Klimafolgen: Handlungsfeld Wasser, Hochwasser- und Küstenschutz
Wasserhaushalt und Wasserwirtschaft sind in vielfacher Weise vom Klimawandel betroffen. Steigende Temperaturen, veränderte Niederschläge und Wetterextreme beeinflussen Menge und Qualität des verfügbaren Wassers. In Küstenregionen kommen Auswirkungen wie der steigende Meeresspiegel sowie die Folgen von Sturmfluten hinzu, die auf den Wasserhaushalt wirken und große Schäden verursachen können.
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Wasserhaushalt/ Wasserwirtschaft
Niedrigwasser
Extreme Niedrigwassersituationen sind das Ergebnis einer über mehrere Wochen bis Monate andauernden Entwicklung, die vor allem durch geringe Regenmengen und den Rückhalt in künstlichen oder natürlichen Wasserspeichern entstehen.
Durch den Klimawandel können Niedrigwassersituationen zukünftig häufiger und intensiver auftreten. Das gilt besonders für die Mosel, den Neckar und die Mulde für die Mitte des Jahrhunderts und für fast alle Flüsse für Ende des Jahrhunderts. Die deutlichsten Änderungen werden für Teile des Rheins projiziert.
In Folge des Klimawandels ist eine Verschiebung der Niederschläge vom Sommer in den Winter zu erwarten. Zusätzlich ist mit vermehrtem Starkregen zu rechnen. Durch die milderen Winter wird der Anteil des Schnees am Gesamtniederschlag abnehmen. Das heißt, dass Niederschlag seltener in Form von Schnee gespeichert wird, sodass die Wahrscheinlichkeit von Hochwasser steigt. In den letzten Jahren haben die jährlichen Hochwasserstände an vielen Pegeln im Süden und Westen Deutschlands zugenommen.
Extreme Hochwasserereignisse können die bestehenden Hochwasserschutzeinrichtungen überfordern und zu erheblichen ökologischen und ökonomischen Schäden führen. Gebäude und Infrastrukturen können zerstört werden, in extremen Situationen sind auch Menschenleben gefährdet. Schadstoffe wie Dünge- und Pflanzenschutzmittel oder Heizöl können in Grundwasser und Oberflächengewässer gelangen und die Trinkwasserqualität dadurch erheblich beeinträchtigen.
Insbesondere in den Mittelgebirgen sowie in Ostdeutschland ist zukünftig mit einer Zunahme von Hochwasserabflüssen zu rechnen. Die Ausprägung extremer und schadbringender Hochwasserereignisse (HQ 100 und höher) ist noch Gegenstand der Forschung.
Die Wassertemperatur ist ein Schlüsselparameter für den ökologischen Zustand von Gewässern und für die Gefahr der Eutrophierung. Von einer Erhöhung der Wassertemperatur ist zukünftig auszugehen.
Der ökologische Zustand eines Gewässers wird über die Zusammensetzung der jeweiligen Lebensgemeinschaften bestimmt. Steigt die Gewässertemperatur, sinkt die Löslichkeit des Sauerstoffs im Wasser und damit die Sauerstoffversorgung des Gewässers. Gleichzeitig werden viele chemische und biologische Prozesse durch eine erhöhte Wassertemperatur beschleunigt, was zu weiterem Sauerstoffverbrauch führen kann. Das kann zu einem Sauerstoffdefizit im Gewässer führen, der für die Lebewesen lebensbedrohlich werden kann. Die erhöhten Wassertemperaturen führen zudem zu einer Artenverschiebung hin zu wärmetoleranten Arten.
Eine höhere Wassertemperatur führt zu einer Eutrophierung mit Blaualgenbildung und erhöht die Wahrscheinlichkeit des Aufkommens von Blaualgenblüten (Cyanobakterien). Besonders gefährdet sind nährstoffreiche Gewässer, die langsam fließen oder wo das Wasser ruhig steht. Eutrophierung wirkt sich nicht nur negativ auf den ökologischen Zustand des Gewässers, sondern auch auf die Artenvielfalt und die Nutzbarkeit aus. Manche Blaualgen sind in hoher Konzentration giftig für Menschen und Tiere.
Grundwasser ist in Deutschland eine wertvolle Ressource und dient für über Zweidrittel der Bevölkerung als Quelle für den täglichen Wasserbedarf. Grundwasser wird über den Niederschlag gespeist und hauptsächlich im Winter gebildet, da dann wenig Wasser verdunstet und über Pflanzen transpiriert wird. Eine mögliche Zunahme der Niederschlagssummen im Winter kann zu mehr Grundwasserneubildung führen. Durch steigende Temperaturen, damit erhöhte Verdunstung und verlängerte Vegetationsperioden durch den Klimawandel, wird dieses Phänomen kompensiert. Während der beiden Hitzerekordjahre 2018 und 2019 ist der Grundwasserstand deutlich gesunken. Ein niedriger Grundwasserstand kann problematisch für die Wasserentnahme zur Trinkwassergewinnung sein.
In manchen Regionen ist das Grundwasser stark durch Nitrat und Pflanzenschutzmittel belastet. Zudem steigt durch die Zunahme der Luft- und Bodentemperatur auch die Temperatur des Grundwassers, was sich negativ auf seine Qualität auswirkt. Erhöhte Temperaturen beeinflussen die Grundwasserqualität, weil sie durch vermehrten Abbau von organischer Substanz den Sauerstoffgehalt und die pH-Werte des Grundwassers senken.
Belastung oder Versagen von Hochwasserschutzsystemen: Technischer Hochwasserschutz wird schon seit Jahrhunderten eingesetzt. In der Regel dient die statistisch berechnete Wiederkehrwahrscheinlichkeit von einmal in 100 Jahren als Grundlage für die Bemessung der Maßnahme. Mit dem Klimawandel ist zu erwarten, dass höhere jährliche Spitzenabflüsse auftreten und sich das Wiederkehrintervall des derzeitigen Bemessungshochwassers verkürzt. Eventuell kann eine Anpassung der Hochwasserschutzmaßnahmen nötig werden.
Sturzfluten (Versagen von Entwässerungseinrichtungen und Überflutungsschutzsystemen): Eine Sturzflut ist ein plötzlich auftretendes lokal begrenztes Hochwasser mit hohem Schadenspotenzial als Folge von lokalen Starkniederschlägen. Es besteht überall in Deutschland ein Risiko, dass extreme Starkniederschläge auftreten können. Mit einer Häufung und Intensivierung von Starkniederschlägen ist zukünftig zu rechnen.
Einschränkungen der Funktionsfähigkeit von Kanalnetzen und Vorflutern und Kläranlagen: Das historisch gewachsene Kanalnetz in den deutschen Städten wird durch lokale Starkregenereignisse in vielen Städten überlastet, was Schäden im Siedlungsgebiet und in Oberflächengewässern verursacht. Vermehrte Starkregenereignisse lassen vermehrte Überlastungen der Kanalnetze und Kläranlagen erwarten. Die Leistung der Kläranlagen wird durch höhere Temperaturen in Zukunft wahrscheinlich eher gefördert. Die Einleitung des Kläranlagenablaufs bei Niedrigwasser in die Oberflächengewässer kann zu mehr Belastungen führen.
Chemische Wasserqualität: Die chemische Wasserqualität wird von der Landnutzung, der Nutzungsintensität und der Stoffkonzentration der eingebrachten Substanzen bestimmt. Stoffeinträge erfolgen aus der Landwirtschaft, dem Verkehr, der Industrie und dem Bergbau und privaten Haushalten. Der Verdünnungsgrad von chemischen Substanzen im Wasser hängt vom Abfluss des Gewässers ab. Sinkt der Abfluss, durch erhöhte Verdunstung aufgrund klimawandelbedingter Erwärmung oder veränderter Niederschläge, steigt die Konzentration der chemischen Substanzen.
Mangel an Bewässerungswasser: Durch steigende Temperaturen und Trockenperioden wird der Bewässerungsbedarf in der Landwirtschaft in Zukunft spürbar steigen. Die überwiegende Menge an Bewässerungswasser wird derzeit dem Grundwasser entnommen. In Verbindung mit einem gesteigerten Bedarf an Bewässerungswasser könnte eine zunehmende Konkurrenz um die Ressource Grundwasser entstehen.
Trinkwasser: In Deutschland stammt das Trinkwasser zu rund 70 Prozent aus Grundwasser, gefolgt von Quellwasser, Seen und Talsperren, künstlich angereichertem Grundwasser, Uferfiltrat und Flusswasser. Durch steigende Temperaturen könnten als erstes die oberflächennahen Trinkwasserquellen sowohl quantitativ als auch qualitativ beeinträchtigt werden. Langfristig gefährdet das auch die von vielen Nutzern stark beanspruchte Ressource Grundwasser. Keime in Trinkwasserleitungen werden durch die zu erwartete Erwärmung begünstigt und gefährden die Wasserqualität.
Produktionswasser: Produktionswasser wird in Deutschland zu circa 25 Prozent für die industrielle Produktion genutzt. Durch den Einsatz des flächendeckenden, produktionsintegrierten Abwasserrecyclings soll der Verbrauch weiter gesenkt werden. Die industrielle Nutzung von Produktionswasser ist in den letzten Jahren stark zurückgegangen. Je nach Entwicklung der Produktion und Konjunktur könnte der Bedarf in Zukunft steigen oder fallen.
Die Meerestemperatur und die mit ihr zusammenhängende Eisbedeckung spielen für das Gleichgewicht der marinen Ökosysteme eine maßgebliche Rolle. Der weltweite Erwärmungstrend der Ozeane während der letzten Jahrzehnte konnte auch in Nord- und Ostsee festgestellt werden. Zukünftig wird der Temperaturanstieg in den Wintermonaten voraussichtlich höher als in den Sommermonaten ausfallen. Hinzu kommen kurzfristige marine Hitzeperioden, die zukünftig häufiger, länger und intensiver auftreten werden. Sie äußern sich in einem extremen Temperaturanstieg des Oberflächenwassers auf regionaler Ebene und können über Wochen bis hin zu Monaten andauern. Sie können schwere, teilweise irreversible Auswirkungen auf die marinen Ökosysteme haben.
Im letzten Jahrhundert hat die Zahl milder Winter zu- und die Zahl kalter Winter mit günstigen Voraussetzungen zur Eisbildung für Nord- und Ostsee abgenommen. Dieser Trend zur Abnahme der Eisbedeckung wird weiter anhalten. Ein vollständiges Ausbleiben von Eisbildung wird bis zum Ende des Jahrhunderts für Ostsee und Nordsee nicht erwartet.
Die deutsche Nord- und Ostseeküste ist infolge des Meeresspiegelanstiegs steigenden Risiken ausgesetzt. An der deutschen Nordseeküste betrug der regionale Meeresspiegelanstieg zwischen 1900 und 2011 etwa 1,6 bis 1,8 Millimeter pro Jahr. An der deutschen Ostseeküste wurden im gleichen Zeitraum Änderungsraten von etwa einem Millimeter pro Jahr gemessen. Projektionen ergeben eine wahrscheinliche Bandbreite für den globalen mittleren Meeresspiegelanstieg bis zur Mitte des Jahrhunderts (2031 bis 2060) von 0,23 bis 0,40 Meter und bis zum Ende des Jahrhunderts (2071 bis 2100) von 0,61 bis 1,10 Meter (jeweils relativ zum Zeitraum 1986 bis 2005). Es kann davon ausgegangen werden, dass die Werte für die deutsche Nordseeküste dem globalen Meeresspiegelanstieg entsprechen.
An der deutschen Nordseeküste sind durch den Meeresspiegelanstieg besonders Wattflächen und Salzwiesen im Wattenmeer von einem potenziellen Rückgang gefährdet. Das Wattenmeer kann bei verstärkten Sedimentablagerungen mitwachsen und so den steigenden Meeresspiegel teilweise kompensieren. Sollte dieses Aufwachsen im Gleichgewicht mit dem steigenden Meeresspiegel jedoch nicht ausreichen, so könnte sich das Wattenmeer von einem wattdominierten zu einem lagunengeprägten System entwickeln. Dies würde starke Veränderungen der dortigen Ökosysteme bedingen. Salzwiesen zeichnen sich durch Pflanzenbewuchs in der Gezeitenzone aus und erfüllen wichtige Funktionen als Habitat für die Fauna und Flora und als Küstenschutz. Die Folgen des Klimawandels können zu Veränderungen in der Artenzusammensetzung und einer abnehmenden Breite der Salzwiesen führen.
An der Ostsee sind vor allem die Außenküsten sowie besonders die Inseln und die Halbinsel Fischland-Darß-Zingst von Küstenrückgang und Landverlusten betroffen. Auch Steilküsten unterliegen hohen Risiken durch Erosion.
Beschädigung oder Zerstörung von Siedlung und Infrastruktur an der Küste
Siedlungen und Infrastrukturen in Küstenregionen sind weltweit durch die Folgen des Klimawandels bedroht. Das Ausmaß der Schäden in Küstengebieten durch Sturmfluten und Überschwemmungen ist stark von der Widerstandsfähigkeit der Küstenschutzsysteme abhängig. Versagen Schutzbauwerke, so können funktionelle Beeinträchtigungen der Infrastruktur sowie Schäden an Siedlungen mögliche Folgen sein. Unter Betrachtung des bis zum Ende des Jahrhunderts erwarteten Meeresspiegelanstiegs könnten Hochwasserereignisse, die statistisch gesehen aktuell einmal in 100 Jahren auftreten, zukünftig jährlich auftreten.
Dabei besteht das größte Schadenspotenzial für Wohnbebauung und Gewerbe. Im Infrastrukturbereich sind Hafenanlagen und Seewasserstraßen durch ihre Funktion und die Abhängigkeit vom Wasserstand besonders gefährdet.
Überlastung der Entwässerungseinrichtungen in überflutungsgefährdeten Gebieten
Tief liegende und somit überflutungsgefährdete Küstengebiete finden sich vor allem an der deutschen Nordseeküste, aber auch an der Ostseeküste gibt es Überflutungsgebiete an den inneren Küstengewässern, den Bodden und den Haffen. Die meisten Niederungsgebiete werden durch ein ausgebautes Entwässerungssystem dauerhaft entwässert. Sie werden überwiegend landwirtschaftlich genutzt, außerdem finden sich dort vereinzelte Siedlungsbereiche sowie touristische Nutzungen.
Eine Überlastung der Entwässerungseinrichtungen kann in Zukunft aufgrund des Anstiegs des Meeresspiegels und der Tideniedrigwasserstände sowie stärkeren Regenfällen häufiger auftreten. Durch die zunehmende Verringerung des Wasserspiegelgefälles zwischen Binnen- und Außenwasserstand verkleinert sich das Zeitfenster zur Sielentwässerung und das allgemeine Entwässerungspotenzial. Spätestens ab Mitte des Jahrhunderts ist mit einer starken Einschränkung der Sielkapazitäten zu rechnen. Der daraus resultierende steigende Bedarf an Schöpfwerken zur Entwässerung von küstennahen Niederungsgebieten wird voraussichtlich erhebliche Investitionen nach sich ziehen.
Weitere Klimawirkungen
Wasserqualität und Grundwasserversalzung: Höhere Wassertemperaturen und der Anstieg der atmosphärischen CO2-Konzentration sowie anthropogen bedingte Nährstoffeinträge im Küstenbereich verstärken die Eutrophierung und den Sauerstoffmangel und führen zur Versauerung der Meere. Grundwasserversalzung in Küstengebieten kann durch den Klimawandel verstärkt werden. Auch kann der Klimawandel einen Rückgang des Salzgehalts in der Ostsee bedingen.
Strömungen und Gezeitendynamik: An der deutschen Nordseeküste gibt es eine Veränderung der Gezeitenamplitude, die auch mit dem Meeresspiegelanstieg zusammenhängt. Für die Nordsee wird mit Veränderungen der Einströme von salzreichem Atlantikwasser über den nördlichen Rand der Nordsee und über die Straße von Dover gerechnet. Eine Zunahme der Westwindlagen kann den Einstrom aus der Nordsee in die Ostsee verstärken.
Seegang: Die Projektion zukünftiger Entwicklungen des Seegangs ist mit großen Unsicherheiten verbunden. In Zukunft kann ein leichter Anstieg der Windereignisse über Nord- und Ostsee vermutet werden, insbesondere eine Verstärkung der Westwindlagen. In der Deutschen Bucht sowie an West- und Nordwest-exponierten Küstenabschnitten der Ostsee könnte es zu einer Zunahme der Wellenhöhen kommen.
Sturmfluten: Für die Mitte und das Ende des Jahrhunderts werden keine signifikanten Änderungen hinsichtlich der Stärke, Andauer und Häufigkeit von Sturmfluten erwartet. Der mit dem Klimawandel verbundene Meeresspiegelanstieg wird höhere Wasserstände bei Sturmfluten bewirken. Sturmflutserien in Kombination mit einem Meeresspiegelanstieg führen zu einer zusätzlichen Verschärfung der bereits heute bestehenden Entwässerungsproblematik der eingedeichten tiefliegenden norddeutschen Niederungsgebiete.
Höhere Belastung oder Versagen von Küstenschutzsystemen: Küstenschutzsysteme sind infolge der Auswirkungen des Klimawandels zunehmend starken Belastungen ausgesetzt. Wesentliche Einflussfaktoren sind der Meeresspiegelanstieg, ein zunehmend höheres Ausgangsniveau bei Sturmfluten und die Beeinträchtigung natürlicher Schutzfunktionen im Küstenbereich.
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