Der technische Ausbau führt oft zum Verlust natürlicher Ökosystemleistungen. Mit Renaturierungen können viele nutzbringende Funktionen gefördert werden.
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Flüsse und Bäche versorgen uns mit Trinkwasser und dienen der Erholung. Als Lebensraum für Fische tragen sie zu unserer Ernährung bei. Durch den technischen Ausbau gingen viele ihrer natürlichen "Leistungen" verloren. Zum Beispiel bieten die Auen keinen Hochwasserschutz mehr, wenn sie nicht überflutet werden können. Durch die Renaturierung von Fließgewässern holen wir uns diese Leistungen zurück.
Naturnahe Fluss- und Auenlandschaften erfüllen nachweislich über 40 verschiedene Funktionen (Schmidt & Albert 2024). Sie sind Hotspots der Biodiversität und stellen kostenlos Leistungen bereit, die unser Wohlergehen und die Lebensqualität sicherstellen oder verbessern. Ist die Fläche für ein Gewässer zu gering, verlieren sie diesen Wert. Der mögliche Reichtum an Funktionen geht also mit der Fläche einher, die wir den Gewässern und Auen wieder einräumen
Flüsse als Verkehrswege
Der Transport von Gütern auf Wasserstraßen entlastet die Verkehrssituation auf Autobahnen und Bundesstraßen.
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Flusswasser wird zur Kühlung eingesetzt
Wärmekraftwerke entnehmen Flusswasser zur Kühlung. Sie sind – gemessen an der anteiligen Wasserentnahme – die größten Wassernutzer in Deutschland.
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Wasserkraftwerk Iffezheim am Rhein
Das größte Laufwasserkraftwerk Deutschlands produziert Strom für 250.000 Haushalte.
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Einleitung von Abwasser in einen Fluss
Flüsse übernehmen die „letzte Stufe“ der Abwasserreinigung.
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Die Gewässersohle fungiert als natürliche Reinigungsanlage
In der Gewässersohle eines Fließgewässers laufen zahlreiche Abbauprozesse ab, die das Flusswasser reinigen.
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Flüsse und Auen dienen als „Lungen“ und „Klimaanlagen“ in Städten
Die Verdunstung von Wasser aus Fließgewässern und deren Vegetation reduziert die Umgebungstemperatur überwärmter Siedlungsbereiche. Zusätzlich dienen die Fließgewässer als Bahnen für die Frischluftzufuhr.
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Flüsse wie die Rur dienen der Erholung
Die Anziehungskraft von Tourismusregionen wird durch die Erholungs- und Freizeitmöglichkeiten im und am Wasser gestärkt.
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Gewässer und Auen regulieren den Wasserhaushalt
Schotterkörper - wie hier am Uferabbruch zu sehen - haben eine Pufferwirkung für den Regenwasserabfluss und bewirken eine Vergleichmäßigung der Pegelstände.
Quelle: Thomas Zumbroich / Planungsbüro Zumbroich
Ökosystemleistungen von Flüssen und Auen
Flüsse und Auen können nachweislich über 40 verschiedene Ökosystemleistunen erbringen
Naturnahe Gewässerentwicklungsmaßnahmen weisen deutlich mehr positive und weniger negative Auswirkungen auf Ökosystemleistungen auf als traditionelle wasserbauliche Maßnahmen. In einem vom Umweltbundesamt geförderten Vorhaben wurde anhand einer umfangreichen Literaturstudie nachgewiesen, dass sich über 84 Prozent bestimmter naturnaher Maßnahmen positiv auf 6 bis 17 Ökosystemleistungen auswirken. Traditionelle Maßnahmen des Gewässerausbaus beeinflussen hingegen im Durchschnitt nur eine Ökosystemleistung positiv und etwa 15 negativ (Mit der Gewässerentwicklung verbundene Ökosystemleistungen)
In vielen Fällen wird technisch nachgeholfen, damit Flüsse eine gewünschte Aufgabe erfüllen können (z. B. Schifffahrt, Wasserkraftnutzung). Der technische Ausbau führt oft zum Verlust natürlicher Ökosystemleistungen. Mit Renaturierungen können Schäden, die durch bestimmte Nutzungen entstehen, ausgeglichen oder abgemildert und Ökosystemleistungen, gezielt gefördert werden. Dazu zählen beispielsweise:
wasserwirtschaftlichen Leistungen: z. B. effektivere, natürliche Wasserreinigung durch Abbauprozesse in intakter, renaturierter Gewässersohle;
ökologischen Leistungen: z. B. Zunahme der Fischdichte aufgrund gewässertypspezifischer, renaturierter Habitatbedingungen und
soziokulturellen Leistungen: z. B. Zunahme von Wohn-, Lebens- und Erholungsqualität in einer naturnahen, renaturierten Flusslandschaft.
Ziel einer nachhaltigen Bewirtschaftung von Fließgewässern sollte es sein, die zahlreichen Interessen seitens Schifffahrt, Wasserkraftnutzung, Hochwasserschutz, Naturschutz, Erholung und Tourismus, Stadtentwicklung sowie Land- und Forstwirtschaft möglichst in Einklang zu bringen und gleichzeitig die ökologische Funktionsfähigkeit der Fließgewässer als Grundlage für all diese Leistungen zu gewährleisten. Mehr dazu: Kooperation und Partizipation für erfolgreiche Renaturierungen
Schifffahrt und Gewässerentwicklung
Wesentliche Teile der großen deutschen Flüsse sind als ausgebaute Bundeswasserstraßen Verkehrswege. Das Netz der Wasserstraßen in Deutschland hat eine Länge von rund 7.300 km (BDB 2016, UBA 2017). Die Anforderungen an die deutschen Wasserstraßen haben sich jedoch im Laufe der Zeit geändert. Der Gütertransport konzentriert sich heute auf wenige Flüsse und Kanäle. Auf zahlreichen Nebenwasserstraßen wird kaum noch Fracht transportiert, diese bieten sich für Renaturierungen an.
Die rund 8.000 Wasserkraftanlagen in Deutschland liefern jährlich etwa 20.000 Gigawattstunden elektrische Energie. Damit trägt die Kraft der Flüsse zur regenerativen Energieerzeugung in Deutschland bei. Der mit der Wasserkraftnutzung verbundene Gewässerausbau hat allerdings nachteilige Folgen für die Gewässerökosysteme (Nutzung der Wasserkraft). Die wesentlichen Beeinträchtigungen sind der Aufstau der Gewässer, die Unterbrechung der Durchgängigkeit und die direkte Schädigung und Tötung von Organismen durch den Turbinenbetrieb (UBA 2017, Fische Schützen - Forum Fischschutz und Fischabstieg).
In den Stauhaltungen für Wasserkraft stellen sich untypisch geringe Fließgeschwindigkeiten ein, die zu Verschlammung und Sauerstoffmangel führen. Unterhalb der Stauung reißt der Fluss Geschiebe aus der Gewässersohle mit sich und in der Folge kommt es zur Vertiefung des Flussbettes und zur Grundwasserabsenkung in der Aue.
Mit Maßnahmen zur Entwicklung von Ausweich- bzw. Ersatzhabitaten oder zur Reaktivierung des Geschiebetransports lassen sich ökologische Verbesserungen im Wirkungsbereich von Wasserkraftanlagen erzielen. Ein Beispiel für ökologische Verbesserungsmaßnahmen an Wasserkraftwerken und Renaturierungen von Fischhabitaten als Ausgleichsmaßnahmen liefert das Projektbeispiel Inn: Mit gemeinsamen Zielen renaturieren.
Selbstreinigung und Nahrungsquellen
Zusammen mit ihren Überflutungsflächen funktionieren Flüsse und ihre Auen wie große Reinigungsanlagen. Muscheln, Schnecken, Würmer, Insekten und Insektenlarven filtern das Wasser und nehmen Phosphate und Nitrate auf. Kies- und Sandschichten filtern das versickernde Wasser ebenfalls. Diese natürlichen Prozesse sind zudem die Grundbedingung dafür, dass in den Fließgewässern über Abwässer eingeleitete Schmutzstoffe zu großen Teilen abgebaut werden. Durch solche Prozesse leisten Flüsse als "Nieren" der Landschaft einen wichtigen Beitrag zur Reinigung des Flusswassers und zur Bereitstellung von Trinkwasser.
Auf der Gewässersohle haften Algen an, die vom herbeiströmenden Material leben. Die Algen werden wiederum von Fischen und Insektenlarven abgeweidet und bilden den Anfang der Nahrungskette an deren Ende der Mensch steht.
Fluss- und Auenlandschaften speichern große Mengen Kohlenstoff, so lange sie nass sind. Allein durch partielle Rückdeichungen, durch die mehr Überflutungsfläche geschaffen wird, könnten bis zu 1,1 Millionen Tonnen Kohlenstoff zusätzlich gespeichert werden (BfN 2012). Durch Verbesserungen des Wasserhaushalts und der Landnutzung in Auen kann zudem eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 0,85 Millionen Tonnen Kohlendioxidäquivalenten pro Jahr erreicht werden.
Luftqualität und Mikroklima beeinflussen das menschliche Wohlbefinden. Feinstäube und verschiedene Luftschadstoffe haben eine direkte Wirkung auf die Lebenserwartung und auf das Risiko, an Herz-Lungen-Leiden zu erkranken (Voss & Hassauer 2004). Naturnahe Fließgewässer und ihre gehölzbestandenen Uferstreifen filtern die Luft und reduzieren die Konzentration gesundheitsschädlicher Feinstäube.
In Städten führen dichte Bebauung, geringer Grünflächenanteil und mangelnder Luftaustausch zu einer deutlichen Erhöhung der Temperaturen. Die Verdunstung von Wasser aus Fließgewässern und deren Vegetation führt insbesondere an heißen Sommertagen zur Reduktion der Umgebungstemperatur und damit zu einer Verbesserung der Situation in überwärmten Siedlungsbereichen (Naturkapital Deutschland – TEEB DE 2016). Bäume am Ufer und im Gewässernahbereich kühlen die Umgebung zusätzlich, indem sie den Boden beschatten.
Naturnahe Fließgewässer leisten als sogenannte grün-blaue Infrastruktur einen wichtigen Beitrag zu einem gesunden Leben in unseren Städten und zur Anpassung an die Folgen klimatischer Veränderungen. An der Ruhr dienen Renaturierungsmaßnahmen beispielsweise auch der Klimafolgenanpassung. Darunter fallen z. B. die Schaffung kühlender, größerer Wasserflächen durch Gewässeraufweitungen und der Rückbau von versiegelten Flächen. Mehr dazu: Positive Wirkung auf Ökosystemleistungen und Klimafolgenanpassung durch renaturierte Ruhr
Wissenschaftliche Analysen zeigen zudem, dass die sommerliche Wassertemperatur eines zuvor komplett besonnten Bachs durch Gehölze um bis zu 7 °C gesenkt werden kann. Gewässerbegleitende Gehölze könnten den klimawandelbedingten Anstieg der Wassertemperaturen in vielen Gewässern kompensieren (Haag et al. 2023).
Artenvielfalt im und am Fluss
Intakte Fließgewässer und ihre Auen sind komplexe, sehr artenreiche Ökosysteme. Sie bieten Lebensraum für eine besonders hohe Vielfalt verschiedener Tier- und Pflanzenarten. Aber diese Vielfalt steht unter hohem Druck: In keinem anderen Ökosystem sind so viele Arten bedroht oder bereits verschwunden wie im oder am Wasser. Renaturierungen können dazu beitragen, die Lebensraumfunktion des Gewässers aufzuwerten. Mehr dazu: Naturschutz und Gewässerentwicklung – ein schönes Paar
Menschen zieht es zum Wasser. Flusslandschaften ermöglichen eine intensive Begegnung mit Natur und Landschaft. Sie sind attraktive Erholungsgebiete und beliebte Ziele für die Freizeitgestaltung. Naturnahe Gewässer erhöhen zudem die Attraktivität von Städten und Regionen sowie die Lebensqualität der Bevölkerung und verstärken die touristische Anziehungskraft (Mehr dazu: Erholung und Tourismus am renaturierten Fluss). Beispielsweise entwickelte sich an der renaturierten Hase der sanfte Tourismus zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor (Mehr dazu: Erholungssuchende und Fischfans profitieren von der Revitalisierung der Haseauen).
Gewässer und Auen regulieren Hoch- und Niedrigwasser
Eine längere Fließstrecke in Mäandern mit vielfältigen Gewässerstrukturen verlangsamt den Abfluss des Wassers. Es verweilt dadurch länger in der Landschaft. Bei trockener Witterung wird das Wasser dann wieder langsam abgegeben, was die Umgebung kühlt und Dürren vorbeugt. Natürliche Fluss- und Auenlandschaften regulieren daher den Wasserhaushalt und das Mesoklima und sorgen für eine verbesserte Grundwasserspeicherung. Großräumige Renaturierungen können daher zur Vorbeugung von Niedrigwasser beitragen.
Heerener Mühlbach vor der Renaturierung
Der Heerener Mühlbach war vor seiner Renaturierung weit entfernt von einem leistungsfähigen Ökosystem.
Quelle: Lippeverband / UBA
Renaturierter Heerener Mühlbach in Kamen entlastet Abwassersystem
Der renaturierte Heerener Mühlbach ist wieder Teil des direkten Wohnumfeldes. Er entlastet das Abwassersystem, weil ihm Regenwasser von den Grundstücken zugeführt wird.
BfN [Hrsg.] (2012): Ökosystemfunktionen von Flussauen - Analyse und Bewertung von Hochwasserretention, Nährstoffrückhalt, Kohlenstoffvorrat, Treibhausgasemissionen und Habitatfunktion. NaBiV Heft 124.
BMVI & BMUB – Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur & Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (2017): Bundesprogramm Blaues Band Deutschland.
Haag, I., Teltscher, K., Aigner, D. (2023): KLIWA-Kurzbericht: 2-Grad-Ziel für unsere Bäche Wassertemperatur und Beschattung. HYDRON Ingenieurgesellschaft für Umwelt und Wasserwirtschaft mbH. I.A.
„Für Mensch und Umwelt“ ist der Leitspruch des UBA und bringt auf den Punkt, wofür wir da sind. In diesem Video geben wir Einblick in unsere Arbeit.
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