Unsere Umwelt ist einer Vielzahl von menschengemachten Chemikalien ausgesetzt. Eine Sonderrolle nehmen dabei die Pflanzenschutzmittel ein. Diese werden zwar zum Schutz der Kulturpflanzen eingesetzt, haben jedoch schädliche Auswirkungen auf weitere Pflanzen und Tiere. Keine andere Stoffgruppe wird so gezielt und in so großem Umfang offen in die Umwelt ausgebracht.
Das europäische und deutsche Pflanzenschutzrecht gewährleisten, dass nur Pflanzenschutzmittel auf den Markt kommen, deren Umweltauswirkungen als akzeptabel bewertet werden. Diese Umweltprüfung erfolgt im Rahmen des Zulassungsverfahrens durch das UBA.
Im Jahr 2023 waren 1.047 Pflanzenschutzmittel Diese Mittel sind Stoffgemische aus einem oder mehreren Wirkstoffen sowie Beistoffen.
Die Anzahl der in zugelassenen Pflanzenschutzmitteln verwendeten Wirkstoffe ist seit 2000 relativ stabil geblieben. 2023 kamen insgesamt 278 Wirkstoffe zum Einsatz.
(siehe Abb. „Zahl zugelassener Pflanzenschutzmittel und Wirkstoffe“).
Zahl zugelassener Pflanzenschutzmittel und Wirkstoffe Quelle: Bundesamt für Verbraucherschutz und LebensmittelsicherheitDiagramm als PDF
Bislang gibt es keine systematische Erfassung der tatsächlich ausgebrachten Pflanzenschutzmittelmengen. Die Verkaufszahlen geben jedoch einen Anhaltspunkt:
Der jährliche Absatz von Pflanzenschutzmitteln in der deutschen Landwirtschaft bewegt sich seit Mitte der 1990er Jahre zwischen 25.000 und 35.000 Tonnen (t) Wirkstoff, zuletzt mit einem Rückgang in 2023 (ohne Berücksichtigung der im Vorratsschutz eingesetzten inerten Gase). Insbesondere der Verkauf problematischer Wirkstoffe steigt jedoch. Die Gruppe der Herbizide macht mit rund 50 Prozent den größten Anteil an den abgegebenen Pflanzenschutzmitteln (ohne inerte Gase) aus.
Die erheblichen Schwankungen lassen sich zum Teil durch wechselnde Witterungsbedingungen und Markteffekte erklären. 2023 sank der Absatz um 21 Prozent im Vergleich zu 2022 und um 15 Prozent gegenüber dem Durchschnitt der Jahre 2020 bis 2022. Zuvor hatten erhebliche Preisanstiege (durchschnittlich plus 20 Prozent) sowie global begrenzte Verfügbarkeiten für Agrochemikalien zunächst zu einer stark erhöhten Nachfrage in den Jahren 2021/2022 geführt. Inwiefern der aktuelle Rückgang eine Folge der Bevorratung in 2022 ist oder auch einen langfristigen Trend darstellt, können erst die Absatzzahlen der kommenden Jahre zeigen.
Detaillierte Informationen zum Absatz von Pflanzenschutzmitteln werden vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) herausgegeben.
(siehe Abb. „Inlandsabsatz einzelner Wirkstoffgruppen in Pflanzenschutzmitteln“ und Tab. „Inlandsabsatz von Pflanzenschutzmitteln“).
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* zum Beispiel Kohlendioxid; inert = wenig reaktionsfreudig; Einsatz in geschlossenen Räumen/Lagerungsbehältern
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL): Absatz an Pflanzenschutzmitteln in der Bundesrepublik Deutschland. Ergebnisse der Meldungen gemäß § 64 (früher § 19) Pflanzenschutzgesetz
Inlandsabsatz einzelner Wirkstoffgruppen in Pflanzenschutzmitteln Quelle: Umweltbundesamt mit Daten des Bundesamts für Verbraucherschutz und LebensmittelsicherheitDiagramm als PDF
Tab: Inlandsabsatz von Pflanzenschutzmitteln Quelle: Umweltbundesamt mit Daten des Bundesamts für Verbraucherschutz und LebensmittelsicherheitTabelle als PDF
Aus den Verkaufszahlen der Pflanzenschutzmittel kann nicht unmittelbar auf deren Verbrauch geschlossen werden, da die ausgebrachten Mengen je nach Art des Anbaus und der Fruchtfolge sowie der lokale Bedingungen erheblich variieren. Außerdem werden die Präparate unter Umständen über mehrere Jahre gelagert. Auf die landwirtschaftliche Nutzfläche von Ackerland und Dauerkulturen umgerechnet ergibt sich aus dem Absatz von 2023 durchschnittlich eine Verwendung von 6,4 Kilogramm Pflanzenschutzmitteln beziehungsweise bzw. 2,1 Kilogramm Wirkstoff je Hektar (bei rund 11,9 Millionen Hektar Ackerland und Dauerkulturen gemäß Statistischem Bundesamt). Im „Panel Pflanzenschutzmittel-Anwendungen“ (PAPA) besteht für eine Auswahl relevanter Kulturpflanzen (Winterweizen, Wintergerste, Winterroggen, Mais, Kartoffeln, Zuckerrüben, Tafelapfel, Hopfen und Wein) ein Netz an landwirtschaftlichen Erhebungsbetrieben. Diese erfassen detailliert die jährlich tatsächlich ausgebrachten Mengen an chemischen Pflanzenschutzmitteln und übermitteln diese anonymisiert an das Julius Kühn-Institut (JKI). Ab 2028 erfolgt eine systematische digitalisierte Nutzungserfassung der Anwendungsdaten. Grundlage hierfür schuf die Überarbeitung der europäischen Verordnung zu Statistiken von landwirtschaftlichen Betriebsmitteln (SAIO-Verordnung, EU 2022/2379).
Funde von Pflanzenschutzwirkstoffen im Grundwasser
Kaum ein Wirkstoff wird sofort in der Umwelt abgebaut. Rückstände verbleiben zum Teil längerfristig im Boden, in Gewässern und im Grundwasser. Während für Grundwasser und Oberflächengewässer Daten zur Verfügung stehen, fehlen umfassende Boden- und Luftmonitoringdaten bisher. Voraussichtlich werden auch hier in den nächsten Jahren Monitoringdaten kommen (siehe auch: Bodenlebewesen werden durch Pflanzenschutzmittel gefährdet und Pflanzenschutzmittel – vom Winde verweht).
Häufigkeitsverteilung der Funde von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen und ihren relevanten Metaboliten Quelle: Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA)Diagramm als PDF
Pflanzenschutzmittelwirkstoffe und deren Abbauprodukte im Grundwasser
Pflanzenschutzmittelwirkstoffe und deren Abbauprodukte (Metaboliten) werden trotz mittlerweile abnehmender Tendenzen immer noch häufig im Grundwasser gefunden Die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) gibt in mehrjährigen Abständen Berichte zur Grundwasserbeschaffenheit und der Belastung mit Wirkstoffen und Metaboliten heraus. Der aktuelle Bericht (LAWA 2024) zeichnet folgendes Bild:
Zwischen 2017 und 2021 überschritten noch etwa 3,6 Prozent der Proben im oberflächennahen Grundwasser den jeweiligen gesetzlichen Grenzwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter (µg/l) für Wirkstoffe und relevante Metaboliten (siehe „Häufigkeitsverteilung der Funde von Pflanzenschutzwirkstoffen und ihren relevanten Metaboliten in oberflächennahen Grundwassermessstellen“). Der Rückgang der Grundwasserbelastungen ist dabei wesentlich auf abnehmende Fundhäufigkeiten von Atrazin, Desethylatrazin und einigen wenigen anderen Wirkstoffen sowie deren Metaboliten zurückzuführen, deren Anwendung bereits seit Jahren oder sogar Jahrzehnten verboten ist.
Bei den Abbauprodukten wird in relevante und nicht relevante Metaboliten unterteilt. Nicht relevante Metaboliten (nrM) wurden in den letzten Jahren immer häufiger im Grundwasser gefunden. Trotz der Bezeichnung können sie sich schädlich auf Ökosysteme auswirken. Zwischen 2017 und 2021 wurden an 72 Prozent aller Grundwassermessstellen solche Metaboliten nachgewiesen (im vorherigen Berichtszeitraum 2013 bis 2016 an ca. 58 Prozent), teils in Konzentrationen oberhalb der gesundheitliche Orientierungswerte. Vor allem die nrM der Wirkstoffe Metazachlor, S-Metolachlor, Chlorthalonil und Dimethachlor weisen aufgrund ihrer relativ hohen Fundhäufigkeit eine große Bedeutung für das Grundwasser auf (siehe auch: Nicht relevant? Abbauprodukte von Pflanzenschutzmitteln als Risiko für das Grundwasser und Nicht relevante Metaboliten von Pflanzenschutzmitteln).
Zudem wurde der Stoff Trifluoracetat (TFA), der seit Anfang 2024 aufgrund fortpflanzungsgefährdender Erkenntnisse als relevanter Metabolit bewertet wird, nahezu flächendeckend im Grundwasser in Deutschland nachgewiesen.
Die Entwicklung zeigt, dass die Anstrengungen zum Grundwasserschutz fortgeführt werden müssen. Insbesondere viele der nicht relevanten Metaboliten werden dennoch nicht standardmäßig bestimmt, da verbindliche Regelungen fehlen.
Funde nicht relevanter Metaboliten an deutschlandweiten Messstellen, differenziert nach Konzentratio Quelle: UmweltbundesamtDiagramm als PDF
Rückstände von Pflanzenschutzwirkstoffen in oberirdischen Gewässern
In Oberflächengewässern wird die Belastung mit Pflanzenschutzmitteln derzeit nur im Gewässermonitoring zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie systematisch erhoben.
Kleine, unmittelbar an Felder angrenzende Gewässer wurden in Studien im Rahmen des sogenannten Kleingewässermonitorings untersucht. Ergebnisse zeigen, dass die tatsächliche Pflanzenschutzmittel-Belastung häufig um einiges höher ist als in der Zulassung angenommen und als akzeptabel eingeschätzt.
Insbesondere nach Regen werden Pflanzenschutzmittel in hohen Konzentrationen in angrenzende Bäche gespült. Dies führt zu kurzzeitigen Belastungsspitzen in den Gewässern, die Auswirkungen auf die Gewässerlebewesen haben.
Unter Berücksichtigung dieser Belastungsspitzen wurden an über 60 % der untersuchten Gewässerabschnitte die regulatorisch akzeptablen Konzentrationen (RAK) von mindestens einem Pflanzenschutzwirkstoff zwischen April und Juli überschritten, an gut zwei Drittel der Standorte sogar von mehreren Stoffen (siehe Abb. „Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in kleinen Gewässern der Agrarlandschaft“).
Weitere Informationen zu Pflanzenschutzmitteln und ihrem Zulassungsverfahren sowie Maßnahmen zur Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft finden Sie im Artikel „Pflanzenschutzmittel“ auf unseren Themenseiten.
Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in kleinen Gewässern der Agrarlandschaft Quelle: Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung / Umweltbundesamt / Liess et al.Diagramm als PDF
„Für Mensch und Umwelt“ ist der Leitspruch des UBA und bringt auf den Punkt, wofür wir da sind. In diesem Video geben wir Einblick in unsere Arbeit.
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