FW-I-1: Baumartenzusammensetzung in Naturwaldreservaten – Fallstudie

Das Bild zeigt einen lichten naturnahen Wald mit Laubbäumen. Ein Baum ist auf großer Höhe abgebrochen. Ein großer abgebrochener Stamm liegt am Boden.  zum Vergrößern anklicken
Welche Baumarten am Standort konkurrenzfähiger sind, lässt sich in Naturwaldreservaten beobachten.
Quelle: Peter Meyer / NWFVA

Monitoringbericht 2019 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel

Inhaltsverzeichnis

 

FW-I-1: Baumartenzusammensetzung in Naturwaldreservaten – Fallstudie

In den Naturwaldreservaten, für die stärkere Klimaänderungen mit höheren Temperaturen und trockeneren Bedingungen sowie häufigeren und stärker ausgeprägten Witterungsextremen erwartet werden, hat der Anteil der Buche abgenommen.

Das Balken-Diagramm stellt die jährliche Veränderung der Baumartenzusammensetzung in Naturwaldreservaten mit erwarteter starker Klimaänderung in Prozent und differenziert für die beiden Zeiträume 1971 bis 2014 sowie 2014 bis 2018 dar.
FW-I-1: Baumartenzusammensetzung in Naturwaldreservaten – Fallstudie

Das Balken-Diagramm stellt die jährliche Veränderung der Baumartenzusammensetzung in Naturwaldreservaten mit erwarteter starker Klimaänderung in Prozent und differenziert für die beiden Zeiträume 1971 bis 2014 sowie 2014 bis 2018 dar. Die Bestandsdichte insgesamt ist im erstgenannten Zeitraum um rund ein Prozent gestiegen, im zweitgenannten Zeitraum leicht zurückgegangen. Die mit den Baumarten bestockte Fläche hat sich wie folgt verändert. Die Buche, die zwischen 1971 und 2014 noch um knapp 0,4 Prozent zugenommen hat, hat zwischen 2014 und 2018 um fast ein Prozent abgenommen. Bei der Eiche wandelte sich die Abnahme um mehr als 0,5 Prozent zu einer Zunahme von rund 0,3 Prozent, bei Esche und Ahorn von minus 0,2 auf plus 2,7 Prozent, bei den Pionieren von minus 0,8 auf plus 1,8 Prozent.

Quelle: Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt / Projektgruppe Naturwälder (Daten der Länder aus Forschung und Monitoring in den Naturwaldreservaten)
 

Anpassungsfähigkeit der natürlichen Baumarten

Wälder sind sehr langlebige Ökosysteme. Dementsprechend hat es auch die Forstwirtschaft mit langen Produktionszeiträumen zu tun. Sie muss weit vorausschauend planen und zukünftige Veränderungen der Wuchsbedingungen berücksichtigen. Baumarten, die bislang noch gut mit den Klimabedingungen an ihrem Standort zurechtkommen, können in den kommenden Jahrzehnten anfälliger für Schäden werden und Zuwachseinbußen erleiden. Im Wirtschaftswald wird die Artenzusammensetzung von der forstlichen Nutzung und Pflege geprägt. Hier überlagern sich die natürliche Waldentwicklung und die vom Menschen durchgeführten Eingriffe.

In Naturwaldreservaten entwickeln sich die Wälder ohne direkte menschliche Eingriffe. Ende 2017 gab es in Deutschland 742 Naturwaldreservate mit einer Fläche von insgesamt 35.500 Hektar. In der überwiegenden Zahl der Naturwaldreservate dominieren die standortheimischen Baumarten. Ob die Grenzen ihrer ⁠Anpassungsfähigkeit⁠ infolge der Klimaveränderungen überschritten werden, sollen Beobachtungen der natürlichen Walddynamik in diesen Gebieten zeigen. Die Ergebnisse erleichtern den Waldbewirtschaftenden die Entscheidung, in welchem Umfang wärme- und trockenheitstolerantere Baumarten in forstlich genutzte Bestände eingebracht werden sollten, um die Holznutzung auch künftig zu sichern.

Regionale Projektionen des künftigen Klimawandels ermöglichen eine Unterscheidung zwischen Naturwaldreservaten, in denen in Zukunft eher geringe Änderungen der Wasserversorgung zu erwarten sind, und solchen, in denen sich die Wasserbilanz voraussichtlich deutlich negativ verändern wird, sodass der Baumbestand unter ⁠Trockenstress⁠ geraten könnte. Fasst man innerhalb dieser Gebiete die vorkommenden Baumarten zu Gruppen mit bestimmten Anpassungseigenschaften zusammen und beobachtet deren langfristige Entwicklung, lassen sich Aussagen zum Verlauf von Anpassungsprozessen der Waldökosysteme treffen. Während der Trauben- und Stieleiche, der Esche, dem Berg- und Spitzahorn sowie den sogenannten Pionierarten wie der Sand- und Moorbirke, der Salweide, der Aspe und der Eberesche ein vergleichsweise hohes Anpassungsvermögen zugeschrieben wird, ist zu vermuten, dass die Rotbuche eher empfindlich auf Trockenstress reagiert. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass auch andere Faktoren wie beispielsweise Schädlingsbefall, Windwürfe oder die Konkurrenz um Licht, Wasser und Nährstoffe die Entwicklung der einzelnen Baumartengruppen beeinflussen.

In Naturwaldreservaten der Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein zeichneten sich bis 2014 Verschiebungen in der Baumartenzusammensetzung ab, die sich nicht mit Klimaveränderungen erklären ließen. Überwiegend zeigten die Baumbestände eine Zunahme der Bestandesdichte, was als Hinweis darauf gewertet werden konnte, dass die Vitalität der Bäume nicht erkennbar beeinträchtigt wurde. Während die Buche ihren Anteil erhöhen konnte, waren die Anteile der Eichenarten und der Esche / Ahorn-Gruppe zurückgegangen. Diese Entwicklung kann zum einen mit der Konkurrenzkraft der Buche und zum anderen mit krankheitsbedingten Absterbeerscheinungen bei der Eiche und der Esche erklärt werden. Die Gruppe der Pionierbaumarten zeigte nur eine sehr geringfügige Veränderung. Insgesamt deuteten die Ergebnisse nicht darauf hin, dass die Entwicklungen merklich vom ⁠Klimawandel⁠ beeinflusst waren.

In der zweiten Beobachtungsperiode von 2014 bis 2017 hat sich die Entwicklungsrichtung in denjenigen Naturwaldreservaten umgekehrt, für die stärkere Klimaänderungen mit höheren Temperaturen und trockeneren Bedingungen sowie häufigeren und stärker ausgeprägten Witterungsextremen erwartet werden. Bei einer nur noch sehr geringen Zunahme der Bestandesdichte hat der Anteil der Buche abgenommen, während die Anteile aller anderen Baumartengruppen zugenommen haben. Angesichts des recht kurzen Beobachtungszeitraums müssen die Ergebnisse zwar vorsichtig interpretiert werden, sie entsprechen jedoch den unter Klimawandel erwarteten Entwicklungen. Gestützt wird diese Interpretation auch dadurch, dass sich in Naturwaldreservaten, für die eher geringere Veränderungen der Wasserversorgung erwartet werden, die Entwicklung der ersten Beobachtungsperiode fortsetzt. Hier nehmen Bestandsdichte und Buchenanteile weiter zu. Die beiden Gruppen zeigen also erstmals eine unterschiedliche Entwicklung.

 

Ziele

In vorhandenen nutzungsfreien Wäldern wird das Klimaanpassungspotenzial der Baumbestände ohne Pflege und Nutzung untersucht. Auf dieser Grundlage werden Hinweise für die Forstwirtschaft gegeben. (Waldstrategie 2020, S. 11)

Erhaltung und Entwicklung der natürlichen und naturnahen Waldgesellschaften (⁠NBS⁠, Kap. B 1.2.1)