RO-R-4: Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für besondere Klimafunktionen

Das Bild zeigt den Blick in den Talkessel von Stuttgart hinein. Im Bildvordergrund sind Weinberge und Waldstücke zu erkennen, die Siedlungs- und Gewerbeflächen sieht man im Mittel- und Hintergrund.zum Vergrößern anklicken
Im Stuttgarter Umland entsteht Kaltluft nachts über Wiesen/Weinberge und fließt in die Innenstadt.
Quelle: Manuel Schönfeld / stock.adobe.com

Monitoringbericht 2019 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel

Inhaltsverzeichnis

 

RO-R-4: Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für besondere Klimafunktionen

Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für besondere Klimafunktionen sind ein noch junges Instrument der ⁠Raumordnung⁠. Diese Gebietskategorie kommt daher bislang deutschlandweit erst in fünf Planungsregionen zur Anwendung.

Eine Linie stellt die Fläche der Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für besondere klimatische Funktionen in Form von indexierten Werten dar. Das Jahr 2009 ist auf 100 gesetzt. Es gibt keinen Trend. Bis 2011 gibt es einen deutlichen Anstieg, danach bleiben die Werte bei 300, 2017 etwas darunter. Zusätzlich sind in einer Säulenreihe die Anteile der Planungsregionen mit Vorrang- und Vorbehaltsgebieten für besondere klimatische Funktionen in Prozent abgebildet. Es gibt auch hier keinen Trend. Die Werte liegen seit
RO-R-4: Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für besondere Klimafunktionen

Eine Linie stellt die Fläche der Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für besondere klimatische Funktionen in Form von indexierten Werten dar. Das Jahr 2009 ist auf 100 gesetzt. Es gibt keinen Trend. Bis 2011 gibt es einen deutlichen Anstieg, danach bleiben die Werte bei 300, 2017 etwas darunter. Zusätzlich sind in einer Säulenreihe die Anteile der Planungsregionen mit Vorrang- und Vorbehaltsgebieten für besondere klimatische Funktionen in Prozent abgebildet. Es gibt auch hier keinen Trend. Die Werte liegen seit 2011 unverändert bei knapp 4,5 Prozent.

Quelle: Bundesinstitut für Bau- Stadt- und Raumforschung (ROPLAMO - Raumordnungsplan-Monitor)
 

Freihalten von wichtigen Flächen für das lokale Klima

In Städten bzw. Ballungsräumen mit einer hohen Siedlungsdichte und einem hohen Versiegelungsgrad werden oft deutlich höhere Durchschnittstemperaturen und höhere Spitzentemperaturen gemessen als im umgebenden Umland – ein Effekt, der auch als städtische ⁠Wärmeinsel⁠ bezeichnet wird. Die Intensität des Wärmeinseleffekts nimmt mit steigender Einwohnerzahl zu. In Städten mit rund 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern beträgt der Temperaturunterschied zwischen Stadt und Umland bis zu 6 °C, für die Millionenstadt Köln wurden 2012 am Ende einer Strahlungsnacht über 10 °C nachgewiesen. In Abhängigkeit von den natürlichen bioklimatischen Bedingungen (geografische Lage, Höhenlage etc.) kann es in den Sommermonaten zu verstärkten Wärmebelastungen im Vergleich zum Umland kommen, die sich durch den ⁠Klimawandel⁠ zukünftig verstärken können. Insbesondere die langsame Abkühlung des Stadtraums abends und in der Nacht kann den Einwohnerinnen und Einwohnern Schwierigkeiten bereiten, wenn aufgrund hoher Temperaturen keine erholsame Nachtruhe möglich ist.

Die Regionalplanung kann dieser projizierten Zunahme von bioklimatischen Belastungssituationen entgegenwirken, indem sie klimatisch bedeutsame großräumige Freiflächen, auf denen sich Kalt- und Frischluft sammeln und in die städtischen Räume gelangen kann, als Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für besondere Klimafunktionen ausweist und mit lokalen Grünflächen vernetzt. Sie kann dadurch Flächennutzungen verhindern, die dieser Zielstellung zuwiderlaufen. Die Planung kann aber auch Gebiete ausweisen, in denen aufgrund der lokalen Verhältnisse ein besonderer Handlungsbedarf besteht, bioklimatische Belastungen zu verringern.

Bislang erfolgt die Ausweisung von Vorrang- und Vorbehaltsgebieten für besondere Klimafunktionen allerdings nur in wenigen Regionen. Dies liegt zum einen daran, dass die Planungskategorie noch relativ neu ist. Planwerke der Landes- und Regionalplanung haben i. d. R. über längere Zeiträume Bestand, so dass sich Neuerungen erst nach und nach in den Plänen etablieren können.

Zum anderen nutzt die Regionalplanung auch andere raumordnerische Instrumente des Freiraumschutzes wie regionale Grünzüge zur Sicherung klimatisch bedeutsamer Freiflächen oder sie stellt z. B. bioklimatisch relevante Luftleitbahnen symbolisch dar, ohne einzelnen Flächen konkrete Aufgaben zuzuweisen. Welche Instrumente zum Einsatz kommen und wie sie angewendet werden, hängt dabei auch von der Ausweisungspraxis im jeweiligen Bundesland ab. Ein zusätzlicher Bedarf an Flächenausweisungen ist daher mitunter gar nicht gegeben.

In den Planungsregionen in Hessen und Rheinland-Pfalz, die Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für besondere Klimafunktionen anwenden, werden die beiden genannten Zielrichtungen, d. h. die Freihaltung klimatisch bedeutsamer Freiflächen und die Ausweisung bioklimatisch belasteter Gebiete mit hohem Handlungsbedarf, in die Praxis umgesetzt. In Hessen geht es in den verschiedenen Regionalplänen um eine nachhaltige Sicherung von Gebieten als klimatische Ausgleichsräume bzw. als Luftleitbahnen. In den Regionalplänen für Mittelhessen und Südhessen werden im Detail Flächen der Kalt- und Frischluftentstehung sowie des Kalt- und Frischluftabflusses benannt, die gesichert und, soweit erforderlich, wiederhergestellt werden sollen. Diese Gebiete sollen von Bebauung und anderen Maßnahmen, die die Entstehung und den Transport von frischer und kühler Luft behindern können, freigehalten werden. Planungen und Maßnahmen, die die Durchlüftung von klimatisch bzw. lufthygienisch belasteten Ortslagen verschlechtern können, sind in diesen Gebieten zu vermeiden. Sie dürfen nur realisiert werden, wenn nachgewiesenermaßen keine erheblichen nachteiligen klimatischen Auswirkungen entstehen.

Die oben skizzierte zweite Anwendungsrichtung der Planungskategorie wird im Regionalplan Mittelrhein-Westerwald und im Regionalen Flächennutzungsplan Frankfurt/ Rhein-Main verfolgt: Hier werden thermisch belastete Räume und klimatisch sensible Tallagen als Vorbehaltsgebiete u. a. mit dem Ziel festgelegt, die klimatischen Bedingungen nach Möglichkeit zu verbessern. Dazu sollen etwa klimatische Ausgleichsflächen erhalten bleiben bzw. erweitert oder Siedlungsvorhaben vermieden werden, die den Frischlufttransport behindern.

 

Schnittstellen

GE-I-1: Hitzebelastung

BAU-I-1: Wärmebelastung in Städten

BAU­-I­-2: Sommerlicher Wärmeinseleffekt

 

Ziele

Vorbeugen gegen eine sommerliche Überwärmung in Städten und Ballungsräumen durch Planung von Grünzügen und Frischluftschneisen; Freihalten von Frisch- und Kaltluftentstehungsgebieten sowie -abflussbahnen im Rahmen der Siedlungsentwicklung; Vermeidung übermäßiger Erwärmung von Gebäuden und Erholungsflächen (⁠DAS⁠, Kap. 3.2.14)

Sicherung klimawirksamer Ausgleichsräume und Luftaustauschbahnen sowie Ausschluss entgegenstehender Nutzungen durch Festlegung geeigneter Vorrang- / Vorbehaltsgebiete in den Regionalplänen, z. B. als Vorrang- / Vorbehaltsgebiete für besondere Klimafunktionen bzw. klimaökologische Ausgleichsräume; Sicherung klimawirksamer Ausgleichsräume durch sonstige freiraumbezogene Festlegungen; räumliche Steuerung der Siedlungsflächen- / Infrastrukturentwicklung u. a. durch Darstellung von thermischen Belastungsgebieten (Handlungskonzept ⁠Klimawandel⁠, ⁠MKRO⁠ 2013, Kap. 3.4)