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Disclaimer: Dieser Artikel ist ein Beitrag im Rahmen der Konferenz "Innenraumluft 2024" und spiegelt nicht die Meinung des Umweltbundesamtes wider. Für die Inhalte sind die genannten Autoren und Autorinnen verantwortlich.
Autor*innen
Sonja Pfeil und Wigbert Maraun
ARGUK Umweltlabor GmbHKorrespondenzautor: Wigbert Maraun
ARGUK-Umweltlabor GbmH
Krebsmühle 1
61440 Oberusel
E-Mail: w [dot] maraun [at] arguk [dot] deEmpfohlene Zitierweise: Pfeil, S. & Maraun, W. (2024). PFAS: Aktuelle Ergebnisse zur Expositionsabschätzung gegenüber Hausstaub und luftgetragenem Staub. Teil Zwei: Raumluft- und Hausstaubuntersuchungen sowie deren Bewertung. Beitrag A06 zur Fachtagung „Innenraumluft 2024 - Messen, Bewerten und Gesundes Wohnen“, 6.-8. Mai 2024, Dessau-Roßlau. https://www.umweltbundesamt.de/irl2024-a06
PFAS: Aktuelle Ergebnisse zur Expositionsabschätzung gegenüber Hausstaub und luftgetragenem Staub Teil Zwei: Raumluft- und Hausstaubuntersuchungen sowie deren Bewertung
Neue Ergebnisse zur Exposition gegenüber partikelgebundenen PFAS in Hausstaub und Raumluft zeigen, dass die tolerierbare wöchentliche Aufnahme (TWI) allein über den Expositionspfad Staub insbesondere für Kinder bis um das 420-fache überschritten werden kann.
Daraus resultiert die Notwendigkeit eines Innenraummonitorings für PFAS. Ein erstes Konzept zur standardisierten Probenahme wird vorgestellt.
Einleitung
Infolge der immens vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten der per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS) besteht in nahezu allen Bereichen des täglichen Lebens eine Exposition gegenüber dieser Verbindungsklasse. Je nach Lebensgewohnheiten stellen dabei insbesondere Lebensmittel wie Fisch, Eier und Eiprodukte sowie Trinkwasser die wichtigsten Expositionspfade dar [1]. Hinzu kommen Migrationseffekte von Oberflächen in das Lebensmittel wie zum Beispiel aus Lebensmittelverpackungen, Kochgeschirr etc.. Darüber hinaus führen Emissionen aus Verbraucherprodukten wie Outdoorkleidung oder Einrichtungsgegenständen (Teppiche, Mobiliar, aber auch Reinigungsmittel und vieles mehr) zu einer Exposition entweder durch direkten Hautkontakt oder inhalativ durch flüchtige PFAS über die Raumluft bzw. inhalativ/dermal durch Staub, in dem sich die schwerflüchtigen PFAS anreichern. Verbraucherinnen und Verbraucher können ihre Exposition gegenüber PFAS als ubiquitären Umweltkontaminanten kaum beeinflussen [2].
Es wird geschätzt, dass inzwischen annähernd 10.000 oder mehr verschiedene Verbindungen dieser Stoffgruppe mit unterschiedlichsten physikalischen, chemischen und biologischen Eigenschaften entwickelt wurden. Darunter sind viele Polymere und nicht-Polymere sowie feste, flüssige und gasförmige Substanzen (Buck 2021). Der OECD/UNEP-Bericht aus dem Jahr 2018 führt allein 4730 PFAS-Stoffe auf, die in kommerziellen Produkten enthalten sein können (Buck 2021). Um die ingestive Exposition langfristig zu reduzieren, sind die Gehalte in bestimmten Lebensmitteln an vier Vertretern dieser Substanzklasse mit Grenzwerten europaweit reglementiert: Perfluoroctansulfonsäure (PFOS), Perfluoroctan-säure (PFOA), Perfluornonansäure (PFNA) und Perfluorhexansulfonsäure (PFHxS). Für Trinkwasser sind zwanzig wasserlösliche Vertreter dieser Stoffgruppe ab dem Jahr 2026 mit Grenzwerten geregelt.
Der Vorschlag der Europäische Chemikalienagentur (ECHA, 07.02.2023) für ein Verbot der Herstellung, der Verwendung und des Inverkehrbringens (einschließlich der Ausfuhr) der gesamten Gruppe der per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) wird aktuell noch geprüft.
Toxikologie
Aufgrund der großen Zahl chemisch verschiedenster Einzelsubstanzen und Klassen stellt die Risikobetrachtung im Vergleich zu den bekannten und gut untersuchten Stoffgruppen wie Polychlorierten Biphenyle (PCB) oder den Polychlorierten Dibenzodioxinen und -furanen (PCDD/PCDF „Dioxinen“) eine Herausforderung bisher ungeahnten Ausmaßes dar. Die Schlussfolgerung, dass es weder machbar noch zielführend ist, PFAS nach dem Paradigma "Chemikalie für Chemikalie" zu regulieren, scheint sich zunehmend durchzusetzen [3].
Durch das EFSA CONRAM Gremium wurden im Jahr 2018 vier Endpunkte als potenziell kritische Wirkungen für PFOS und/oder PFOA ausgewählt. Diese waren (i) erhöhtes Gesamt- und LDL-Cholesterin im Serum (Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen), (ii) erhöhte ALT-Werte (Hinweis auf Auswirkungen auf die Leberzellen), (iii) verringertes Geburtsgewicht und (iv) Auswirkungen auf das Immunsystem, wie die sich in einer verminderten Antikörperreaktion auf Impfstoffe zeigt [4].
Die tolerierbare tägliche Aufnahme (tolerable daily intake – TDI) für PFOS von 0,15 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht (µg/kg KG) und Tag und für PFOA von 1,5 µg/kg KG und Tag wurde im Jahr 2020 auf einen Schwellenwert für die wöchentliche Aufnahme von 4,4 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht (ng/kg KG) pro Woche für die Summe der vier PFAS-Vertreter Perfluoroctansulfonsäure (PFOS), Perfluoroctansäure (PFOA), Perfluornonansäure (PFNA) und Perfluorhexansulfonsäure (PFHxS) herabgesetzt (BfR Nr. 020/2021 vom 28. Juni 2021). Der TWI von 4,4 ng/kg KG pro Woche schützt nach Angaben der EFSA auch vor anderen möglichen schädlichen Wirkungen, die beim Menschen beobachtet wurden [4]. Die aktuelle Ableitung des EFSA- Schwellenwerts für die wöchentliche Aufnahme von 4,4 ng/kg KG pro Woche berücksichtigt auf Basis der Berechnungen für Säuglinge eine besonders empfindliche Bevölkerungsgruppe.
Für 90 Prozent der im menschlichen Blut von Erwachsenen nachweisbaren PFAS-Vertreter PFOA, PFNA, PFHxS und PFOS waren die Gehalte im Jahr 1990 am höchsten. Heute liegen die Werte an PFOS bei zehn Prozent und PFOA, PFNA und PFHxS gegenüber den früheren Maximalwerten bei jeweils 30 Prozent [2]. Fraser et al. beobachtete eine Korrelation zwischen PFOA im Serum und 8:2 FTOH Konzentrationen in der Raumluft [5]. DeLuca stellt in ihrem Review Berechnungen zur Exposition gegenüber PFOA, PFOS, PFNA und PFHxS aus kontaminiertem Hausstaub an und stellt fest, dass diese für 13 Prozent, drei Prozent, sieben Prozent beziehungsweise 25 Prozent der Serumkonzentrationen verantwortlich sein könnte [6]. Das Einatmen von PFAS in der Innenraumluft könnte für weniger als vier Prozent der PFOA-Konzentrationen im Serum und für weniger als zwei Prozent der PFOS- und PFNA-Konzentrationen im Serum verantwortlich sein [6]. Sie unterstreicht eine wichtige Forschungslücke und den Bedarf an Studien, die übereinstimmende Daten sowohl aus Innenraummedien als auch aus dem Serum der Teilnehmer erheben, sowie den Bedarf an fortgesetzter Forschung zu Parametern der Expositionsmodellierung für viele PFAS-Chemikalien [6].
Auf der Grundlage der geschätzten Exposition, aber auch der berichteten Serumspiegel kam das CONTAM-Gremium zu dem Schluss, dass Teile der europäischen Bevölkerung den TWI-Wert überschreiten und stuft dies als besorgniserregend ein [4].
Innenraumexposition
Die Datenlage zur Beurteilung von Raumluft- und Hausstaubbelastungen mit PFAS-Verbindungen ist überschaubar. Die Analytik ist aufwändig und damit kostenintensiv. Auf Grund der vielfältigen stofflichen Eigenschaften jeder einzelnen Substanz scheint es schier unmöglich, die Belastungssituation exakt abzubilden. Zusätzlich fehlen weitgehend einheitliche Probenahme und Analysenverfahren sowie analytische Standards. Die wenigen verfügbaren Daten sind daher nur eingeschränkt miteinander vergleichbar. Auch kann jeweils nur eine bestimmte Auswahl der identifizierbaren Ziel-Substanzen quantifiziert werden. Es lassen sich also prinzipiell nur Größenordnungen an PFAS-Gehalten in entsprechenden Proben beschreiben. Bohlin-Nizetto stellt Vergleichsmessungen von 20 PFAS-Zielsubstanzen mit Ergebnissen der Bestimmung des Gesamt-Extrahierbaren-Organischen Fluorid-Gehaltes (TEOF) vor. Sie erzielt für anionische PFAS-Verbindungen der Zielsubstanzen eine gute Übereinstimmung der Ergebnisse. Für Proben mit hohem TEOF bei geringerem Anteil anionischer PFAS werden höhere Anteile an nicht-anionischen Verbindungen vermutet [7]. Es wird daher empfohlen, eine non-target-Analyse zusätzlich zu den im Standard-Verfahren geprüften Verbindungen vorzunehmen.
Buck et al. grenzte in Zusammenarbeit mit drei großen PFAS-Produzenten die Relevanz von 4730 nach OECD/UNEP-Bericht bekannten Substanzen auf 265 Einzelverbindungen ein, indem er die Liste auf kommerziell hergestellte Substanzen reduzierte. Verbindungen zu Forschungszwecken oder Produktionsmengen im Maßstab von weniger als ein Kilogramm hergestellte Einzelsubstanzen fanden dabei keine Beachtung. Doch auch unter diesen Einzelsubstanzen variieren die stofflichen Eigenschaften immens [8]. Weniger als 20 PFAS sind toxikologisch gut untersucht (alle davon nichtpolymere PFAS), und bei allen, die untersucht wurden, wurde festgestellt, dass sie in der Lage sind, schädliche Wirkungen bei Tieren und/oder Menschen zu verursachen [3].
Wenn auch die höchste Aufnahme von PFAS in der Regel über die Nahrung erfolgt [1] konnte mit neuesten Zahlen zur Exposition gegenüber partikelgebundenem PFAS in Hausstaub und Raumluft (Thumulla et al. 2023) nachgewiesen werden, dass bei hohen Konzentrationen insbesondere für Kinder allein über den Expositionspfad Staub der TWI bis um das 140-fache überschritten werden kann. Einen signifikanten Beitrag in der Höhe von 27-49 Prozent der Gesamtexposition gegenüber PFHxA, PFHpA, PFNA, perfluorotridecanoic acid (PFTrDA) and perfluorotetradecanoic acid allein über die Staubbelastung wird in einer schwedischen Studie aus dem Jahr 2012 ermittelt [1].
Daraus resultiert unter Beachtung jeglicher analytischen und stoffspezifischen Herausforderungen die Notwendigkeit eines Innenraummonitorings für PFAS. Ein erstes Konzept zur Datenerhebung von Innenraumbelastungen durch PFAS wird vorgestellt.
Bei bisherigen Expositionsabschätzungen fanden vor allem die schwerflüchtigen, im Innenraum partikelgebunden vorkommenden PFAS-Verbindungen Beachtung, da diese aufgrund ihrer hohen Persistenz in Umweltmedien im Fokus des Monitorings und der regulativen Maßnahmen stehen. In Innenraum führen zudem flüchtige PFAS-Vertreter aus den Gruppen der Fluortelomeralkohole (FTOH), Fluortelomeracrylate (FTACs), Perfluoroktansulfonamide (FOSAs) und der Perfluoroktansulfonamidoethanole (FOSEs) zu einer zusätzlichen gasförmigen Exposition über den Luftpfad [9].
Diese neutralen PFAS-Verbindungen sind zwar weniger persistent als manche anderen Vertreter dieser Gruppe, es findet jedoch im globalen Stofftransport und im Metabolismus von Mensch und Tier eine Umwandlung in die persistenten Stoffgruppen zum Beispiel in PFOA und PFOS statt [9,10]. Trotz des Ausstiegs aus der Produktion z.B. des Perfluorooctane sulfonyl fluorid (POSF) im Jahr 2000 resultiert aus der Biotransformation von Precursern auf Basis der Fluortelomere in Produkten nach wie vor eine potentielle Quelle für die Exposition gegenüber PFOA [11]. Hohe Konzentrationen an 8:2 FTOH in der Raumluft (im Bereich von 830-255000 Nanogramm pro Kubikmeter (ng/m³) führten bei Exposition zum Beispiel von Ski-Wachs-Technikern im Vergleich zur übrigen Bevölkerung zu erhöhten Konzentrationen im Blut [12]. Der Betrag an einer FTOH-basierten Exposition an PFOA wird mit einer Größenordnung von 2-55 Prozent angenommen [1]. Auch Fraser et al. stellt eine signifikante Korrelation zwischen der Raumluftbelastung mit FTOH und PFOA im Serum bei Büroarbeitern fest [5].
Im Innenraum gilt es bei Expositionsabschätzungen daher immer beide Aufnahmepfade Raumluft und Hausstaub zu berücksichtigen.
Hausstaub als Expositionspfad
Die von Thumulla et al. erzielten Ergebnisse am partikulären PFAS stehen in guter Übereinstimmung mit Literaturdaten. Staub dient in der Innenraumanalytik als „Passivsammler“ für die Bestimmung mittel- bis schwerflüchtiger organischer und anorganischer Parameter. So kann im Rahmen der Staubuntersuchung eine erste Aussage über eine mögliche Exposition der partikulären Staubfraktion getroffen werden und bei hoher Belastung mit flüchtigeren Verbindungen auch eine Prognose über eine mögliche Raumluftbelastung. Diese gilt es in der Regel analytisch durch Raumluftuntersuchungen zu verifizieren.
Eine umfassende Übersicht zu potenziellen Quellen für Staubbelastungen findet sich bei (Savvaides et al. 2021). In ihrem Review zur Staubbelastung werden die höchsten Konzentrationen an Arbeitsplätzen und in Kindertagesstätten vorgefunden. Fluortelomerphophatdiester diPAPs wurden in hohen Konzentrationen bis 42000 Nanogramm pro Gramm (ng/g) in Staub aus Vorschulen aus der Region um Stockholm, Schweden, vorgefunden [3]. In einer norwegischen Studie wird im Jahr 2015 bereits eine deutliche Abnahme der Staubbelastung für einen großen Teil PFCA, PFCS und FTSAs im Vergleich zu Daten aus dem Jahr 2007/08 festgestellt [13]
In der Übersicht Tabelle 1 wird schnell ersichtlich, dass die höchsten Konzentrationen in Staubproben zu verzeichnen sind, in denen davon auszugehen ist, dass das Staubalter bei ca. vier Wochen liegen dürfte. Nach den Beschreibungen der Autoren gab es in den wenigsten Fällen konkrete Anweisungen, wie die Staubproben zu entnehmen sind. So wurden bei [14] offenbar wahllos Oberflächen wie auch Mobiliar beprobt. Liegestäube von belasteten Oberflächen dürften eine höhere Migration aus der Oberfläche in den Staubpfad bedingen, als Staub von unbelasteten Möbeloberflächen. Das Staubalter spielt eine zusätzliche Rolle: Je länger der Staub in Kontakt mit belasteten Oberflächen gewesen ist, umso höher fällt die Staubbelastung in der Probe aus. Um den Einfluss von Gegebenheiten vor Ort und Probenahme-bedingten Variablen möglichst gering zu halten, wurde bereits im Jahr 2004 der Leitfaden für die Untersuchung und Bewertung von Hausstaub von der Arbeitsgemeinschaft ökologischer Forschungsinstitute (AGÖF) e.V. [15] herausgegeben. Sämtliche statistisch ausgewerteten Staubergebnisse zu semivolatilen SVOC-Stoffen und Schwermetallen und die daraus abgeleiteten Orientierungswerte beziehen sich auf Staub, der sieben Tage lang exponiert war und ausschließlich von der frei begehbaren Bodenfläche in einen frischen Staubsaugerbeutel aufgenommen wurde. Dieser Empfehlung folgte auch die VDI-Norm 4300 Blatt 8 [16], die zwischenzeitlich jedoch (unberechtigterweise) zurückgezogen wurde. Der Ursprung dieser Vorgehensweise ist auf die Pentachlorphenol (PCP)-Richtlinie [17] zurückzuführen, die sich zur Expositionsabschätzung ebenfalls der Probenahme von ca. sieben Tage altem „Frischstaub“ bedient. Zur besseren Vergleichbarkeit von Analysedaten ist es dringend nahezulegen, Staubproben nach einer standardisierten Verfahrensweise zu entnehmen. Dabei hat sich die Probenahme nach dem AGÖF-Leitfaden in mehrfacher Hinsicht vielfach bewährt.
Ferner wurden in Tabelle 1 Angaben zur untersuchten Staubfraktion zusammengestellt, sofern diese Daten vorlagen. Demnach wurden in den einzelnen Studien verschiedensten Staubfraktionen untersucht. Auch hier wird schnell klar, dass die untersuchte Staubfraktion ebenfalls einen Einfluss auf die Höhe des Untersuchungsbefundes haben dürfte. So wurde bereits von [18] festgestellt, dass die Staubfraktion mit geringerer Korngröße höhere Gehalte an PFAS zeigt, als die mittlere Korngröße. Mit zunehmender Korngröße nimmt die Konzentration wieder zu, was wahrscheinlich einem höheren Anteil an partikulär vorliegenden Primärquellen wie Teppich- und Textilfasern beziehungsweise deren Abrieb geschuldet sein dürfte. Der Vorteil der Untersuchung von Staub geringerer Korngröße besteht darin, dass diese Fraktion näher mit der Partikelgröße der Schwebstaubfraktion übereinstimmt. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass bei der Untersuchung von sieben-Tage Frischstäuben häufig nicht genug Staub für eine Untersuchung gewonnen werden kann. Der AGÖF-Staubleitfaden sieht daher zwar die Untersuchung der 63 µm-Fraktion vor. Die Praxis zeigt jedoch, dass die benötigte Staubmenge in dieser Fraktion häufig nicht erreicht werden kann. Standardisiert kann die Fraktion aus der Zwischenlage eines beigen Papierstaubsaugers untersucht werden. Dieser Staub hat eine geringe Korngröße und liegt bereits gefiltert und weitgehend homogen vor. Alternativ kann auch eine 2 mm-Fraktion untersucht werden, nur bei geringsten Staubmengen sollte die Untersuchung des Gesamtstaubes vorgenommen werden.
Bei der statistischen Auswertung von Messdaten wäre ebenfalls eine einheitliche Vorgehensweise wünschenswert, um eine Belastungssituation besser abbilden zu können. So sind zwar Min/Max-Wert Angaben sowie die Bestimmung des Medians wichtige Eckdaten für die Bewertung. Die Angabe des 90. oder 95. Perzentils erlaubt jedoch eine zusätzliche Schlussfolgerung, ab welcher Konzentration eine statistisch begründete Auffälligkeit innerhalb eines Datenkollektivs vorliegt und eine Quelle im Innenraum annehmen lässt [15]. Eine toxikologische Ableitung ist damit zunächst nicht gegeben. Bei Überschreitung lässt sich allenfalls ein vorsorglicher Handlungsbedarf begründen.
Staub stellt vor allem für am Boden spielende Kleinkinder einen relevanten Expositionspfad dar. Weis verwendete Ergebnisse von Blutuntersuchungen an Hauskatzen zur Korrelation der inneren Belastung mit der Staubbelastung und kam zum Schluss, dass Staub zu einer erhöhten Exposition beitragen kann. Dieses Ergebnis scheint geeignet, auch auf am Boden spielende Kleinkinder übertragen werden zu können [19,20]. Zum Schutz dieser vulnerablen Zielgruppe ist ein Screening im Hausstaub aus Vorsorgegründen ein wichtiges Instrument zur Expositionsabschätzung, insbesondere in Kindergärten oder Kindertagesstätten [3].
Raumluft als Expositionspfad
Literaturdaten zur Luftbelastung beziehen sich auf aktive Probenahmen aus high-Volume- und low-Volume-Beprobungen sowie auf Langzeitmessungen mittels Passivsammler. Über die Dampfdruck-abhängige Verteilung zwischen Gas- und Partikelphase der einzelnen PFAS-Vertreter liegen keine Daten vor. Bei aktiver Probenahme führt die Verwendung von mechanischen Filtern, wie zum Beispiel Glasfaser, zu Messwerten, die sich auf die partikuläre Fraktion in der Raumluft beziehen, während Adsorbenzien wie zum Beispiel Polyurethan (PU)-Schaum oder XAD-2 zu einer Bestimmung der gasförmigen Belastung bzw. einer Mischung aus partikulären und gasförmigen Verbindungen führen. Ähnlich wie bei der Bestimmung von Polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) in der Raumluft mit hohen Sammelvolumina und Durchflussraten ist auch hier für adsorptive Verfahren bei Verbindungen mit geringerem Dampfdruck davon auszugehen, dass diese bei high-Volume-Probenahmen vom Adsorbens wieder desorbieren und dies zu Minderbefunden führt. Die passive Probenahme beruht dagegen auf der Diffusion und erfasst demnach ausschließlich Verbindungen in der Gasphase. Die für die Umrechnung der Daten aus der Passivsammlung erforderlichen Diffusionskoeffizienten werden durch Vergleichsmessungen mittels aktiver Probenahme bestimmt. Auch hier stellt sich im Einzelfall die Frage, welche Luftfraktion der aktiven Probenahme für die Ableitung erfasst wurde und ob die Umrechnung legitim scheint. Auch fehlt in vielen Veröffentlichungen eine Angabe zu den vor der Probenahme vorgefundenen Lüftungsbedingungen. Sofern diese nicht auf einer Probenahme unter Ausgleichsbedingungen (s.a. VDI 4300 Blatt 1 oder DIN 16000-1 [21,22]) beruhen, sind die gewonnenen Messdaten wenig reproduzier- und nur begrenzt vergleichbar. Dies muss bei der Bewertung von Daten aus Raumluftuntersuchungen Berücksichtigung finden.
Eine systematische Bearbeitung der vorliegenden Daten im Hinblick auf das verwendete Sammelmedium und die Probenahme-Bedingungen scheint bisher noch nicht vorgenommen worden zu sein.
Tabelle 2 bietet einen Ausschnitt zum möglichen Vorkommen von PFAS-Verbindungen in der Raumluft. Thumulla et al. stellen hier erstmals Daten zur partikulären Luftbelastung der Raumluft vor. Im Vergleich zu den volatilen PFAS-Vertretern fallen die Ergebnisse in einer niedrigen Größenordnung aus. Die Probenahme erfolgte jeweils im Ruhezustand. Bei Mobilisierung, wie es zum Beispiel in Kindertagesstätten oder in Turnhallen zur normalen Nutzung gehört, ist ein deutlicher Anstieg dieser Konzentrationen vor allem bei hoher Staubbelastung zu erwarten.
Fazit
Zur Exposition des Menschen gegenüber PFAS-Verbindungen liegen weder gesicherte Daten zur nicht-ingestiven Exposition noch über die langfristige Toxikokinetik vor. Zwar wird für verschiedene Vertreter dieser chemisch-physikalisch hochvariablen Stoffgruppe bereits eine Abnahme im menschlichen Blut verzeichnet [2], dies gilt jedoch vor allem für die bereits mit Restriktionen belegten und in kritischen Lebensmitteln geregelten Verbindungen. Dennoch überschreiten ca. 50 Prozent der Erwachsenen allein über die Nahrung den TWI von 4,4 ng/kg KG pro Woche. Für Kinder im Alter von 1-9 Jahren liegt der TWI im Median beim drei-fachen, beim 95. Perzentil beim 11-fachen Gehalt des TWIs, wie Daten aus dem Jahr 2021 zeigen [2].
Da auch der Luft- und Staubpfad bei hohen Konzentrationen einen wesentlichen Aufnahmepfad darstellen kann [1,23], ist ein entsprechendes Monitoring als Grundlage für eine valide toxikologische Bewertung der Belastung von Innenräumen unerlässlich. Ohne Kennzeichnungspflicht ist es für Verbraucher und Verbraucherinnen nicht möglich, PFAS- Produkte von PFAS-haltigen Produkten zu unterscheiden.
Zur Datenerhebung und Ableitung von Innenraumrichtwerten ist ein Monitoring parallel in Raumluft und Hausstaub dringend erforderlich. Mit der hier vorgestellten Vorgehensweise zur standardisierten Probenahme wird eine Datenlage geschaffen, die eine Vergleichbarkeit der gewonnenen Messwerte ermöglicht.
Literatur
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