Die soziale Lage entscheidet mit darüber, ob und in welchem Umfang Kinder, Jugendliche und Erwachsene durch Umweltschadstoffe belastet sind. Strukturell schlechter gestellte Menschen sind von Umweltproblemen oftmals stärker betroffen als strukturell besser Gestellte.
Bildung, Einkommen und Faktoren wie die berufliche Stellung beeinflussen die Wohnbedingungen und Lebensstile sowie die damit verbundenen Gesundheitsrisiken der Menschen. Das belegen sozial- und umweltepidemiologische Untersuchungen wie die Deutsche Umweltstudie zur Gesundheit (GerES), die das Umweltbundesamt seit dem Jahr 1985 durchführt.
Diese Studien zeigen, dass strukturell benachteiligte Bevölkerungsgruppen in den meisten Fällen häufiger und stärker von Umweltproblemen betroffen sind als strukturell besser Gestellte. Sie verfügen meist auch nicht über die Ressourcen, um solche Belastungen zu vermeiden. In einigen Fällen sind aber auch strukturell besser Gestellte höher belastet.
Nach den Ergebnissen der bundesweit repräsentativen Umweltbewusstseinsstudie von 2024 fühlten sich in Deutschland rund 31 % der Befragten durch Umweltprobleme gesundheitlich „sehr stark“ oder „stark“ belastet. Dabei nahmen Befragte mit niedrigem Einkommen subjektiv deutlich häufiger umweltbedingte Gesundheitsbelastungen wahr als Befragte mit hohem Einkommen. Das galt insbesondere für Hitzeperioden sowie Schadstoffe in Trinkwasser und Lebensmitteln (UBA 2025).
Gesunde Wohnverhältnisse sollten nicht vom Geldbeutel abhängen. Quelle: Harald07 / Fotolia.com
Umweltbedingte Mehrfachbelastungen
In einer Studie von 2024 konnte für Deutschland gezeigt werden, dass Haushalte mit geringeren Einkommen häufiger in Gebieten leben, in denen Mehrfachbelastungen aus schlechter Luftqualität (PM2,5, Stickstoffdioxid), Lärm und besonders hohen Lufttemperaturen auftreten als finanziell besser gestellte Haushalte (UBA 2024).
Für das Land Berlin wurde ein „Umweltgerechtigkeitsmonitoring“ entwickelt, das über die sozialräumliche Verteilung gesundheitsrelevanter Umweltbelastungen und -ressourcen Auskunft gibt. Aktuelle Daten zeigen, dass es in der Stadt viele Gebiete gibt, die gleichzeitig Lärm- und Luftbelastungen aufweisen, einen Mangel an Grünflächen besitzen und eine hohe soziale Problemdichte (u. a. eine hohe Arbeitslosigkeit) haben und damit mehrfach belastet sind (SenUVK 2022).
In einer Studie in Dortmund wurden im nördlichen Teil der Stadt zahlreiche „Hotspots“ identifiziert, in denen es gleichzeitig eine hohe soziale Verwundbarkeit (u.a. mit einer hohen Anzahl an Transferleistungsempfänger*innen und Menschen mit Migrationshintergrund) und umweltbedingte Mehrfachbelastungen gibt. In den „Hotspots“ konzentrierten sich hohe Feinstaub (PM10), Stickstoffdioxid (NO2) und Lärmbelastungen sowie eine große Entfernung zu Grünflächen (Shrestha et al. 2016).
Belastungen durch Straßenverkehr
Menschen mit einem niedrigen sozioökonomischen Status sind in Deutschland öfter verkehrs- und industriebedingten Luftschadstoffen ausgesetzt als Menschen mit einem hohen sozioökonomischen Status. Sie fühlen sich auch häufiger durch äußere Umwelteinflüsse belästigt. Drei Beispiele:
Die Auswertung der Deutschen Umweltstudie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen von (GerES V), die das Umweltbundesamt in den Jahren 2014 bis 2017 durchführte, ergab, dass nach Angaben der Eltern, 3- bis 17-jährige Kinder aus Familien mit niedrigem sozioökonomischen Status häufiger an stark befahrenen Haupt- oder Durchgangsstraßen wohnen als Kinder aus Familien mit mittlerem und hohem sozioökonomischen Status (siehe Abb. „Wohnlage von 3-17-Jährigen nach sozioökonomischen Status“).
Die Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1), die das Robert Koch-Institut (RKI) von 2008 bis 2011 durchgeführt hat, zeigen ebenfalls eine stärkere Straßenverkehrsbelastung bei Personen mit niedrigem sozioökonomischen Status. Demnach berichteten 28,3 % der Befragten mit niedrigem Sozialstatus davon, an einer stark oder extrem stark befahrenen Straße zu wohnen, doch nur 14,8 % der oberen Statusgruppe (Laußmann et al. 2013).
Daten der Schulanfängerstudie Sachsen-Anhalt, die von 1991 bis 2009 erhoben wurden, weisen auf mögliche Auswirkungen solcher Wohnlagen auf die Gesundheit hin: So stand das Auftreten von Krankheiten wie Bronchitis, Lungenentzündung und Nasennebenhöhlenentzündung bei Kindern nachweislich mit einem erhöhten Autoverkehr in benachteiligten Wohnlagen in Zusammenhang. Je weiter der Kindergarten von einer verkehrsreichen Straße entfernt lag, desto niedriger war auch die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder an einer dieser Krankheiten erkrankten. Weiterhin ergaben sich Zusammenhänge mit der sozialen Situation der Kinder: Kamen sie aus Familien mit einem niedrigeren Sozialstatus, lebten sie näher an verkehrsreichen Straßen und erwiesen sich als anfälliger für Erkältungskrankheiten (Gottschalk et al. 2011).
Wohnlage von 3-17-Jährigen nach sozioökonomischen Status Quelle: UmweltbundesamtDiagramm als PDF
Eine dauerhafte Lärmbelastung kann krank machen (UBA 2023). Menschen mit niedrigem sozioökonomischen Status sind sowohl subjektiv als auch objektiv mehr Lärm und insbesondere Straßenverkehrslärm im Wohnumfeld ausgesetzt als Menschen mit höherem sozioökonomischen Status. Fünf Beispiele:
Die Auswertung von GerES V zeigte, dass sich Kinder aus Familien mit niedrigem sozioökonomischen Status durch Straßenverkehrslärm häufiger stark oder sehr stark belästigt fühlen als Kinder aus Familien mit höherem Sozialstatus (siehe Abb. „Lärmbelästigung durch Straßenlärm von 3-17-Jährigen nach sozioökonomischem Status“).
Im Jahr 2019 fühlten sich armutsgefährdete Menschen mit rund 33 % häufiger als nicht armutsgefährdete Menschen (rund 25 %) von Lärm durch Nachbarn oder von der Straße belästigt (Eurostat 2021).
Die Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell“ (GEDA) des Robert Koch-Instituts (RKI) aus dem Jahr 2012 zeigt, dass sich Personen mit niedrigem sozioökonomischen Status stärker von Lärm durch Nachbarn, Straßen- oder Schienenverkehr belästigt fühlen als Personen mit hohem sozioökonomischen Status (Niemann et al. 2014).
Ergebnisse einer regionalen Erhebung in Frankfurt a. M. aus dem Jahr 2014 zeigen zudem, dass sich Familien mit einem niedrigen Sozialstatus häufiger durch Lärm belästigt fühlen als Familien, die einen höheren Sozialstatus aufweisen (Schade, M. (2014): „Umwelt, Soziale Lage und Gesundheit bei Kindern in Frankfurt am Main“. Unveröffentlichte Dissertation, Universität Bielefeld.).
Von Szombarthely et al. (2018) fanden für Hamburg heraus, dass die Wahrscheinlichkeit, in Gebieten mit einer höheren Lärmbelastung zu wohnen, für Haushalte mit niedrigerem Einkommen signifikant höher ist als für Haushalte mit höherem Einkommen.
Lärmbelästigung durch Straßenlärm von 3-17-Jährigen nach sozioökonomischem Status Quelle: UmweltbundesamtDiagramm als PDF
Bundesweit repräsentative und regionale Studien zur sozialräumlichen Verteilung von Umweltressourcen in Deutschland zeigen, dass Menschen mit geringeren Einkommen und niedrigem Bildungsniveau häufig einen schlechteren Zugang zu umweltbezogenen Gesundheitsressourcen wie Grün- und Freiflächen haben:
Eine aktuelle Auswertung der GerES V Daten zeigt, dass Kinder und Jugendliche mit niedrigem sozioökonomischen Status in Städten mit mehr als 20.000 Einwohner*innen länger brauchen, um zu Fuß von zu Hause eine öffentliche Grünfläche zu erreichen als Kinder und Jugendliche mit hohem sozioökonomischen Status (Rehling et al. 2021).
Mit Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) und des European Urban Atlas (EUA) fanden Wüstemann et al. 2017 für Gesamtdeutschland einen positiven Zusammenhang zwischen individuellem Einkommen, individueller Bildung und der Anzahl zugänglicher Grünflächen in der Wohnumgebung. Befragte der höchsten Einkommensgruppe hatten beispielsweise mehr nahegelegene Grünfläche zur Verfügung als die der niedrigsten Einkommensgruppe.
Für die Stadt München zeigten Schüle et al. 2017, dass ein niedriger sozioökonomischer Status einer Nachbarschaft (u. a. Anteil von Haushalten mit geringer Bildung und niedrigem Berufsstatus) mit einer geringeren Verfügbarkeit von Grünflächen in der Nachbarschaft assoziiert ist.
Innenraumluftbelastungen
In Innenräumen ist die Situation komplexer. Die Qualität der Innenraumluft ist von vielen Faktoren abhängig, unter anderem von der Wohnungseinrichtung und dem Verhalten der Bewohnerinnen und Bewohner. In GerES V wurde die Schadstoffbelastung der Innenraumluft bei Kindern und Jugendlichen erfasst (UBA 2025). Drei Beispiele:
Stichwort Formaldehyd: Die Luft in Kinderzimmern von Familien mit niedrigem sozioökonomischen Status enthielt im Schnitt höhere Formaldehydkonzentrationen als die Luft in Kinderzimmern von Familien mit mittlerem und hohem sozioökonomischen Formaldehyd ist krebserzeugend und kommt beispielsweise als Klebstoffbestandteil in Holzwerkstoffen oder im Zigarettenrauch vor (siehe Abb. „Formaldehyd in der Luft des Kinderzimmers von 3-17-Jährigen nach sozioökonomischen Status“).
Stichwort Passivrauchen: Kinder aus Familien mit niedrigem sozioökonomischen Status waren deutlich häufiger Tabakrauch ausgesetzt als Kinder aus besser gestellten Familien (siehe Abb. „Rauchen in Wohnung in Gegenwart des Kindes nach sozioökonomischen Status“).
Stichwort α-Pinen: Die Luft der Kinderzimmer von Familien mit hohem sozioökonomischen Status ist stärker mit α-Pinen belastet. Das ist eine natürlich vorkommende Chemikalie, die z.B. aus Holz ausgast und häufig als Aroma- und Duftstoff eingesetzt wird. Vor allem bei Kindern kann α-Pinen die Atemwege und die Augen reizen (siehe Abb. „α-Pinen in der Luft des Kinderzimmers von 3-17-Jährigen nach sozioökonomischen Status“).
Formaldehyd in der Luft des Kinderzimmers von 3-17-Jährigen nach sozioökonomischen Status Quelle: UmweltbundesamtDiagramm als PDF
In GerES V wurden im Rahmen des Human-Biomonitoring Schadstoffe und ihre Abbauprodukte im Blut und Urin der Teilnehmenden analysiert (UBA 2023). Die Belastung durch Umweltschadstoffe ergibt ein uneinheitliches Bild, wie drei Beispiele zeigen:
Stichwort Blei: Das Schwermetall Blei kann bereits bei einer geringen Konzentration die Reifung des kindlichen Nervensystems beeinträchtigen. Es wurden keine Unterschiede in der Bleikonzentration im Blut von Kindern und Jugendlichen nach sozioökonomischen Status nachgewiesen (Vogel et al. 2021).
Stichwort Weichmacher: Diethylhexylphthalat (DEHP) wird als Weichmacher für PVC verwendet und findet Anwendung in Kunststoffprodukten wie Boden- und Wandbelägen, Kunstledern und Kabeln. DEHP kann die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen und das Hormonsystem stören. Für alle Kinder und Jugendlichen konnte in GerES V eine Belastung mit DEHP gemessen werden, trotz starker Regulierung des Weichmachers. Die innere Belastung von Kindern und Jugendlichen aus Haushalten mit niedrigem soziökonomischen Status war höher als die von Kindern und Jugendlichen aus Haushalten mit hohem soziökonomischen Status (siehe Abb. „Abbauprodukte von DEHP im Urin von 3-17-Jährigen nach sozioökonomischem Status“). Im Vergleich zu GerES IV (2003-2006) ist die Belastung jedoch stark zurück gegangen. Die DEHP-Aufnahme kann bei Kindern höher sein als bei Jugendlichen und Erwachsenen, da sich diese viel auf dem Fußboden aufhalten und somit vermehrt mit Hausstaub in Kontakt sind (UBA 2023).
Stichwort polychlorierte Biphenyle (PCB): Das Blut der Kinder mit höherem sozioökonomischen Status war höher mit PCB belastet als das Blut von Kindern mit niedrigem sozioökonomischen Status (siehe Abb. „Polychlorierte Biphenyle (PCB) im Blut von 3-17-Jährigen nach sozioökonomischen Status“) (Bandow et al. 2020). Der Grund hierfür ist das unterschiedliche Stillverhalten (die Stoffe werden beim Stillen mit der Muttermilch an das Kind weitergegeben). Der Anteil stillender Mütter war in der oberen Gruppe am höchsten und die Stilldauer war in dieser Gruppe am längsten. Zudem waren Mütter mit hohem sozioökonomischen Status tendenziell älter und hatten daher im Laufe ihres Lebens bereits mehr PCB im Körper akkumuliert. Chlororganische Substanzen wie PCB werden vor allem über Lebensmittel tierischer Herkunft aufgenommen und können das Immunsystem sowie das Nervensystem schädigen.
Abbauprodukt von DEHP im Urin von 3-17-Jährigen nach sozioökonomischem Status Quelle: UmweltbundesamtDiagramm als PDF
Auch bei den umweltassoziierten Erkrankungen zeigt sich ein differenziertes Bild in Abhängigkeit vom sozioökonomischen Status:
Im bundesweiten Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS Welle 2) des Robert Koch-Instituts (RKI) wurde in den Jahren 2014 bis 2017 u.a. der Gesundheitszustand von 3- bis 17-jährigen Kinder und Jugendliche mit niedrigem sozioökonomischen Status hatten einen schlechteren allgemeinen Gesundheitszustand und wiesen häufiger gesundheitsbezogene Einschränkungen auf. Solche sozialen Unterschiede zeigten sich etwa bei den 12-Monats-Prävalenzen von Asthma bronchiale und wesentlich ausgeprägter bei der psychischen Gesundheit (Kuntz et al. 2018).
Bei Erwachsenen mit hohem sozioökonomischen Status treten allergische Erkrankungen wie z.B. Heuschnupfen, Neurodermitis, Kontaktekzem oder Asthma bronchiale insgesamt häufiger auf als bei Erwachsenen mit niedrigem oder mittlerem sozioökonomischen Status. Die Daten der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) der Jahre 2008 bis 2011 konnten dieses Phänomen insbesondere für Frauen aufzeigen (Langen et al. 2013).
Die Verbesserung der Datenbasis über die soziale Verteilung von Umweltbelastungen und deren gesundheitliche Auswirkungen ist eine wichtige Aufgabe für die Zukunft. Die Verknüpfung von Umwelt-, Gesundheits- und Sozialberichterstattung ist ein Aufgabenfeld, das stärker verfolgt werden muss. Aussagekräftige Daten bilden die Grundlage, auf der sich umweltpolitische, verkehrsplanerische und verbraucherbezogene Maßnahmen gezielter planen und umsetzen lassen.
Tipps zum Weiterlesen:
Bolte, G., Bunge, C., Hornberg, C., Köckler, H. (2018): Umweltgerechtigkeit als Ansatz zur Verringerung sozialer Ungleichheiten bei Umwelt und Gesundheit. Bundesgesundheitsblatt, 61. Jg. (6): 674–683.
Bolte, G., Bunge, C., Hornberg, C., Köckler, H., Mielck, A. (Hrsg.) (2012): Umweltgerechtigkeit. Chancengleichheit bei Umwelt und Gesundheit: Konzepte, Datenlage und Handlungsperspektiven. Hans Huber Verlag, Bern.
Rehling, J., Bunge, C. (2020): Umweltgerechtigkeit in Städten. Empirische Befunde und Strategien für mehr gesundheitliche Chancengleichheit. Informationen zur Raumentwicklung (IzR) 47 (1).
Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität und Verbraucher- und Klimaschutz (SenUMVK) Berlin (Hrsg.) (2022): Die umweltgerechte Stadt. Umweltgerechtigkeitsatlas. Aktualisierung 2021/2022. Berlin.
„Für Mensch und Umwelt“ ist der Leitspruch des UBA und bringt auf den Punkt, wofür wir da sind. In diesem Video geben wir Einblick in unsere Arbeit.
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