Eine Ausbildung zu beginnen, ist für viele Menschen ein wichtiger Schritt in die berufliche Zukunft – besonders dann, wenn man bereits Berufserfahrung gesammelt und Familie hat. Cordelia Feigenspan hat im Jahr 2021 genau diesen Schritt gewagt: Auf dem zweiten Bildungsweg absolvierte sie ihre Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten und schloss diese im Juli 2025 erfolgreich ab – in Teilzeit.
Zuvor war sie bereits als Bauzeichnerin tätig und arbeitete viele Jahre im Bürobereich, unter anderem im Gesundheitsamt während der Corona-Zeit. Doch befristete Verträge und fehlende Abschlüsse erschwerten langfristige Perspektiven. Als Mutter von damals drei Kindern – im Alter von 5, 7 und 18 Jahren – suchte sie nach einer Lösung, die Ausbildung und Familie miteinander vereinbar macht.
Nach der Zusage für eine Ausbildung im Umweltbundesamt (UBA) gab es dann auch noch mehr wundervolle Neuigkeiten.
Im Interview erzählt Cordelia Feigenspan, wie sie den Weg in die Teilzeitausbildung gefunden hat, welche Herausforderungen und Chancen dieses Modell bietet und warum sie heute sagen kann: Der Schritt hat sich gelohnt.
Das Interview führten Sarah Peglow und Lewin Agit, dual Studierende des Umweltbundesamtes im Studiengang „Öffentliche Verwaltung“ an der Hochschule Harz, im Rahmen ihres Praxiseinsatzes im Personalreferat.
Interview
Hallo Cordelia, eine spannende Frage zuerst: Was waren die Gründe, dass du dich damals für das Umweltbundesamt entschieden hast?
„Das UBA hat einfach die beste Work-Life-Balance, wenn man Familie hat. Ich bin mit dem UBA schon verbunden, bevor es gebaut wurde. Ich hatte es nämlich auf meinem Reißbrett als Bauzeichnerin und fand das ganze Projekt total spannend. 2009 habe
ich meinen Mann kennengelernt, der hier arbeitet und bin seitdem mit dem UBA verbunden, weil wir dann zusammen bei den Familienfesten waren, mit Arbeitskollegen*Arbeitskolleginnen zusammensaßen und ich habe mich auch immer wieder beworben, aber ohne entsprechende Abschlüsse ist kein Reinkommen. Zu guter Letzt habe ich es dann über den Weg der Ausbildung versucht.“
Wie sah ein typischer Tag zwischen Familie und Ausbildung aus? Wo war Deine Berufsschule?
„Wir waren hier in Dessau in der Berufsschule und nur zu den dienstbegleitenden Unterweisungen ging es dann immer ein paar Wochen lang nach Berlin zum Bundesverwaltungsamt [kurz: BVA], für die zusätzlichen Lehrgänge für die Prüfungsvorbereitung, vor der Zwischenprüfung und der Abschlussprüfung. Und da wurde es dann tatsächlich ein bisschen schwieriger, weil ich dann nicht gependelt bin, sondern für die Zeit immer ganz in Berlin war. Ohne familiäre Unterstützung und ohne meinen Mann wäre es natürlich nicht händelbar gewesen. Der Berufsschulalltag ist ja nicht verkürzt, da musste ich die Stunden bleiben, die vom Stundenplan vorgesehen waren. Das war aber machbar, weil die Berufsschule generell etwas kürzer ist, als ein Arbeitstag und den Alltag hier im praktischen Bereich, den habe ich dann halt so angepasst, wie ich ihn gebraucht habe.“
Auf wie viele Stunden bist Du im betrieblichen Einsatz runtergegangen?
„Vier Stunden täglich wären ja möglich gewesen. Grundsätzlich kann man auf 50 % der regelmäßigen Arbeitszeit reduzieren und ich habe gesagt, ich versuche es mit sechs Stunden täglich, dadurch hätte sich die Ausbildung für mich um ein halbes Jahr verlängert, außerdem wollte ich, dass es nicht so lang nach hinten raus geht. Und dadurch, dass das mobile Arbeiten nach Corona hinzukam, war das gut machbar mit den sechs Stunden.“
Könntest Du noch mal sagen, was für den Ausbildungszeitraum angedacht war und wie war es dann tatsächlich für Dich?
„Die Verwaltungsfachangestellten lernen ja drei Jahre. Im Jahr 2021 habe ich die Ausbildung angefangen, habe dann ein Jahr Elternzeit gemacht und bin mit dem Einstellungsjahrgang 2022 wieder eingestiegen. Und jetzt im Sommer 2025 bin ich fertig geworden. Sind dann drei Jahre quasi mit Abzug der Elternzeit geblieben, weil ich den Antrag auf vorzeitige Zulassung zur Abschlussprüfung gestellt habe und dieses halbe Jahr dadurch nicht länger machen musste. Also so wie Auszubildende sonst von drei Jahre auf zweieinhalb verkürzen, ist es auch für mich möglich, den Antrag auf vorzeitige Zulassung zu stellen. Wenn die Zwischenprüfung gut läuft und die Berufsschulnoten passen, dann sagt die Ausbildungsleitung, wir stellen den Antrag und das BVA entscheidet letztendlich über den Antrag.“
Siehst Du sonst noch Herausforderungen, die in so einer Teilzeitausbildung liegen?
„Meiner Meinung nach überwiegen die Vorteile. Es gibt natürlich andere Situationen, andere Konstellationen, warum, wieso, weshalb man Teilzeit machen möchte. Für mich lief die Ausbildung reibungslos.
Schwierig wird’s – aber das ist auch bei der Ausbildung normal – in der Berufsschule, wenn man dann noch zusätzlich die Hausaufgaben hat oder beispielsweise Präsentationen vorbereiten oder Vorträge halten muss. Und natürlich für die Klausuren und die Prüfungen lernen – das ist immer eine Herausforderung. Das hat man aber bei einer normalen Ausbildungsdauer auch, bei mir kam halt nur das Kind noch dazu, beziehungsweise die Kinder. Ich musste warten bis alle im Bett waren und konnte mich dann erst abends nochmal hinsetzen zum Lernen. Ich habe auch die Zeit in Berlin genutzt, wenn wir im Hotel oder in der Unterkunft waren und ich mich nicht um die Kinder kümmern musste, sondern das dann mal weggeschoben und abgegeben habe.
Alles in allem kann ich nichts Negatives sagen. Altersbedingt vielleicht, dass man das Lernen an sich nochmal lernen muss, weil ich da dann doch einige Zeit schon aus der Schule raus war, aber das hat sich auch ganz schnell eingespielt.“
Fallen Dir noch weitere Unterstützungsmöglichkeiten ein, auf die Du hättest zurückkommen können?
„Ich hätte auch Unterstützung erhalten können, was die Kinderbetreuung betrifft. Das machen sie allgemein so im UBA. Wenn ich da Probleme gehabt hätte, wäre man auf die Kindergärten, auf Tagesbetreuung zugegangen und hätte mir da geholfen.
Gerade auch in Berlin, weil ich anfangs auch nicht wusste, ob ich mein Kind überhaupt mitnehmen kann. Da habe ich dann nachgefragt, ob das möglich wäre und man hätte sich da in Berlin auch gekümmert. Letztendlich habe ich es dann aber doch nicht gemacht, da alles super zu Hause geklappt hat, aber es ist beruhigend, zu wissen, man kriegt im Notfall auch Unterstützung. Da hätte es zum Beispiel auf Seiten der Sozialberatung Hilfe gegeben. Aber auch die Ausbildungsleitung war da hinterher und sie hätten sogar angefragt, ob das BVA die Unterweisungen für mich online gemacht hätte. Wäre wahrscheinlich nicht machbar gewesen. Wir haben es am Ende nicht probiert.
Vielleicht kann man da noch nachschärfen, dass mehr Onlineangebote entstehen. Der ganze letzte Unterweisungsteil für die mündliche Prüfung lief auch nur noch online, das lief auch problemlos.“
Die Auszubildenden durchlaufen im UBA ja verschiedene Bereiche während ihrer Ausbildung. Gab es während der Ausbildung ein Projekt oder ein Fachgebiet, welches Dir besonders gefallen und das Dich eventuell nachträglich geprägt hat?
„Ganz ehrlich: es ist nicht überall super spannend. Da wir aber die vielen Fachgebiete haben, kann man überall mal reinschauen. Wenn man als Azubi gut eingespannt wird, sind die einzelnen Projekte, finde ich, wahnsinnig spannend. Man ist ja nicht lange dort, das ist dann oft schwierig in laufende Projekte eingebunden zu werden, gerade wenn man auch das fachliche Grundwissen in den Umweltthemen nicht hat, weil man ja häufig nur in den Verwaltungsbereich reinschnuppert. Aber sowas fand ich immer echt spannend.
Die Azubi-Projekte selber waren immer toll – einfach um sich mit den anderen Azubis zu vernetzen, um Kontakt zu den anderen Ausbildungsjahren zu halten. Was mir gelegen hat, war der Personalratsbereich. Da war ich lange Zeit im Geschäftszimmer eingesetzt, dort habe ich die Personalratsarbeit für mich entdeckt und bin dadurch zur Jugendvertretung gekommen. Mich da zu engagieren und mich einzusetzen, finde ich toll. Die ausbildenden Fachkräfte lassen sich meistens was einfallen, dass man auch gut aufgenommen wird, weil es eben immer eine Rundreise ist und man alle paar Wochen einen neuen ersten Arbeitstag hat.“
Für wen würdest Du vielleicht die Ausbildung in Teilzeit empfehlen bzw. würdest Du sie generell weiterempfehlen?
„Ich würde das Angebot auf jeden Fall nutzen, wenn ich weiß, mich drängt nichts, wenn ich irgendwelche Probleme habe, Familie unter einen Hut zu bringen oder sage, ich möchte nebenbei noch jobben. Warum nicht? Wenn ich es mir vielleicht nur mit der Ausbildungsvergütung gar nicht erlauben kann, nochmal eine Ausbildung zu machen, ist das auf jeden Fall eine Variante.“
Gab es eigentlich noch mehr in deinem Jahrgang, die Teilzeit gemacht haben?
„Bei uns nicht. Bei den FaMIs [Fachangestellte*r für Medien- und Informationsdienste] ist noch jemand, die auch kinderbedingt die Ausbildung in Teilzeit macht. Sie hat jetzt die Prüfung im kommenden Winter [2026]. So verbreitet ist es noch nicht. Ich vermute, wenn man nicht irgendwie ein Kind oder zu pflegende Personen hat, ist es nicht notwendig. Aber wenn man sagt, man möchte vielleicht auch nur vier Tage die Woche arbeiten, anstatt fünf. Darum hat man es ja sicherlich auch im Gesetz geöffnet. Sonst war es ja wirklich nur Müttern, Vätern vorbehalten oder wenn man jemanden zu Hause pflegen musste. Inzwischen kann man auch sagen, wenn man von sich aus weiß, man ist schnell von allem gestresst, dann kann man das auch nutzen. Vielleicht kann man es auch nutzen, um ältere Personen, wie mich ja auch, zu ermutigen, etwas Neues zu probieren.“
Wie ging es für Dich nach der Ausbildung weiter?
„Ich habe mich im letzten Teil des dritten Ausbildungsjahres auf eine unbefristete Stelle in der grenzüberschreitenden Abfallverbringung, was tatsächlich auch etwas mit Verwaltung zu tun hat, beworben. Die ich dann auch bekommen habe. Wir sind im Vollzug tätig, nehmen Gebühren ein und arbeiten mit dem Abfallgesetz.“
Und dein Engagement in der Jugendvertretung führst du weiter?
„Die JAV mache ich auch noch. Genau, die läuft bis zum Ende der Amtsperiode weiter, trotz der Beendigung der Ausbildung. Danach muss ich aber leider altersbedingt aufhören und da ich auch keine Ausbildung mehr mache, endet das automatisch.“
Würdest Du noch irgendwas rückwirkend sagen wollen oder Dir wünschen?
„Ich würde alles wieder so machen. Wenn ich die Chance hätte, würde ich vielleicht sagen: probiere es eher. Da war ich damals so in meiner Kinderblase, ständig in den Kinderbetreuungszeiten, da habe ich nicht über eine neue Ausbildung nachgedacht. Das kam wirklich erst zu Corona-Zeiten, wo ich so viel wieder gearbeitet habe, mir das so viel Spaß gemacht hat, dass ich mir gedacht habe, jetzt will ich nicht wieder aufhören.
Und die beiden jüngeren Kinder waren 2021 aus dem Gröbsten raus. Dann dachte ich, jetzt kann ich wieder arbeiten. Und dann hieß es beim Gesundheitsamt: Wir können Sie leider nicht weiter beschäftigen. Aber es hat sich dann hier im UBA die Tür geöffnet. Dann war der Plan: Das machen wir jetzt. Wir kriegen das hin, wir ziehen das durch.
Ja, und dann wurde ich schwanger und saß tränenüberströmt bei Frau Metting und Frau Mattheß [Ausbildungsleitung und Ausbilderin für das Berufsbild Verwaltungsfachangestellte*r] im Büro, weil ich nicht wusste, was ich jetzt machen soll. Und dann haben sie mich ganz lieb aufgefangen und haben mir erklärt, was für Möglichkeiten ich habe. Und so haben sie dann alles auf den Weg gebracht. Immer mit mir in Kontakt geblieben und nachgefragt: Wann willst du wieder einsteigen? Passt es? Passt es nicht?
Wenn ich jetzt gesagt hätte, ich brauche noch ein halbes Jahr oder so länger mit dem Kind, weil irgendwas ist oder so, hätte man das auch hinbekommen. Also kann ich nur Positives berichten und alle im Haus nehmen Rücksicht auf Familien. Wenn irgendwas ist, heißt es sofort: “Ab nach Hause. Kümmere dich. Wir kriegen das hin.” Das ist echt toll.“
Mehr zum Thema Teilzeitausbildung
Die Teilzeitberufsausbildung ist seit 2005 im Berufsbildungsgesetz (BBiG) verankert. Mit dem Berufsbildungsmodernisierungsgesetz ist es seit dem 1. Januar 2020 grundsätzlich allen Auszubildenden möglich, nach Einigung mit dem Ausbildungsbetrieb, eine Berufsausbildung in Teilzeit zu absolvieren. Die tägliche oder wöchentliche Arbeitszeit kann um bis zu 50% reduziert werden, jedoch in dem Maße, dass die auszubildende Person mit allen wesentlichen Betriebsabläufen vertraut gemacht werden kann. Die Ausbildungszeiten in der Berufsschule können in der Regel nicht reduziert werden. Die Vergütung richtet sich rechtlich nach den reduzierten Ausbildungszeiten im Betrieb und kann daher entsprechend geringer ausfallen. In der Praxis wird jedoch oft eine ungekürzte Ausbildungsvergütung vereinbart. Für den Fall, dass die Ausbildungsvergütung nicht für den Lebensunterhalt reicht, kann auch eine Berufsausbildungsbeihilfe beantragt werden.
War es früher eher eine Ausnahmelösung für Personen mit Familienverantwortung, richtet sich das Modell mittlerweile an einen größeren Adressaten*Adressatinnenkreis und bietet Gestaltungsspielräume, beispielsweise für pflegende Angehörige, Menschen mit gesundheitlichen Behinderungen oder Beeinträchtigungen, Menschen mit zusätzlichen Förderbedarfen, Menschen aus dem Ausland und Geflüchtete, Auszubildende, die nebenbei erwerbstätig sind, oder auch für Auszubildende, die einfach nur in Teilzeit arbeiten wollen.
Im Berufsbildungsbericht 2024 des Bundesinstituts für Berufsbildung (Seite 107) wurden bundesweit für das Berichtsjahr 2022 0,5 % (etwa 2.200) Neuabschlüsse als Teilzeitberufsausbildungsverhältnisse gemeldet. Frauen stellen mit 86,3% der Neuabschlüsse in Teilzeit weiterhin die überwiegende Mehrheit dar. Der Anteil Personen nicht-deutscher Staatsangehörigkeit machte unter den Neuabschlüssen in Teilzeit 17,8 % aus.
Aktuell hat das UBA – von insgesamt 40 Ausbildungs- und Studienverhältnissen – drei Auszubildende im Teilzeitmodell beschäftigt.