BEREITS AUFGETRETENE UND ERWARTETE KLIMAÄNDERUNGEN
Rheinland-Pfalz ist durch ein westeuropäisch-atlantisches Klima geprägt, das sich durch milde Winter, gemäßigte Sommer und hohe jährliche Niederschlagsmengen kennzeichnet. Aufgrund der Topografie treten innerhalb des Landes jedoch starke räumliche Unterschiede auf. Die wärmsten Regionen sind der Oberrheingraben sowie die großen Flusstäler und Becken von Rhein und Mosel. In den wärmsten Regionen ist es im Jahresmittel um mehr als 4 °C wärmer als in den kältesten Regionen, welche sich in den Höhenlagen von Eifel, Westerwald und Hunsrück befinden. Im Zeitraum von 1881 bis 1910 betrug die Jahresmitteltemperatur 8,1 °C, in den zurückliegenden 30 Jahren 9,7 °C. Damit ist die Temperatur in dem betrachteten Zeitraum um 1,6 °C angestiegen. Die Erwärmung ist in allen Naturräumen und Höhenlagen ähnlich stark. Die mittlere Anzahl der Sommertage (15 d) und auch der heißen Tage (5 d) ist stark ansteigend. Der Anteil der Frost- und Eistage ist landesweit rückläufig, allerdings mit großen Unterschieden von Jahr zu Jahr.
Seit Beginn der Messungen hat der Jahresniederschlag in Rheinland-Pfalz nur leicht zugenommen, von 739 l/m² in der Periode 1881 bis 1910 auf 779 l/m² in der Periode 1991 bis 2020. Es zeigt sich eine deutliche Abnahme der Sommerniederschläge und eine deutliche Zunahme der Winterniederschläge. Die Niederschläge in Herbst und Frühjahr nehmen leicht zu, ihr Anteil am Gesamtjahresniederschlag bleibt aber nahezu unverändert. Die Klimaveränderung ist inzwischen so deutlich, dass Auswirkungen auf die Natur zu erkennen sind. Die Wachstumsphasen werden immer länger und der Frühling beginnt deutlich früher. Das führt zu Veränderungen in der Pflanzenphänologie sowie Artenvielfalt und hat Konsequenzen für Land- und Forstwirtschaft.
LÄNDERSPEZIFISCHE KLIMAMODELLE UND KLIMAPROJEKTIONEN
Rheinland-Pfalz nutzt seit 2020 für die Analyse des zukünftigen Klimas ein Ensemble von dynamischen Klimaprojektionen. Das Ensemble ist mit dem Bund-Länder-Fachgespräch „Interpretation von Klimamodelldaten“ abgestimmt. Die Auswahl erfolgte mittels eines objektiven Audit-Verfahrens. Dieses prüft die Plausibilität der Klimaprojektionen in der Vergangenheit gegenüber einem Referenzdatensatz von Messdaten. Kriterien sind die Wiedergabe von Mittelwerten, Jahresgängen und räumlicher Muster. Darüber hinaus finden im KLIWA-Projekt noch vier statistische Klimaprojektionen Anwendung. Für die Analyse der zukünftigen Entwicklung von Starkregenereignissen und der Regenerosivität stehen sechs hochauflösende, konvektionserlaubende Klimaprojektionen zur Verfügung.
Dynamisches Downscaling (EURO-CORDEX und Reklies-De, 5km mit Bias-Adjustierung des DWDs*)
RCP8.5 – Ensemble des BLFG “Interpretation regionaler Klimamodelldaten“**
EC-EARTH_r1i1p1_KNMI-RACMO2 (hydrologisches Deutschland, 1971-2100)
EC-EARTH_r12i1p1_CCLM4-8-17 (hydrologisches Deutschland, 1971-2100)
EC-EARTH_r12i1p1_KNMI-RACMO2 (hydrologisches Deutschland, 1971-2100)
EC-EARTH_r12i1p1_SMHI-RCA4 (hydrologisches Deutschland, 1971-2100)
MIROC5_r1i1p1_CCLM4-8-17 (hydrologisches Deutschland, 1971-2100)
MPI-ESM_r1i1p1_CCLM4-8-17 (hydrologisches Deutschland, 1971-2100)
MPI-ESM_r1i1p1_SMHI-RCA4 (hydrologisches Deutschland, 1971-2100)
HadGEM2_r1i1p1_WRF361H (hydrologisches Deutschland, 1971-2100)
MPI-ESM_r1i1p1_WRF361H (hydrologisches Deutschland, 1971-2100)
EC-EARTH_r1i1p1_WRF361H (hydrologisches Deutschland, 1971-2100)
RCP4.5 – Simulationsläufe, deren Referenzzeitraum positiv auditiert*** wurde
EC-EARTH_r1i1p1_KNMI-RACMO2 (hydrologisches Deutschland, 1971-2100)
EC-EARTH_r12i1p1_CCLM4-8-17 (hydrologisches Deutschland, 1971-2100)
EC-EARTH_r12i1p1_KNMI-RACMO2 (hydrologisches Deutschland, 1971-2100)
EC-EARTH_r12i1p1_SMHI-RCA4 (hydrologisches Deutschland, 1971-2100)
MPI-ESM_r1i1p1_CCLM4-8-17 (hydrologisches Deutschland, 1971-2100)
MPI-ESM_r1i1p1_SMHI-RCA4 (hydrologisches Deutschland, 1971-2100)
RCP2.6 – Simulationsläufe, deren Referenzzeitraum positiv auditiert*** wurde
EC-EARTH_r12i1p1_CCLM4-8-17 (hydrologisches Deutschland, 1971-2100)
EC-EARTH_r12i1p1_KNMI-RACMO2 (hydrologisches Deutschland, 1971-2100)
EC-EARTH_r12i1p1_SMHI-RCA4 (hydrologisches Deutschland, 1971-2100)
MIROC5_r1i1p1_CCLM4-8-17 (hydrologisches Deutschland, 1971-2100)
MPI-ESM_r1i1p1_SMHI-RCA4 (hydrologisches Deutschland, 1971-2100)
MPI-ESM_r1i1p1_WRF361H (hydrologisches Deutschland, 1971-2100)
* Brienen S, Walter A, Brendel C, Fleischer C, Ganske A, Haller M, Helms M, Höpp S, Jensen C, Jochumsen K, Möller J, Krähenmann S, Nilson E, Rauthe M, Razafimaharo C, Rudolph E, Rybka H, Schade N, Stanley K. (2020): Klimawandelbedingte Änderungen in Atmosphäre und Hydrosphäre: Schlussbericht des Schwerpunktthemas Szenarienbildung (SP-101) im Themenfeld 1 des BMVI-Expertennetzwerks. 157 Seiten. DOI: 10.5675/ExpNBS2020.2020.02
** Linke, C. et al, 2020: Leitlinien zur Interpretation regionaler Klimamodelldaten des Bund-Länder-Fachgespräches „Interpretation regionaler Klimamodelldaten“, Potsdam, Nov.2020
*** Bayerisches Landesamt für Umwelt, 2020: UmweltSpezial, „Das bayerische Klimaprojektionsensemble – Audit und Ensemblebildung“, Augsburg, 2020, Das Bayerische Klimaprojektionsensemble - Audit und Ensemblebildung
Statistisches Downscaling
CanESM2_r1i1p1_Episodes2018 (Deutschland, 1961-2100, RCP 8.5)
EC-EARTH_r12i1p1_Episodes2018 (Deutschland, 1961-2100, RCP 8.5)
HadGEM2_r1i1p1_WETTREG2018 (Deutschland, 1961-2100, RCP 8.5)
MPI-ESM_r1i1p1_WETTREG2018 (Deutschland, 1961-2100, RCP 8.5)
Konvektionserlaubende Simulationen:
CCLM5.0 (2,8 km, convection permitting) für Süd-Deutschland (Antrieb: ECHAM 6 - RCP8.5; 3 Zeitscheiben: 1971-2000, 2021-2050, 2071-2100)
CCLM5.0 (2,8 km, convection permitting) für Süd-Deutschland (Antrieb: MPI-ESM-LR - RCP8.5; 3 Zeitscheiben: 1971-2000, 2021-2050, 2071-2100)
CCLM5.0 (2,8 km, convection permitting) für Süd-Deutschland (Antrieb: HadGem2 - RCP8.5; 3 Zeitscheiben: 1971-2000, 2021-2050, 2071-2100)
CCLM5.0 (2,8 km, convection permitting) für Süd-Deutschland (Antrieb: EC-Earth - RCP8.5; 3 Zeitscheiben: 1971-2000, 2021-2050, 2071-2100)
CCLM5.0 (2,8 km, convection permitting) für Deutschland (Antrieb: EC-Earth - RCP8.5; 2 Zeitscheiben: 1972-2005, 2071-2100)
CCLM5.0 (3 km, convection permitting) für Deutschland (Antrieb: Miroc5 - RCP8.5; 3 Zeitscheiben: 1971-2000, 2031-2060, 2071-2100)
BEOBACHTETE UND ERWARTETE KLIMAFOLGEN
Landwirtschaft und Weinbau:
Verlängerte Vegetationsperiode, Höhere Variabilität der Witterung (z.B. vernalisationsrelevante Temperaturen werden seltener erreicht, vermehrtes Auftreten von Hitzeschäden), Bedarf an winterfesten Arten geht zurück (reduzierte Frostgefahr, Abnahme der Frostresistenz), Ertragszunahme bei ausreichender Wasserversorgung, wachsender Beregnungsbedarf im Oberrheingebiet, steigender Befallsdruck durch Schaderreger und verstärktes Aufkommen von Schädlingen, neue Pflanzenkrankheiten und Schädlinge (Oberrheingraben als Einwanderungskorridor), Probleme durch Umverteilung niederschlagsreicher Phasen (Infektionsrisiko durch Pilze und Bakterien), Schäden durch Starkniederschläge, Qualität des Riesling; Trend zu Rotweinen/wärmeliebenden Rebsorten (auf Basis des Huglin-Index)
Wald und Forstwirtschaft:
Veränderung der Wuchsdynamik und der Konkurrenzfähigkeit der Arten untereinander, Veränderung der Wuchszonen der Baumarten. In den Tieflagen (planar) können weniger trockenheitstolerante Baumarten aufgrund einer sich ändernden (negativen) Wasserbilanz an ihre Grenzen stoßen. Der Eignungsverlust von einigen Baumarten kann in kollinen Mittelgebirgen zu ökologischen Vorteilen für andere Baumarten führen, indem sich beispielsweise die Konkurrenzverhältnisse verschieben. Die Höhenlagen (submontan und montan) können aufgrund von Temperaturerhöhungen künftig günstigere Standorte für einzelne Baumarten werden. Der allgemein erkennbare Eignungsverlust der Baumarten kann die Vulnerabilität der Waldökosysteme gegenüber baumartenspezifischen Schädlingen oder weiteren Extremereignissen erhöhen (Sturmwurf, Windbruch, Hagel, Trockenperioden).
Wasserwirtschaft:
Kleinere und mittlere Hochwasser haben in Rheinland-Pfalz in den letzten 80 Jahren an einer Mehrzahl der Pegel zugenommen, jedoch zum größten Teil nicht eindeutig. In den letzten 15 Jahren haben sich die zunehmenden Trends abgeschwächt. Die Entwicklung von Niedrigwasserphasen zeigen keinen eindeutigen Trend, nachteilige Änderungen können aber in Verbindung mit Trockenperioden zu Problemen für eine Vielzahl an Akteuren führen z.B. für Binnenschifffahrt, Landwirtschaft, Energiewirtschaft, Trinkwasserversorgung, wachsenden Beregnungsbedarf, Veränderung der Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften im Wasser (Gewässerökologie). Die Grundwasserstände und die Grundwasserneubildung haben in der letzten Dekade tendenziell abgenommen. Es gibt keine signifikante Zunahme von Starkniederschlägen, wenngleich in den vergangenen Jahren einige besonders seltene Ereignisse stattfanden, jedoch können lokale Starkregenereignisse zu Überlastungen kommunaler Kanalnetze führen.
Boden:
Bodenwasserhaushalt: Zunahme von Perioden geringen Wasservorrats im Boden während der Vegetationsperiode (Trockenstressrisiko steigt); besonders betroffen sind Böden mit einer geringen nutzbaren Feldkapazität und grundwasserferne Standorte. Bodenerosion (Regenerosivität): Mit einer Zunahme von Starkregenereignissen wird in Zukunft gerechnet. Die Gefahr für Bodenerosion steigt besonders für Standorte und Kulturen, die eine geringe Bodenbedeckung aufweisen. Saisonale Veränderungen der Niederschlagsmengen (Qualität und Quantität der Grundwasserneubildung, Auftreten von Zwischen- und Oberflächenabfluss). Bodenkohlenstoff: Der Gehalt an organischem Kohlenstoff kann an einigen Standorten aufgrund des Klimawandels abnehmen.
Gesundheit:
Eine zunehmende Häufigkeit, Intensität und Länge von Hitzewellen sowie die Zunahme von Tropennächten führt insbesondere im Oberrheingraben zu einer hohen gesundheitlichen Belastung. Durch neu eingewanderte bzw. verstärkte Vermehrung von Vektoren (vor allem Zecken und Stechmücken) steigt die Gefahr der Übertragung von Krankheiten. Die Pollenflugzeit hat sich verlängert durch einen früheren Frühlingsbeginn und die Neuansiedelung der Beifuß-Ambrosie. Die lufthygienische Belastung verstärkt sich durch Ozon (Veränderung des Strahlungshaushalts in Kombination mit der Erwärmung) und Feinstaub (Zunahme der Länge von Trockenperioden).
Natur- und Artenschutz:
Zunehmende Trockenheit führt zu Bestandsrückgängen der Tier- und Pflanzenarten in Mooren, Sümpfen und Quellgebieten. Weiterhin verändert sich das Artenspektrum durch Wanderbewegungen (Zu- und Abwanderung) und Arealverschiebungen. In den Flusstälern von Rhein, Mosel und Nahe werden künftig mehr Arten als heute erwartet – als Einwanderungswege für mediterrane Arten, die ihre Verbreitungsgrenze nach Norden verschieben, sind sie wichtige Biodiversitätszentren.
Tourismus:
Durch die zunehmend milden Winter und einem deutlichen Rückgang der Schneedeckentage verliert der Wintersporttourismus an Bedeutung. Dagegen steht für Frühjahrs- und Herbst-Aktivitäten, Wanderurlaube (Mandelblüte, Weinlese etc.), Badezeit eine längere Saison zur Verfügung. Die zunehmende Häufigkeit, Intensität und Länge von Hitzewellen kann sich in den besonders belasteten Gebieten des Oberrheingrabens negativ auf die Sommeraktivitäten auswirken. Eine zunehmende Belastung von Badegewässern durch Blaualgen ist möglich.
Schifffahrt:
Sommer: häufigere und längere Niedrigwasserperioden (Verminderung des Tiefganges / Frachtreduzierung), Winter: Schifffahrtsbeschränkungen durch Hochwasser
Energiewirtschaft:
Kühlwasserprobleme im Sommer, Spitzenlast durch Kühlanlagen bei Hitzeperioden. In milden Wintern weniger Energiebedarf.
Finanzwirtschaft:
Die zunehmende Gefährdung durch Extremereignisse (Hagel, Starkregen, Hitze und Trockenheit) verlangt vorsorgende Maßnahmen zum Schutz privaten und öffentlichen Eigentums. Neben baulicher und struktureller Maßnahmen gewinnen Versicherungen zunehmend an Bedeutung (z. B. Erweiterte Elementarschadenversicherung).
Räumliche Planung:
Kommunale Anpassung an den Klimawandel wird dringlicher hinsichtlich Schutz vor Hochwasser und Starkregen, Sicherung der Grundwasserspeicher, Schutz vor Hitze an Arbeits- und Wohnorten, Erhalt der biologischen Vielfalt und Schutz vor gesundheitsgefährdenden Tier- und Pflanzenarten.