Kunst & Umwelt: Industrielles Gartenreich

Industrielles Gartenreich – ein kulturelles Transformationsprojekt für Dessau-Bitterfeld-Wittenberg mit Modellcharakter. Vortrag und Gespräch mit Harald Kegler.

Das Industrielle Gartenreich ist eine strategische Konzeption zur Transformation der Altindustrie- und Kulturregion Dessau-Bitterfeld-Wittenberg nach der Maßgabe der ⁠Nachhaltigkeit⁠. Am Bauhaus Dessau 1989/90 im breiten und kooperativen Diskurs entwickelt und schrittweise exemplarisch umgesetzt, wurde sie als weltweit einzige Korrespondenzregion zur EXPO 2000 in Hannover „Mensch-Natur-Technik“ ausgewählt, weil hier am realen Beispiel und mit anschaulichem Netz an Projekten die Transformation erlebbar vermittelt werden konnte. Dabei spielte die Besonderheit der Region, die zugleich konstituierendes Moment des Industriellen Gartenreiches war, eine besondere Rolle: Es beinhaltete das widersprüchliche In-Beziehung-Setzen von historischem Dessau-Wörlitzer Gartenreich und der Altindustrieregion um Bitterfeld mit Chemie-, Energie- und Braunkohleindustrie sowie den Real-Versuch, aus dem verbunden historischen Kontrast neue Strategien, Projekte und sichtbare Impulse für eine langfristige Transformation hin zu einer nachhaltigen, klimaresilienten und dabei die Geschichte, die soziale Identität und wirtschaftliche Angemessenheit respektierende Gestaltung zu bewerkstelligen. Dies erfolgte in Partnerschaft mit Akteuren der Region sowie externen Fachleuten. Das Projekt verband Regional- und Landschaftsplanung, Transformationsforschung, inkrementelle Projektentwicklung, künstlerische Intervention, kommunalpolitische Kooperation und weitgefächerte kulturelle Kommunikation. Die EXPO 2000 war ein wesentlicher Motivator für die Akteure.

Nunmehr stehen neue Herausforderungen der jetzigen „2. Transformation“ bevor, die sich aus der Notwendigkeit ergeben, auf den ⁠Klimawandel⁠ und andere Konfliktsituationen im Sinne von Anpassung, ⁠Mitigation⁠ und ⁠Resilienz⁠ zu reagieren. Dafür bietet das Industrielle Gartenreich aus der „1. Transformation“ der 1990er Jahre nach der „Wende“ viele produktive Erkenntnisse. So erweisen sich die Idee und die meisten Projekte, allen voran Ferropolis, als tragfähige Lern- und Gestaltungsorte zum Übergang in eine lebenswerte Zukunft. Die Idee des Industriellen Gartenreichs hat durchaus diesen Modellcharakter. Was in den stillgelegten Braunkohlegruben um Bitterfeld und an den Ufern der Chemiekloaken gelingt oder mißrät, betrifft auch die versehrten Landschaften in Lothringen, an Ruhr und Emscher oder in Mittelengland.

Prof. Dr. Harald Kegler, Martin-Luther-Universität-Halle-Wittenberg, tätig am Bauhaus Dessau von 1987 bis 1999 und ehem. Leiter der dortigen Abteilung „Werkstatt“, an der das Projekt Industrielles Gartenreich entwickelt worden war. Seit 2000 folgten Gastprofessuren an der University of Miami und der bauhaus-Universität Weimar, die Gründung eines eigenen Büros für Regionalplanung, und schließlich eine Professur für Stadtbau- und Planungsgeschichte sowie nachhaltige Raumplanung an der Universität Kassel (2013-2023) und seitdem eine Lehrbeauftragung an der MLU-Halle-Wittenberg zur Regionalentwicklung und Planungsgeschichte.

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