BS-I-1: Einsatzstunden bei wetter- und witterungsbedingten Schäden
Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel
Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel
In Jahren mit Orkanen, heftigen Starkregen oder extremen Hochwasserereignissen kommt es zu deutlich erhöhten Einsatzbelastungen für die Helfer*innen des Technischen Hilfswerks. Die Zeitreihe ist stark von einzelnen extremen Ereignissen geprägt. Die Folgen von Tief Bernd 2021 und die damit verbundene Hochwasserkatastrophe vor allem im Westen Deutschlands führten zur bisher größten Einsatzspitze. Ein signifikanter Trend zeichnet sich bislang nicht ab.
Deutschland erlebte in den letzten rund zwei Jahrzehnten eine Reihe von meteorologischen Extremereignissen. Sie treten infolge des Klimawandels häufiger und mit höherer Intensität auf. Mit Extremwetterereignissen gehen teilweise massive Einsatzbelastungen für die Einsatzkräfte im Bevölkerungsschutz einher. Schließlich gehört es zu deren wesentlichen Aufgaben, technische Hilfe zu leisten, wenn aus extremen Wetter- und Witterungsereignissen Notlagen bis hin zu Katastrophen entstehen. Die Einsatzkräfte sichern zum Beispiel Deiche mit Sandsäcken oder montieren mobile Hochwasserschutzwände, um Überflutungen zu verhindern, sie evakuieren Anwohner*innen und verhindern, dass Industrieanlagen oder Klärwerke überschwemmt werden. Nach heftigen Stürmen oder Orkanen entfernen sie Windbruch von Straßen und Schienen und machen diese wieder befahrbar. Auch nach einem vergleichsweise kurzen und kleinräumig auftretenden Starkregenereignis sind die Einsatzkräfte oft über Stunden mit dem Auspumpen der überfluteten Keller und Wohnräume beschäftigt.
Vielerorts signalisieren die im Bevölkerungsschutz tätigen Organisationen, dass die Zahl der wetterbedingten Einsätze zu technischen Hilfeleistungen ansteigt. Detaillierte quantitative und vergleichbare Daten über die Anzahl, Dauer und Ursachen von Einsätzen liegen für das THW vor. Signifikante Trends zu einer dauerhaft erhöhten Belastung der Einsatzkräfte sind bislang zwar nicht zu verzeichnen, die Zahlen für die vergangenen Jahre zeigen jedoch, wie einzelne Extremereignisse – vor allem die Jahrhunderthochwasser in den verschiedenen Flussgebieten – das Einsatzgeschehen prägen.
Im Frühsommer 2013 wurden infolge tagelanger Regenfälle ganze Landstriche in Mitteleuropa überschwemmt. In Deutschland waren insgesamt neun Bundesländer betroffen, insbesondere im Osten und Südosten, an Donau, Elbe und Saale. Schwere Hochwasser führten zum bis dahin größten Einsatz der Feuerwehr in Deutschland. Auch beim THW ragt das Jahr 2013 hinsichtlich der Einsatzbelastung bei den Helfer*innen heraus: Insgesamt fielen in diesem Jahr 1,5 Mio. Einsatzstunden an.
Im Juli des Jahres 2021 führte eine der schwersten Flutkatastrophen in der Geschichte Deutschlands zum bisher größten Einsatz seit Bestehen des THW. Besonders heftig waren Teile des Ahrtals in Rheinland-Pfalz betroffen. Viele Menschen wurden von den Wassermassen überrascht. Es gab zahlreiche Tote und viele Tausend Verletzte. Über Monate hinweg leistete eine Vielzahl an Einsatzkräften aus ganz Deutschland, darunter allein rund 15.500 Kräfte des THW, in den betroffenen Gebieten Hilfe.230 Durch das Ausmaß der Katastrophe war das gesamte Fach- und Leistungsspektrum der Helfer*innen gefragt: In den ersten Tagen standen vor allem Rettungs- und Pumparbeiten im Fokus. Als die Pegel sanken, fielen verstärkt kräftezehrende Räum- und Infrastrukturarbeiten an. Infolge der massiven Zerstörungen musste in zahlreichen Orten die Strom- und Wasserversorgung wiederhergestellt werden. Höchste Priorität hatte zudem die (provisorische) Instandsetzung unpassierbarer oder zerstörter Verkehrswege und Brücken, um die Versorgung der Bevölkerung mit Hilfsgütern zu gewährleisten. Insgesamt leisteten die Einsatzkräfte des THW in diesem Jahr knapp 3 Mio. Einsatzstunden.
Auch die hohen Einsatzzahlen in den Jahren 2002, 2006 und 2010 wurden maßgeblich durch Hochwasserereignisse ausgelöst. Für das Jahr 2007 gingen die überdurchschnittlichen Einsatzzahlen zu großen Teilen auf das Konto des Orkantiefs Kyrill im Januar. Im Mai und Juni des Jahres 2016 hielten die Folgen von Starkregen die Einsatzkräfte bundesweit in Atem. Von Ende Mai bis Anfang Juli waren rund 10.000 THW-Einsatzkräfte Tag und Nacht im Einsatz. In Simbach am Inn kam es zum größten Trinkwassereinsatz des THW in Deutschland: Das THW versorgte die Bevölkerung 14 Tage lang mit insgesamt 5,6 Mio. Liter Wasser. Ein weiterer Schwerpunkt war die Wiederherstellung von Straßenbrücken und Versorgungsinfrastrukturen, die durch reißende Bäche und Flüsse zerstört waren.
Insbesondere über mehrere Wochen andauernde Einsätze mit einem stetig hohen Bedarf an Einsatzkräften sind eine große Herausforderung für das überwiegend ehrenamtlich aufgebaute THW. Für einige Helfer*innen ist eine Freistellung von ihrem Arbeitsplatz für mehrere Wochen aufgrund der Arbeitsmarktsituation problematisch. Die Folge ist ein hoher Durchlauf an Einsatzkräften, der eine verstärkte Koordination erfordert und organisatorische Probleme mit sich bringt.
Grundsätzlich ist zu berücksichtigen, dass die Einsatzzahlen des THW nur eingeschränkt Rückschlüsse auf die anderen im Bevölkerungsschutz tätigen Organisationen erlauben, da das THW nur auf Anforderung eingesetzt wird. Außerdem sind die Zahlen auch von der Art der auftretenden Ereignisse abhängig, denn für bestimmte Einsatzfälle ist vor allem das THW mit seiner spezifischen Materialausstattung gerüstet.
Inwieweit sich auch Einsatzzahlen der Feuerwehren für eine kommunal übergreifende Analyse der Einsatzbelastung durch Extremwetterereignisse eignen, wurde von 2019 bis 2021 im Projekt KlamEx der Strategischen Behördenallianz „Anpassung an den Klimawandel“ untersucht. Die in diesem Rahmen durchgeführte Befragung zur Dokumentation unwetterbedingter Einsätze, an der sich zehn Bundesländer beteiligten, ergab eine große Vielzahl verwendeter Eingabesysteme sowie Unterschiede in der Kategorisierung der Einsatzursache oder in der Auslegung des Einsatzbegriffs. Dadurch sind die Einsatzzahlen zwischen Kommunen nur begrenzt miteinander vergleichbar. Ausnahmen bilden die Einsatzdaten in Ländern, in denen bereits landesweit einheitliche Regelungen für die Einsatzerfassung getroffen wurden. Eine bundesweit einheitliche Regelung ist bis auf Weiteres nicht absehbar.
Ungeachtet der Datengrundlage muss für Jahre mit ausgeprägten Extremereignissen davon ausgegangen werden, dass auch bei den Feuerwehren und den privaten Hilfsorganisationen hohe wetter- und witterungsbedingte Einsatzbelastungen auftreten, mit allen damit verbundenen Schwierigkeiten aufgrund der ehrenamtlichen Struktur dieser Organisationen.