RO-R-6: Siedlungsnutzung in Hochwassergefahrenbereichen – Fallstudie

Quelle: Konstanze Schönthaler / Bosch & Partner GmbH
Monitoringbericht 2019 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel
Monitoringbericht 2019 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel
Entlang des bayerischen Mains waren im Jahr 2012 knapp 8 % der Flächen, die durch ein 100-jährliches Hoch¬wasser überschwemmt würden, für Siedlungszwecke genutzt. Verkehrsflächen machen annähernd die Hälfte dieser Flächen aus, aber auch Industrie und Gewerbe sowie Wohnen belegen größere Flächenanteile in den Überschwemmungsgebieten.
Eine Stapelsäule für das Jahr 2012 zeigt die Siedlungsnutzung im Hochwassergefahrenbereich HQ100 in Quadratkilometern. Es wird differenziert in Verkehrsflächen, Industrie- und Gewerbeflächen, Wohnbauflächen, Flächen mit gemischter Nutzung sowie Flächen mit besonderer funktionaler Prägung. Es dominiert deutlich die Verkehrsfläche. Der Siedlungsflächenanteil an den HQ100-Flächen ist mit einem Punkt abgetragen, er liegt um die 7,8 Prozent.
Im Zusammenhang mit dem Klimawandel ist die vorausschauende Risikovorsorge eine der wesentlichen Aufgaben der Raumordnung. Sie kann einerseits dazu beitragen, die Siedlungsentwicklung gezielt in Bereiche zu lenken, in denen mit dem Klimawandel einhergehende Gefahren nicht oder nur in einem beherrschbaren Maße bestehen. Andererseits kann sie dafür sorgen, dass erkennbare Gefahrenbereiche möglichst von Siedlungstätigkeit freigehalten werden. Zu den relevanten Gefahren zählen Massenbewegungen wie Steinschlag, Felsstürze oder Rutschungen und Erdfälle sowie – an den Küsten und auf den Inseln – Sturmfluten. Diese Gefahren können regional infolge des Klimawandels steigen, wenn extreme Wetter- und Witterungssituation zukünftig in ihrer Häufigkeit und Intensität zunehmen.
Als eine Folge des Klimawandels wird auch erwartet, dass sich das Niederschlagsgeschehen verändert und die Gefahren durch Hochwasserereignisse steigen, da diese zum einen häufiger auftreten und zum anderen heftiger ausfallen können. Der Verlauf von Hochwassern und deren Schadenspotenzial wird maßgeblich auch durch vergangenes und aktuelles Handeln des Menschen beeinflusst. So sind etwa in vielen Flussgebieten in früheren Zeiten natürliche Überschwemmungsgebiete durch Deich- und Flussausbaumaßnahmen weggefallen. Viele Flussläufe wurden verkürzt und die Fließgeschwindigkeit der Flüsse dadurch erhöht; bei Hochwassern konzentriert sich der Abfluss vieler Zuflüsse nun schneller in einem Flussbett. Die Hochwasserwellen sind heutzutage im Vergleich zu früher oft steiler und ihre Laufzeiten kürzer. Die Gefahr der Schäden durch Hochwasser ist dadurch gestiegen. Auch wurden im Schutz der Deiche hohe materielle Werte in Gebieten errichtet, die ehemals den Flüssen als Überschwemmungsflächen zur Verfügung standen. Reicht der Hochwasserschutz nicht aus, und trifft ein Hochwasser diese Siedlungen oder Industriegebiete, können sehr hohe Schäden entstehen.
Heute ist der Schutz vor Hochwasserereignissen im WHG gemäß den Vorgaben der HWRM-RL geregelt. In Deutschland sind darüber hinaus zur Flächenvorsorge Überschwemmungsgebiete verbindlich auf der Grundlage eines statistisch einmal in hundert Jahren zu erwartenden Hochwassers (HQ100) festzusetzen, in denen spezielle Schutzvorschriften einzuhalten sind. In diesen Gebieten sind sowohl die Ausweisung von neuen Baugebieten im Außenbereich in Bauleitplänen als auch die Errichtung oder Erweiterung baulicher Anlagen untersagt bzw. nur in Ausnahmefällen zulässig. Weiterhin sind seit 2018 auch Hochwasserentstehungsgebiete auszuweisen, in denen bestimmte Nutzungsumwandlungen wie von Grünland zu Ackerland oder von Auwald in einer andere Nutzungsart einer Genehmigung bedürfen.
In der Vergangenheit wurden in vielen Überschwemmungsgebieten aber bereits bauliche Anlagen wie Verkehrsinfrastrukturen, industrielle und gewerbliche Anlagen sowie Wohngebäude errichtet, für die nun ein Hochwasserrisiko besteht. Eine exemplarische Auswertung des Hochwasserrisikomanagement-Plans für das Flussgebiet Main zeigt, dass hier knapp 8 % der Flächen, die durch ein hundertjährliches Hochwasser überschwemmt würden, für Siedlungszwecke genutzt sind. Verkehrsflächen machen annähernd die Hälfte dieser Flächen aus, aber auch Industrie und Gewerbe sowie Wohnen belegen größere Flächenanteile in den Überschwemmungsgebieten. Nach der geltenden Gesetzeslage sollten sich diese Flächenanteile zukünftig nicht weiter ausdehnen. Dennoch kann, vor allem in bereits dicht besiedelten Flusstälern mit geringen Entwicklungsspielräumen, nach wie vor ein hoher Druck auf diese Flächen bestehen. Dem muss eine vorausschauende Raumordnung, Regional- und Bauleitplanung entgegenwirken.
Verstärkter Schutz gegen zunehmende Hochwasserrisiken durch passive Sicherungsmaßnahmen; Sicherung vorhandener Abfluss- und Retentionsflächen; erhebliche Ausweitung der Retentionsflächen bis 2020 unter weitgehender Nutzung aller vorhandener Potenziale (DAS, Kap. 3.2.14)
Erhaltung von Überschwemmungsgebieten in ihrer Funktion als Rückhalteflächen; so weit wie möglich Wiederherstellung früherer Überschwemmungsgebiete, die als Rückhalteflächen geeignet sind (WHG, § 77)
Sicherung vorhandener Überschwemmungsbereiche als Retentionsraum; Rückgewinnung von Überschwemmungsbereichen als Retentionsraum; Risikovorsorge in potenziellen Überflutungsbereichen (Handlungskonzept Klimawandel, MKRO 2013, Kap. 3.1)
Vorbeugender Hochwasserschutz im Binnenland vor allem durch Sicherung oder Rückgewinnung von Auen, Rückhalteflächen und Entlastungsflächen (ROG § 2 (2) 6)