VE-I-6: Wetter- und witterungsbedingte Störungen der Schieneninfrastruktur
Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel
Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel
Das Jahr 2021 fällt nicht nur im Vergleich zu den niedrigen Zahlen des Pandemie-Jahres 2020 durch viele wetter- und witterungsbedingte Störungen an der Schieneninfrastruktur auf. Damals behinderte Wintersturm Tristan durch Eisregen, Schneefall und -verwehungen den Bahnverkehr massiv. In den Jahren 2018 und 2019 sorgte die sommerliche Hitze für auffällig viele Störungen. Eine Trendschätzung ist für die kurze Zeitreihe noch nicht möglich.
Mit knapp 9 % der Personen- und rund 19 % der Güterverkehrsleistung (Personen- beziehungsweise Tonnenkilometer) im Vor-Corona-Jahr 2019 ist der Schienenverkehr ein wichtiger Baustein des deutschen Verkehrssystems. Ein störungsfreier oder zumindest möglichst störungsarmer Betrieb ist einerseits der eigene Anspruch der Eisenbahnen, andererseits sind Unternehmen und Personen, die die Eisenbahn für ihre Logistik und Mobilität nutzen, auf pünktliche und störungsfreie Abläufe angewiesen.
Wetter und Witterung zählen zu den wichtigen Faktoren, die Störungen an der Schieneninfrastruktur und im Schienenverkehr verursachen können, wenn sie außerhalb des „Normalbereichs“ liegen. Im Rahmen einer Analyse des Klimawandels für die Deutsche Bahn mit Blick auf dessen räumliche Ausprägung hat das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung e.V. (PIK) das Störungsgeschehen untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass die Schieneninfrastruktur in Deutschland zunehmend intensiveren Extremwetterereignissen ausgesetzt sein wird und Hitze, Starkregen und Sturm in der Vergangenheit häufig die Ursachen waren, wenn vermehrt Störungen gemeldet wurden.171, 171
Hitze kann sich auf die Schieneninfrastruktur auswirken, indem sie beispielsweise Ausfälle von elektronischen Schaltelementen oder Stell- und Überwachungssystemen von Weichen verursacht. Aus Stark- oder Dauerregen können, wie es die Katastrophen an Ahr und Erft im Jahr 2021 drastisch vor Augen geführt haben, Hochwasserwellen entstehen, die Schienenwege entlang von Tälern und Flussläufen überschwemmen, dabei Bahntrassen unterspülen und Bahndämme und Gleisbetten in Mitleidenschaft ziehen. An Bahntrassen mit steilen Böschungen können solche Niederschläge Schlammlawinen, Hangrutschungen oder Murenabgänge auslösen, die die Verkehrsinfrastrukturen und -leitsysteme beschädigen oder vollständig zerstören.
Der Indikator basiert auf Daten aus der Störfall-Datenbank der DB Netz AG und zeigt den Anteil der wetter- und witterungsbedingten Störfälle an der Schieneninfrastruktur der DB Netz AG an allen erfassten Störfällen der DB. Störfälle sind dabei Ereignisse, die zu Verspätungen oder Zugausfällen führen. In der Störfall-Datenbank werden Störfälle an der Schieneninfrastruktur mit ihrer jeweiligen Primärursache erfasst. Als wetter- und witterungsbedingt berücksichtigt der Indikator Störfälle, die in der Datenbank eindeutig einer der sechs Ursachenkategorien „Blitz“, „Hitze“, „Böschungsbrand“, „Vegetation“, „Winter“ sowie „Gleisunter-/-überspülung“ zugeordnet sind.
Aus der noch kurzen Zeitreihe sticht das Jahr 2021 durch die hohe Zahl an winterlichen Störfällen heraus. Diese sind Wintersturm Tristan mit seinen massiven Schneefällen und Schneeverwehungen geschuldet: Oberleitungen und Weichen waren vereist, Bäume drohten in Oberleitungen und auf Gleise zu stürzen, Schneeverwehungen machten Gleise unpassierbar. Um zu vermeiden, dass Züge auf offener Strecke liegen bleiben, stellte die Bahn zahlreiche Verbindungen vorsorglich ein und hielt Aufenthaltszüge in Bahnhöfen für diejenigen Fahrgäste bereit, denen eine Weiterreise dadurch nicht mehr möglich war. Die Auswirkungen der Hochwasser in Ahr- und Erfttal in diesem Jahr fließen in den Indikator nur zu einem kleinen Teil ein, da wegen der langfristigen Streckensperrung aus dem Fahrplan gestrichene Züge nicht in der zugrundeliegenden Störfall-Datenbank erfasst werden.
Das geringe Störgeschehen im Jahr 2020 ist neben einem leicht unterdurchschnittlichen Auftreten von extremen Wetterereignissen auch auf die reduzierte Verkehrsleistung während der Covid-19-Pandemie zurückzuführen. Da insgesamt weniger Fahrten stattfanden, waren auch weniger Fahrten von Extremwetter und deren Auswirkungen betroffen. Aufgetretene Beschädigungen durch Wetter- und Witterungseinflüsse ließen sich oftmals beheben, bevor es zu Störfällen im Betriebsablauf kam.
In den Jahren 2018 und 2019 waren dagegen hohe Temperaturen in besonders starkem Maß für Störungen im Streckennetz der Bahn verantwortlich. Die Hitze sorgte unter anderem für Störungen an Weichen und Signalen wegen Überhitzung. Außerdem mussten Bauarbeiten an Strecken umgeplant werden, da Schienen nur in einem vorgegebenen Temperaturbereich eingebaut oder aufgetrennt werden dürfen, um zu hohe Druck- oder Zugspannungen im Stahl während jahreszeitlicher Temperaturschwankungen zu vermeiden. Zusätzliche Ausfälle wurden durch Böschungsbrände verursacht, die sich wegen Trockenheit und Hitze entlang von Bahntrassen entzündeten. Technische Defekte an Klimaanlagen und anderen Bauteilen können ebenfalls zu hitzebedingten Zugausfällen führen; diese sind aber in dem auf die Schieneninfrastruktur bezogenen Indikator nicht enthalten.
Störungen durch Äste und Bäume, die infolge von Sturm und Starkwind in Oberleitungen oder auf die Gleise stürzten (Kategorie Vegetation), traten in den abgebildeten Jahren in relativ gleichbleibendem Umfang auf. Um Störungen durch Windbruch zu vermeiden, ist eine angepassten Trassenpflege wichtig, die im trassennahen Bereich den Bewuchs mit Bäumen und Sträuchern reguliert.
Für die Zukunft zeigt die PIK-Analyse der Klimafolgen für die Deutsche Bahn, dass Hitzesituationen häufiger und intensiver auftreten werden. Ebenso wird mit dem fortschreitenden Klimawandel eine Zunahme von Starkregenfällen erwartet. Für Starkwind und Sturm bestehen Unsicherheiten, inwieweit sich die Häufigkeit ihres Auftretens ändern wird. Allerdings können hier auch jahreszeitliche Verschiebungen zu mehr Störungen führen, zum Beispiel wenn Stürme vermehrt im Sommer oder Herbst auftreten und Bäume in belaubtem Zustand treffen. Ausgeprägte winterliche Bedingungen nehmen hingegen ab und werden seltener Ursache von Störungen sein, wenngleich vereinzelte Extremereignisse weiterhin auftreten können.172
Um den Herausforderungen des Klimawandels für die Infrastruktur zu begegnen, setzt der Schienenverkehrssektor bereits zahlreiche Maßnahme um. Dazu gehören etwa planerische und technische Lösungen zur Minimierung von Klimarisiken bei Sanierung, Aus- und Neubau von Bahnstrecken oder eine Anhebung der technischen Standards für Bauteile von Stellwerken und Weichen bis hin zu Klimaanlagen. Auch das angepasste Vegetationsmanagement entlang der Trassen zur Vermeidung von Windbruch und zur Reduzierung von Böschungsbränden ist Teil dieser Maßnahmen.
171 - Edenhofer O., Hoffmann P.: Analyse des Klimawandels für die Deutsche Bahn: Studie zur räumlichen Ausprägung in Deutschland. Pressekonferenz Klimastudie am 18. Juni 2021. Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (Hg.). https://nachhaltigkeit.deutschebahn.com/06_Strategie/01_klimaschutz/Pik_Studie/Klimawandelanalyse_DB.pdf.
171 - PIK – Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (Hg.) 2021: Klima-Studie für Deutsche Bahn wird Grundlage für Resilienz-Strategie des Konzerns. https://www.pik-potsdam.de/de/aktuelles/nachrichten/klima-studie-fuer-deutsche-bahn-wird-grundlage-fuer-resilienz-strategie-des-konzerns.
172 - Edenhofer & Hoffmann 2021, PIK (Hg,) 2021, siehe Endnote 171.