vorhandenen, umweltverträglicheren Ersatzstoffe gefordert hatten.
Das Urteil traf mit DecaBDE eines der weltweit meistverwendeten bromierten Flammschutzmittel. Es kommt zu rund 80 Prozent in Elektro- und Elektronikgeräten zum Einsatz. Wegen seiner weiten Verbreitung in der Umwelt und der nicht hinreichend geklärten Unbedenklichkeit forderte das Umweltbundesamt (UBA) seit vielen Jahren den Verzicht auf seine Verwendung.
DecaBDE wurde zunächst mit der Richtlinie 2002/95/EG zur „Beschränkung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten“ (RoHS) zum 1. Juli 2006 verboten, dann jedoch von der Europäischen Kommission wieder zugelassen. Gegen diese Entscheidung haben das EU-Parlament und Dänemark beim europäischen Gerichtshof Klage eingelegt. Es sind ausreichend weniger schädliche Flammschutzmittel am Markt vorhanden und viele Unternehmen verzichten schon seit Jahren auf den Einsatz von DecaBDE. Das Umweltbundesamt unterstützte die Klage von EU-Parlament und Dänemark.
In dem Fachpapier "Bromierte Flammschutzmittel in Elektro- und Elektronikgeräten: Das Flammschutzmittel Decabromdiphenylether (DecaBDE) ist durch umweltverträgliche Alternativen ersetztbar" (Februar 2007) informierte das UBA über die politischen und rechtlichen Zusammenhänge dieser Klage, den aktuellen Kenntnisstand der Umwelt- und Gesundheitsauswirkungen von DecaBDE sowie die möglichen Ersatzstoffe.
Im Dezember 2012 wurde DecaBDE zudem unter der Europäischen Chemikalienverordnung REACH als besonders besorgniserregender Stoff (SVHC) identifiziert und darf, wie bereits erwähnt weder bei der Produktion verwendet noch in Verkehr gebracht werden (siehe oben).
Forschungsprojekt: Substitution umweltrelevanter Flammschutzmittel
Ziel des Gesundheits- und Umweltschutzes ist es, problematische Flammschutzmittel durch weniger problematische Flammschutzmittel oder durch nicht brennbare Materialien sowie veränderte Produktkonstruktionen zu ersetzen. Hierzu ist eine genaue Kenntnis der relevanten Flammschutzmittel, das heißt ihrer Einsatzmengen und Verwendungsmuster, ihrer toxikologischen und ökotoxikologischen Eigenschaften und ihrer technischen Eignung, notwendig. Darüber hinaus müssen diese Eigenschaften auch für die potenziellen Ersatzstoffe und -verfahren bekannt sein, damit beispielsweise nicht ein problematischer Stoff durch einen anderen problematischen Stoff ausgetauscht wird.
In dem Forschungsvorhaben "Erarbeitung von Bewertungsgrundlagen zur Substitution umweltrelevanter Flammschutzmittel" von 2001 wurden diese Fragen für 13 nach Mengenrelevanz, (öko)toxikologischer und technischer Bedeutung ausgewählte Flammschutzmittel geklärt und Empfehlungen für ihren Einsatz gegeben. Bei der Auswahl wurde auf eine große Bandbreite verschiedener chemischer Zusammensetzungen und Einsatzmöglichkeiten geachtet.
In Band I: "Ergebnisse und zusammenfassende Übersicht" wurden Kriterien zur Bewertung der Flammschutzmittel entwickelt, die sich unter anderem auf die Toxikologie/Ökotoxikologie, die Kreislauffähigkeit und die Substitutions- beziehungsweise Minderungspotenziale beziehen. Danach erfolgte eine Stoffbewertung der 13 Flammschutzmittel auf der Grundlage dieses Bewertungsschemas. Zuletzt wurden für ausgewählte Produkte der Stand der Technik beim Einsatz von Flammschutzmitteln, der aktuelle Trend und die möglichen Alternativen zusammengefasst.
In Band II: "Flammhemmende Ausrüstung ausgewählter Produkte – anwendungsbezogene Betrachtung: Stand der Technik, Trend, Alternativen" erfolgte die ausführliche Darstellung der ausgewählten Produktgruppen: Schienenfahrzeuge (Innenausbau und Außenteile aus UP-Harzen), Bauprodukte (Dämm- und Montageschäume aus Polyurethan), Kunststoffe in Elektro- und Elektronikgeräten (Übersicht, duroplastische Leiterplatten, thermoplastische Außengehäuse), Textilien (Bezugsstoffe für Polstermöbel, Matratzen). Alternativen zu den eingesetzten Flammschutzmitteln wurden angegeben, wobei es sich neben stofflichen Alternativen auch um Veränderungen in der Konstruktion der Geräte oder um die Absenkung teilweise unnötig hoher Brandschutzanforderungen handelt.
In Band III: "Toxikologisch-ökotoxikologische Stoffprofile ausgewählter Flammschutzmittel" sind die ausführlichen Stoffprofile der 13 untersuchten Flammschutzmittel dargestellt. Die dort angegebenen Daten bildeten die Grundlage der in Band I durchgeführten Stoffbewertungen.
Nach Abschluss des Forschungsprojektes veranstaltete das Umweltbundesamt drei produktspezifische Workshops (Leiterplatten, IT- und TV-Außengehäuse, Dämm- und Montageschäume) über die erarbeiteten "Maßnahmenvorschläge zur Substitution umweltrelevanter Flammschutzmittel". Eingeladen waren jeweils Experten aus der gesamten Hersteller- und Anwenderkette um die Maßnahmenvorschläge und aktuelle Trends zu diskutieren.
Forschungsprojekt: Emissionen von Flammschutzmitteln aus Produkten
Analysen von Hausstaub zeigen teilweise hohe Gehalte an Flammschutzmitteln. Erste Anhaltspunkte, inwieweit diese aus Gebrauchsgegenständen in der Wohnumwelt stammen könnten, liefert das Forschungsprojekt "Emissionen von Flammschutzmitteln aus Bauprodukten und Konsumgütern" (2003). Dämm- und Montageschäume, IT-Geräte, Polstermöbel und Matratzen wurden in Emissionsprüfkammern auf Ausgasungen von Flammschutzmitteln untersucht. Bei den betrachteten Flammschutzmitteln handelt es sich um verschiedene bromierte Flammschutzmittel, halogenierte und halogenfreie phosphororganische Verbindungen sowie chlorierte Paraffine.
Forschungsprojekt: Analyseverfahren für Penta- und Octabromdiphtenylether in Erzeugnissen
Die Flammschutzmittel Pentabromdiphenylether (PentaBDE) und Octabromdiphenylether (OctaBDE) wurden im Jahr 2003 durch die europäische Richtlinie 2003/11/EG verboten. Stoffe, Zubereitungen und Erzeugnisse mit einem Gehalt von mehr als 0,1 Gewichtsprozent PentaBDE oder OctaBDE dürfen nicht mehr in den Verkehr gebracht oder verwendet werden. Die Umsetzung des Stoffverbots in deutsches Recht erfolgte durch die Chemikalienverbotsverordnung zum 30. Juni 2004. Inzwischen sind Tetra-, Penta-, Hexa- und HeptaBDE durch die Europäische POP-Verordnung (EG Nr. 850/2004) beschränkt, das Verbot von OctaBDE findet sich in Anhang XVII der REACH-Verordnung beziehungsweise für Elektro- und Elektronikgeräte in der RoHS-Richtlinie.
Zur Überprüfung des Stoffverbots sind geeignete Analyseverfahren notwendig. Daher hat das Umweltbundesamt im Rahmen eines Forschungsprojekts eine "Analysemethode für PentaBDE und OctaBDE in Erzeugnissen" (2005) entwickeln lassen, mit deren Hilfe sich der Grenzwert kontrollieren lässt. Die Methode wurde in einem internationalen Ringversuch validiert.