BD-I-3: Rückgewinnung natürlicher Überflutungsflächen

Quelle: Pavel Klimenko / Fotolia.com

Monitoringbericht 2019 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel
Monitoringbericht 2019 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel
Rückverlegung, Rückbau oder Schlitzung von Deichen haben seit 1983 zu einer Zunahme von natürlichen Überflutungsflächen geführt. Durch den Anschluss an die Gewässer und die Wiederherstellung der natürlichen Überschwemmungsdynamik sind neue naturschutzfachlich wertvolle Lebensräume für eine Vielzahl seltener und gefährdeter Tier-und Pflanzenarten sowie naturschutzfachlich bedeutsame Auwälder entstanden.
Das Säulendiagramm stellt die Rückgewinnung natürlicher Überflutungsflächen durch Deichrückverlegung von 1983/2000 bis 2017 dar. Für 2017 wird eine kumulierte Fläche von etwa mehr als 4000 Hektar ausgewiesen. Die Zeitreihe zeigt einen signifikant steigenden Trend.
Neben den beschriebenen direkten Auswirkungen des Klimawandels auf die biologische Vielfalt bedingen der Klimawandel und die damit verbundenen Klimaschutz-und Anpassungsmaßnahmen auch indirekte Auswirkungen vor allem in Form einer veränderten Landnutzung. Nach Einschätzung von Experten nehmen diese indirekten Klimawandelfolgen sogar größeren Einfluss auf die Entwicklung der biologischen Vielfalt als die direkten Wirkungen der sich verändernden klimatischen Bedingungen. Eine exakte Quantifizierung indirekter Folgen von Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen für Arten und Lebensräume ist derzeit jedoch kaum möglich, da das Zusammenwirken der unterschiedlichen Einflussfaktoren sehr komplex ist.
Zu den Landnutzungsveränderungen, die in einen Zusammenhang mit dem Klimawandel gestellt werden können, gehören auch Anpassungsmaßnahmen im Rahmen der Gewässer- und Auenentwicklung. Neben Deicherhöhungen, der Errichtung von Rückhaltebecken oder anderen technisch geprägten Maßnahmen gilt die dauerhafte Wiederherstellung natürlicher Überflutungsflächen als wirksamer Baustein eines umfassenden Hochwasserrisikomanagements.
Können sich Flüsse im Falle von Hochwasserereignissen in diese Überflutungsflächen hinein ausdehnen, wird der Abfluss verlangsamt und die Hochwasserwelle gedämpft. Solche neu gewonnenen Überflutungsflächen wurden zuvor in vielen Fällen intensiv landwirtschaftlich genutzt. Eine Überführung in Flächen mit natürlicher Hochwasserdynamik ermöglicht eine Wiederbesiedlung mit vielen auentypischen Pflanzen- und Tierarten. Darunter befinden sich auch zahlreiche seltene und gefährdete Arten, die an die besonderen Bedingungen stark wechselnder Wasserstände angepasst sind, u. a. Biber, Fischotter, Eisvogel, Uferschwalbe, Rohrweihe, mehrere vor allem störungsempfindliche Entenarten sowie zahlreiche Libellen- und Amphibienarten. Zudem stellen natürlich überflutbare Lebensräume der Auen ein wichtiges Bindeglied im Biotopverbund und Schutzgebietssystem Natura 2000 dar.
Anhand des Deichrückbaus zur Wiederherstellung natürlicher Retentionsräume in Flussauen wird deutlich, dass Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel im Rahmen des naturverträglichen Hochwasserschutzes auch positive Auswirkungen auf die biologische Vielfalt haben können.
Durch Rückbau, Rückverlegung oder Schlitzung von Deichen an bundesweit 79 Flüssen in den Jahren von 1983 bis 2017 sind 4.080 Hektar ehemalige Auenfläche wieder an die natürliche Überflutungsdynamik der Fließgewässer angeschlossen worden und werden bei Hochwasserereignissen ungesteuert überschwemmt. Die Einrichtung gesteuerter Hochwasserschutzpolder oder sonstige gesteuerte Flutungen der Aue sind dabei nicht berücksichtigt. Der jährliche Netto-Zugewinn ist abhängig von der Größe der fertiggestellten Projekte im jeweiligen Jahr und damit sehr variabel. Von 2014 bis 2017 wurden nur vergleichsweise kleine Flächen hinzugewonnen.
Auch wenn Maßnahmen zur Rückgewinnung natürlicher Überflutungsflächen i. d. R. nicht allein bzw. nicht primär zur Anpassung an den Klimawandel geplant wurden, so ist doch vor allem in den letzten fünfzehn Jahren das Bewusstsein gewachsen, dass der Klimawandel eine veränderte Abflussdynamik in den Flusseinzugsgebieten mit sich bringt und natürliche Retentionsflächen rückgewonnen werden müssen, um Hochwasserschäden z. B. an Siedlungen, Verkehrsinfrastruktur oder landwirtschaftlichen Flächen vorzubeugen.
Eine bundesweite Auenerfassung im Jahr 2009 kam zu dem Ergebnis, dass von ehemals rund 1,5 Millionen Hektar Auenfläche an Flüssen heute noch rund 480.000 Hektar bei Hochwasser als Retentionsraum zu Verfügung stehen.36 Die in den Jahren von 1983 bis 2017 erzielte Rückgewinnung natürlich überflutbarer Auenflächen umfasst demgegenüber eine vergleichsweise kleine Fläche.
36 - BMU & BfN (Hrsg.) 2009: Auenzustandsbericht – Flussauen in Deutschland. Berlin, Bonn, 34 S.
Vergrößerung der Rückhalteflächen an den Flüssen um mindestens 10 % bis 2020 (NBS, Kap. B 1.2.4)
Frühere Überschwemmungsgebiete, die als Rückhalteflächen geeignet sind, sollen so weit wie möglich wiederhergestellt werden, wenn überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit dem nicht entgegenstehen (WHG, § 77 (2))
Förderung von Maßnahmen mit abmildernder Wirkung auf Extremereignisse, z. B. zur Verbesserung der Hydromorphologie (u. a. Anbinden von Altarmen, aber auch Deichrückverlegungen) (DAS, Kap. 2.3)