Ahr: Barrierefreiheit und Lebensraum für Fische schaffen
Fische können wieder ohne Hindernisse ihre „Kinderstuben“ im Oberlauf der Ahr erreichen. Dazu wurde die Ahrmündung renaturiert und fast 100 Wanderungshindernisse über eine Strecke von 62 km bis hinauf in die Eifel umgebaut oder entfernt. Ermöglicht wurde diese Vernetzung von Lebensräumen durch eine Kooperation aus Wasserwirtschaft, Naturschutz und Fischerei.
Film: Barrierefreiheit und Lebensraum für Fische an der Ahr
Quelle: Umweltbundesamt
Barrierefreiheit und Lebensraum für Fische an der Ahr
Schritt für Schritt zur Durchgängigkeit für Fische
Wie an vielen anderen Flüssen und Bächen in Deutschland war auch an der Ahr die Durchgängigkeit durch zahlreiche Wehranlagen und Sohlschwellen unterbrochen. Solche Querbauwerke stellten unüberwindbare Hindernisse für Fische auf ihrer Wanderung zu Laichplätzen in den Oberläufen dar. Zusätzlich war der bereits 1977 als Naturschutzgebiet und FFH-Gebiet ausgewiesene Mündungsbereich der Ahr technisch so stark ausgebaut, dass für Wanderfische der Einstieg aus dem Rhein in die Ahr sehr beschwerlich war. Gemeinsames Ziel der Wasserwirtschaft, des Naturschutzes und der Fischerei war es deshalb, die Ahr ausgehend von der Mündung Schritt für Schritt durchgängig zu gestalten.
Aufgrund der besonderen wasserwirtschaftlichen Bedeutung der Ahr wurde die Renaturierung der Ahrmündung im Rahmen der Gewässerunterhaltung vom Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord (SGD Nord) ausgeführt. Die Arbeiten erfolgten zwischen 2003 und 2004. Die Kosten beliefen sich auf ca. 350.000 Euro (Groß & Gebler 2005). Nach dem seinerzeit gültigen Landeswassergesetz des Landes Rheinland-Pfalz wurde die Renaturierung der Ahrmündung vom Land durchgeführt und der unterhaltungspflichtige Landkreis Ahrweiler erstattete ein Drittel der Kosten. Nach dem derzeitigen Landeswassergesetz beträgt der Anteil des Landkreises bei Renaturierungsmaßnahmen nur noch 10 %.
Der Rückbau zahlreicher Wanderungshindernisse wie Sohlenabstürze und Wehre wurde an der Ahr seit Beginn der 1990er Jahre intensiv vorangetrieben. Fast 100 Querbauwerke wurden inzwischen umgebaut oder entfernt. 2018 bietet die Ahr dadurch ihren Fischen ab der Mündung in den Rhein ca. 62 km Fließgewässer ohne Hindernisse. Beispielsweise der Rückbau mehrerer Wanderungshindernisse im Stadtgebiet von Bad Neuenahr-Ahrweiler wurde im Jahr 2002 durchgeführt. Träger dieser Maßnahme war die SGD Nord Koblenz. Von den Projektkosten in Höhe von ca. 415.000 Euro hat der Landkreis Ahrweiler dem Land Rheinland-Pfalz ein Drittel erstattet. (Groß & Paulus 2004)
Renaturierung der Ahrmündung bei Sinzig
Die Renaturierung der Ahrmündung wurde in den Jahren 2003 und 2004 durchgeführt. Der gesamte Bereich wurde von massivem Uferverbau befreit. Drei Nebenarme wurden ausgebaggert und dann einer freien Entwicklung überlassen. Dazu war auch der Rückbau von Infrastruktur (z. B. Radwege, einmündende Regenwasserkanäle, 90 m hoher Sendemast, Trinkwasserleitung) notwendig.
Abgegrabener Kies wurde größtenteils im Flussbett als flach überströmte Quer- und Längsbänke eingebracht. Daraus bildeten sich reichstrukturierte Kiesbänke als Laich- und Aufwuchshabitate für viele heimische Fischarten, wie z. B. Bachneunauge, Lachs, Äsche, Forelle, Elritze, Groppe oder Nase. Strömungslenker aus großen Baumstämmen von vor Ort gefällten Pappeln förderten dynamische Erosions- und Sedimentationsvorgänge mit der Bildung von Steilufern und Kiesbänken. Teilweise hat die Ahr dadurch ihr Bett bereits innerhalb eines Jahres nach Umsetzung der Maßnahmen um eine volle Gewässerbreite von 15–20 m verlegt. (Groß & Gebler 2005)
Heute besteht die Ahrmündung aus mehreren Armen, die von Auwäldern, Hochstaudenfluren und Wiesen umgeben sind. Davon profitieren auch viele geschützte Vogelarten, wie z. B. Wasserralle, Beutelmeise oder Wachtelkönig (BfN 2015).
Die renaturierte Ahrmündung ist zudem attraktiv für die Erholung der lokalen Bevölkerung. Reisende auf Rhein- und Ahrradweg nutzen das Gewässer im Sommer gerne zur Abkühlung. Mehr dazu: Erholung und Tourismus am renaturierten Fluss
Auch im Stadtgebiet von Bad Neuenahr-Ahrweiler war der Fischaufstieg durch zahlreiche Wanderungshindernisse unterbunden. Der Fluss war als Trapezgerinne mit mehreren Wehren und Abstürzen ausgebaut, die Uferböschungen mit Steinstickung und Ufermauern befestigt und die Sohle teilweise massiv mit Beton verbaut.
Im Zuge der Umgestaltung wurden im Jahr 2002 alle Querbauwerke entfernt und durch Blocksteinrampen in natürlicher Bauweise ersetzt. Zusätzlich wurde die Gewässerstruktur in der Gewässersohle und im Böschungsbereich, beispielsweise durch Abriss der Betonsohle und Ersatz durch eine strukturreiche Gewässersohle mit hoher Substratvielfalt, aufgewertet. Steinbuhnen wurden zur Differenzierung des Strömungsbildes angelegt.
Bei allen Maßnahmen war zu berücksichtigen, dass sie den Hochwasserabfluss im Stadtgebiet nicht nachteilig verändern. Daher sind alle strukturverbessernden Maßnahmen im bestehenden Trapezprofil erfolgt. Zudem fanden die Bauarbeiten aufgrund der zentralen Lage im Kurort Bad Neuenahr-Ahrweiler unter strengen Auflagen statt. So musste beispielsweise der gesamte LKW-Baustellenverkehr im Gewässerbett der Ahr abgewickelt werden. (Groß & Paulus 2004)
In den für Wanderfische besonders wichtigen Lebensräumen der Mittel- und Oberläufe der Ahr wurden mehrere Naturschutzgebiete ausgewiesen, bei denen die Fließgewässerentwicklung im Fokus stand. Dazu gehören z. B.:
Durch eine Verzahnung der Ziele des Naturschutzes und der Wasserwirtschaft konnten großräumig Möglichkeiten für eine naturnahe Entwicklung der Ahr und ihrer Zuläufe geschaffen werden. Die Naturschutzgebiete und das Naturschutzgroßprojekt an der oberen Ahr ermöglichen über umfangreiche Förderungen den Ankauf von Flächen, die Finanzierung von Gewässerentwicklungsmaßnahmen oder die Honorierung von Vertragsnaturschutz durch die Landwirtschaft.
Besondere Bedeutung für das Gewässernetz der Ahr hat das Naturschutzgroßprojekt Obere Ahr – Hocheifel, das eine Fläche von 257 km² und 500 km Fließgewässer umfasst. Dieses Gemeinschaftsvorhaben des Kreis Ahrweiler, des Bundes, des Landes Rheinland-Pfalz und der Verbandsgemeinde Adenau zielt auf eine naturnahe, eigendynamische Entwicklung des Gewässersystems der Oberen Ahr. Dieser Bereich ist der letzte noch fehlende größere Abschnitt zur Wiederherstellung des intakten Flusssystems Ahr.
Zum Schutzgebiet gehören neben der Ahr und ihren Zuläufen auch die angrenzenden Niederungen. Dieser ökologische Gesamtkomplex soll als Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten wie der Wasseramsel oder dem gefleckten Knabenkraut erhalten und entwickelt werden. Die dazu notwendigen Maßnahmen umfassen:
Grunderwerb,
Entfernung von Ufer- und Sohlverbau,
Beseitigung von Wanderbarrieren,
Reaktivierung von Altarmstrukturen und Auegewässern,
Förderung der Breitenentwicklung der Gewässer mit Hilfe von Strömungslenkern und Geschiebedepots,
Maßnahmenträger des Naturschutzgroßprojekts ist die Kreisverwaltung Ahrweiler. Das Projekt umfasst zwei Phasen: Erstellung des Pflege- und Entwicklungsplans (2007–2011; Kosten: 0,8 Mio. Euro) und die Umsetzung der Maßnahmen (2012–2021; Kosten: 8,7 Mio. Euro). Die Projektkosten teilen sich der Bund (BMUB bzw. BfN: 68 %), das Land Rheinland-Pfalz (22 %) und der Kreis Ahrweiler (10 %) (Kreisverwaltung Ahrweiler 2012).
Kooperatives Flächenmanagement als Erfolgsfaktor für Renaturierung der Ahr
An der Ahr haben Renaturierungsmaßnahmen bereits Anfang der 1990er-Jahre begonnen und wurden bis heute konsequent weiterverfolgt. Die Bereitstellung von gewässerbegleitenden Flächen für eine eigendynamische Gewässer- und Auenentwicklung war dabei Grundvoraussetzung für die Renaturierungsmaßnahmen. So war das Flächenmanagement des Naturschutzgroßprojekts "Obere Ahr – Hocheifel" (siehe Naturschutz beflügelt Gewässerentwicklung der Ahr) von Beginn an kooperativ angelegt. Das Dienstleistungszentrum ländlicher Raum Westerwald-Osteifel (DLR) wurde mit dem Landankauf im Rahmen sogenannter Beschleunigter Zusammenlegungsverfahren nach § 91 des Flurbereinigungsgesetzes beauftragt. Dabei kamen u. a. Instrumente wie der Nutzungstausch zum Einsatz, bei dem mehrere Pächter als Tauschpartner beteiligt sind. Mehr dazu: Flächenbereitstellung für Gewässerrenaturierungen
Fischerei an der Ahr engagiert sich für Schutz von Flora und Fauna
Die Arbeitsgemeinschaft Ahr "ARGE-Ahr e.V." beteiligt sich als Zusammenschluss von pachtenden und fischenden Personen an der Ahr und ihren Nebengewässern aktiv am Erhalt und der Förderung der Flora und Fauna. Ziele sind u. a. die Wiederansiedlung des Lachses und eine ökologisch sinnvolle Unterstützung von Fischwildbeständen, z. B. der Bachforelle und der Äsche. Die ARGE-Ahr unterstützt ihre Mitglieder u. a. bei der Hege und Pflege der Fischbestände oder bei der Gewässerunterhaltung. Mehr dazu: Lokale Fischexpertise für Gewässerentwicklung einbinden
Literaturangaben
Groß J. & Gebler R.-J. (2005): Naturnahe Entwicklung der Ahr oberhalb der Mündung in Sinzig. Gewässer-Info Nr. 34, S. 297-300.
Groß J. & Paulus T. (2004): Umgestaltung von Wehranlagen mit Renaturierung der betonierten Gewässersohle an der Ahr im Bereich des Casinos in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Gewässer-Info Nr. 29, S. 225-229.
Links Ahr
Ahr: Barrierefreiheit und Lebensraum für Fische schaffen
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