Für den Gewässerschutz ist die Abwasserbehandlung eine essentielle „End of Pipe“ Maßnahme. Eine Vielzahl von Stoffen unterschiedlicher Herkunftsbereiche (Haushalt, Gewerbe, Gebäude, Straßenabfluss) gelangen ins Abwasser. Die Abwasserbehandlung in Deutschland ist sehr leistungsfähig. Dennoch können nicht alle Stoffe entfernt werden und gelangen so mit dem behandelten Abwasser in unsere Gewässer.
Dank nationaler und internationaler Regelungen sowie durch technischen Fortschritt hat sich die Qualität der Fließgewässer in den letzten 30 Jahren deutlich verbessert. Einen wichtigen Beitrag dazu leistet die kommunale Abwasserentsorgung, da Abwasser in der Regel vor Einleitung in die Gewässer behandelt wird.
Durch diverse Produkte im Haushalt (wie Reinigungsmittel, Wandfarben, Arzneimittel, Körperpflegeprodukte und Schädlingsbekämpfungsmittel) und Gewerbe gelangt eine Vielzahl an unterschiedlichen Stoffen in das Abwasser. Auch kommen ständig Stoffe und Produkte wie neuartige Medikamente und Biozid-Produkte (beispielsweise Desinfektionsmittel) hinzu. In kombinierte Kanalisationen wird zusätzlich das von versiegelten Flächen ablaufende Niederschlagswasser eingeleitet (Mischsystem). Dieses führt ebenfalls Stoffe von Straßenflächen (z.B. Abrieb von Reifen und Bremsbelägen) oder von Gebäuden (Hausdächer, Fassadenanstriche) mit sich. Diese Stoffgemische in den Kläranlagen zu entfernen, ist technisch anspruchsvoll und kostenintensiv.
Grundsätzlich sind Maßnahmen zur Vermeidung von Einträgen an den Quellen, zum Beispiel die sachgerechte Entsorgung von Arzneimittelresten, Anwendungsbeschränkungen oder Anwendungsverbote sowie Regelungen zum Stoff- und Produktrecht unerlässlich. Zusätzlich ist der Schadstoffrückhalt in der Kläranlage als „End of Pipe“-Maßnahme wichtig sowohl zum Schutz der Gewässer als auch beispielsweise bei der Trinkwasser- und Nahrungsmittelgewinnung zum Schutz der menschlichen Gesundheit.
In Deutschland werden jährlich allein rund 8,3 Mrd. Kubikmeter behandeltes Abwasser aus kommunalen Kläranlagen in die Gewässer eingeleitet (Statistisches Bundesamt 2024). Je nach Abwasseranfall in einem Gebiet und dem regionalen Wasserdargebot (natürlichem Gebietsabfluss), ist der Anteil behandelten kommunalen Abwassers am Gesamtabfluss der Gewässer in Deutschland sehr unterschiedlich. In Regionen mit hoher Einwohnerdichte und hohem Abwasseranfall oder in sehr kleinen Gewässern kann der Anteil hoch sein (Abbildung 1).
In anderen Forschungsvorhaben und der täglichen Arbeit geht das UBA der Frage nach: Welchen Beitrag zur Reduzierung der Stoffeinträge leisten die Kläranlagen? Ist das mit Blick auf den Gewässerschutz ausreichend oder muss die Abwasserbehandlung weiter ausgebaut werden?
Anteil behandelten Abwassers am mittleren Gesamtabfluss in Fließgewässern in Deutschland Quelle: MoRE-DE Toolbox
Ein koordiniertes Monitoring-Projekt in Deutschland
Durch behördliche Untersuchungen wird nur ein kleiner Teil der im kommunalen Abwasser befindlichen Stoffe regelmäßig untersucht. Welche Stoffe das sind regelt die deutsche Abwasserverordnung (AbwV). Weitere Informationen zur Abwasserverordnung finden sich auch auf der UBA-Themenseite "Anforderungen an das Einleiten von Abwasser – Abwasserverordnung". Um die Belastung zu ermitteln und die Gewässer wirksam zu schützen, sind jedoch Aussagen zum Eintrag weiterer Stoffe aus kommunalen Kläranlagen notwendig. So fordert die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL, 2000/60/EG) für ausgewiesene (prioritäre) Schadstoffe eine regelmäßige Bestandsaufnahme der Emissionen und Einleitungen (Richtlinie über Umweltqualitätsnormen (UQN-RL, 2013/39/EU)) mit dem Ziel, den Eintrag dieser Schadstoffe in die Gewässer zu verringern bzw. einzustellen.
Um Kenntnislücken zu schließen und Aussagen zur Relevanz der kommunalen Kläranlagen als Eintragspfad u.a. für die ausgewiesenen prioritären Schadstoffe in Gewässer treffen zu können, wurde in Zusammenarbeit von Bund und Ländern im Jahr 2011 ein zweistufiges Monitoring-Konzept entwickelt. In der ersten Stufe wurden, finanziert durch die Länder, konzeptionelle Ansätze zu Probenahme und Analytik erarbeitet. Für die zweite Stufe finanzierten Länder und Bund die Umsetzung dieses Konzepts auf insgesamt 49 konventionellen kommunalen Kläranlagen (ohne 4. Reinigungsstufe) (Abbildung 2). Über ein Jahr, von 2018 bis 2019, wurden Langzeitmischproben der Kläranlagenabläufe auf insgesamt 77 Einzelstoffe aus unterschiedlichen Stoffgruppen (wie Schwermetalle, polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK), Biozide, Phenole) aus Anwendungen des täglichen Lebens untersucht (Toshovski et al. 2020; Fuchs et al. 2020). Auf fünf der Anlagen wurden zusätzlich Zulauf- und Klärschlammproben untersucht.
Das Umweltbundesamt hat das Vorhaben fachlich und administrativ begleitet.
Abbildung 2: Kläranlagenstandorte im deutschlandweiten Monitoring-Projekt Quelle: KIT / IWG
Stoffe im Ablauf von konventionellen kommunalen Kläranlagen
Die untersuchten 77 Stoffe waren unterschiedlich häufig im Ablauf der 49 kommunalen Kläranlagen zu finden. Über die Hälfte der Stoffe wurden nie oder nur im Einzelfall im Ablauf der Kläranlagen nachgewiesen. Hierfür kann es unterschiedliche Gründe geben:
die betreffenden Stoffe werden nicht oder nur in sehr geringen Mengen in das kommunale Abwasser eingetragen,
die Stoffe kommen in sehr geringen Konzentrationen vor und die derzeit verfügbaren Analysemethoden sind noch nicht empfindlich genug, um die Stoffe nachweisen zu können, oder
die Kläranlagen halten die Stoffe im Klärschlamm oder durch Abbauprozesse sehr gut zurück (zum Beispiel das Schädlingsbekämpfungsmittel Permethrin und die PAK-Vertreter Fluoren und Fluoranthen).
Etwa 30 der untersuchten Stoffe wurden dagegen in mehr als der Hälfte der untersuchten Proben im Ablauf der 49 Kläranlagen nachgewiesen (Toshovski et al. 2020; Fuchs et al. 2020). Auch bei diesen Stoffen wird ein Teil bereits zu sehr hohen Anteilen in den Klärschlamm überführt oder abgebaut. Das zeigen die Untersuchungen von Zu- und Ablaufproben an fünf ausgewählten Kläranlagen. Beispiele sind Blei, Cadmium und Quecksilber, einzelne Vertreter der polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK), der Weichmacher DEHP, der antimikrobiell wirkende Stoff Triclosan und das Schädlingsbekämpfungsmittel DEET (Abbildung 3).
Andere Stoffe werden dagegen nur zu geringen Anteilen zurückgehalten oder passieren die Kläranlage nahezu ohne Rückhalt, wie die unter anderem als Materialschutz- und Konservierungsmittel verwendeten Stoffe Diuron und Isoproturon, einzelne PFAS (per- und polyfluorierte Chemikalien) und das Schädlingsbekämpfungsmittel Imidacloprid (Abbildung 3).
Abbildung 3: Stoffrückhalt der untersuchten Stoffe in fünf ausgewählten kommunalen Kläranlagen Quelle: KIT / IWG
Muss die Abwasserbehandlung weiter ausgebaut werden?
Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass konventionelle Kläranlagen mit drei Reinigungsstufen bereits heute einen unverzichtbaren Beitrag zum Rückhalt vieler Stoffe aus dem Abwasser leisten. Dennoch werden bestimmte Stoffe in einer Vielzahl der Abwasserproben nachgewiesen und damit in die Gewässer eingetragen. Dies unterstreicht einerseits die Notwendigkeit, weiterhin mit wirksamen Maßnahmen an der Quelle anzusetzen, z.B. durch Verwendungsbeschränkungen (siehe auch UBA-Publikation: Maßnahmen zur Verminderung des Eintrags von Mikroschadstoffen). Andererseits erscheint zum weitergehenden Schutz der Gewässer die Erhöhung der Wirksamkeit des Barrieresystems Kläranlage, zum Beispiel durch die Einführung weitergehender Abwasserbehandlungsverfahren für ausgewählte Kläranlagen notwendig. Das spiegelt sich auch in den Anforderungen der neuen EU-Kommunalabwasserrichtlinie (KARL, 2024/3019) wider, die am 01.01.2025 in Kraft getreten ist. Die KARL fordert gemäß Artikel 8 eine gezielte Spurenstoffeliminierung durch den Bau der 4. Reinigungsstufe und zwar:
nach Artikel 8(1) KARL für alle kommunalen Kläranlagen ab einer Größe von 150.000 Einwohnerwerten (EW) und
nach Artikel 8(2) KARL unter Berücksichtigung des Risikos für die aufnehmenden Gewässer für kommunale Kläranlagen ab einer Größe von 10.000 EW bis kleiner 150.000 EW.
Ein Inventar der kommunalen Kläranlagen in Deutschland beziehungsweise die Information zu den nach Artikel 8(1) KARL auszubauenden kommunalen Kläranlagen findet sich ebenfalls in der MoRE-DE Toolbox (Projekt: Abwasserbehandlung)
Im Projekt konnte auch gezeigt werden, dass Mischwasserentlastungen und Regenwassereinleitungen eine weitere wesentliche Eintragsquelle für Stoffe aus dem urbanen Raum in die Gewässer darstellen. Auch diesen Aspekt greift die neue KARL auf. Weitergehende Informationen hierzu finden sich auf der UBA-Themenseite Schadstoffe aus Kanalisationen in Gewässern.
„Für Mensch und Umwelt“ ist der Leitspruch des UBA und bringt auf den Punkt, wofür wir da sind. In diesem Video geben wir Einblick in unsere Arbeit.
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