WW-I-7: Wassertemperatur des Meeres

Das Bild zeigt eine leicht bewegte Meeresoberfläche, in der sich die rosa Wolken spiegeln. zum Vergrößern anklicken
Die Wassertemperaturen der Nordsee steigen an.
Quelle: Peter Löwe / BSH

Monitoringbericht 2019 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel

Inhaltsverzeichnis

 

WW-I-7: Wassertemperatur des Meeres

Die mittlere Oberflächentemperatur der Nordsee ist im Zeitraum 1969 bis 2017 angestiegen. Der abrupte Temperatursprung von 1987/88 manifestiert sich in einer Regime- und Mittelwertverschiebung um 0,8 °C.

Die Linien-Grafik zeigt die gemittelte jährliche Oberflächentemperatur der Nordsee ab 1969. Der Trend ist über die gesamte Zeitreihe hinweg steigend. 1987/88 hat sich ein deutlicher Regimeshift mit einem Delta von 0,8°C vollzogen.
WW-I-7: Wassertemperatur des Meeres

Die Linien-Grafik zeigt die gemittelte jährliche Oberflächentemperatur der Nordsee ab 1969. Der Trend ist über die gesamte Zeitreihe hinweg steigend. 1987/88 hat sich ein deutlicher Regimeshift mit einem Delta von 0,8°C vollzogen.

Quelle: Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie
 

Die Nordsee wird wärmer

Die ⁠Hitzewelle⁠ im Sommer 2018 war nicht auf Deutschland beschränkt, sondern erfasste weite Teile der nord-hemisphärischen Landmasse. An den deutschen Küsten erreichten die Wassertemperaturen im Juli mit 25 °C mediterranes Niveau. Die mittlere Oberflächentemperatur der Nordsee verfehlte im Juli 2018 die Rekordtemperatur von 17,4 °C vom Juli 2014 um nur 0,1 °C. Die „marine Hitzewelle“ erstreckte sich auch über die gesamte Ostsee, deren mittlere Oberflächentemperatur für Juli mit 20,0 °C den bisherigen Rekord von 2014 um weitere 0,5 °C übertraf. Vordergründige Ursache war eine nahezu ortsfeste Verteilung von Hoch- und Tiefdruckgebieten – eine langlebige Stagnationsperiode, die durch den mit fortschreitender Erwärmung abnehmenden Temperaturkontrast zwischen polaren und mittleren Breiten begünstigt wird11.

Über 90 % der durch den anthropogenen ⁠Treibhauseffekt⁠ erzeugten Überschusswärme wird im Ozean gespeichert. Im Zeitraum 1960–2015 ist die Wärmemenge der obersten 2.000 m des Weltozeans um 304 Trilliarden Joule (304 x 1021 J) angestiegen. Über die gesamte Erdoberfläche gemittelt ergibt sich eine Erwärmungsrate von 0,33 Watt pro Quadratmeter (W/m2), die sich zuletzt (1992–2015) auf 0,61 W/m2 fast verdoppelt hat12. Die jährlich vom Ozean aufgenommene Wärmemenge liegt damit aktuell bei 9,8 x 1021 J und somit etwa 17mal höher als der Weltenenergiebedarf im Jahr 2017 (13.511,2 Milliarden Tonnen Öläquivalent)13. Verteilte sich die Wärmemenge ausschließlich auf die obersten 5 m des Ozeans, ergäbe sich ein Temperaturanstieg von 1,3 °C pro Jahr. Tatsächlich stieg die Oberflächentemperatur des Ozeans im Zeitraum 2000–2015 mit einer Rate von 0,013 °C pro Jahr14. Demnach „verstecken“ sich 99 % der Erwärmung in tieferen Schichten. Die Klimaerwärmung in erster Linie am Anstieg der global gemittelten Oberflächentemperatur (GMST) zu messen, kommt einer 100-fachen Unterschätzung und Fehleinschätzung der Problematik gleich. So wurde die globale Erwärmung sogar in Zweifel gezogen, als die GMST im Zeitraum 1998–2013 mehr oder minder stagnierte (global warming hiatus). Tatsächlich manifestiert sich der ⁠Klimawandel⁠ in der GMST lediglich oberflächlich. Von einer Unterbrechung (Hiatus) der globalen Erwärmung kann auch insofern keine Rede sein, als der Wärmeinhalt des Ozeans (und auch der Meeresspiegel) in der Hiatus-Phase beschleunigt angestiegen sind.

Eine unmittelbare Folge der Wärmespeicherung im Ozean ist die Ausdehnung (Volumenzunahme) des Meerwassers – eine der wesentlichen Ursachen des Meeresspiegelanstiegs. Der globale Meeresspiegel lag 2017 77 mm über dem Niveau von 1993 (dem Beginn der Satellitenmessungen) und damit auf Rekordhöhe15. Knapp 40 % davon sind auf die thermische Ausdehnung des Meerwassers zurückzuführen, der überwiegende Rest auf den Massezuwachs durch Schmelzwasser.

Dass auch Nordsee und Ostsee wärmer geworden sind, belegen insbesondere die großräumigen Oberflächentemperaturanalysen für die Nordsee, die am Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) seit über 50 Jahren durchgeführt werden und hier zu Jahresmitteltemperaturen aggregiert wurden. Formal lässt sich ein signifikanter linearer Trend von 1,3 ± 0,6 °C (95 % Konfidenzintervall) für den Gesamtzeitraum angeben. Der suggerierte langsame und graduelle Temperaturanstieg beschreibt den Regimecharakter der historischen Entwicklung jedoch nicht adäquat. Kennzeichnend für diese ist ein bis 1987 andauerndes Kaltregime, das mit dem abruptem Temperatursprung von 1987/88 abbrach und vom gegenwärtigen Warmregime abgelöst wurde. Der Regimewechsel manifestiert sich in signifikant verschiedenen Langzeitmitteln von 9,7 °C bis 1987 und 10,5 °C ab 1988. Ähnlich wie die Hiatusphasen der GMST sind Kaltregime (–0,5±1.0 °C) und Warmregime (bis 2013: 0,3±0.7 °C) trendfrei. Ob der Temperatursprung von 2013/14 ein extremeres Warmregime einleitet, muss die Zukunft zeigen. Die Zeitreihe der Jahresmittel der Lufttemperatur in Deutschland zeigt eine qualitativ ähnliche Entwicklung (vgl. Abbildung 1, S. 19).

Die bisher höchsten Jahresmitteltemperaturen der Nordsee von 11,0 °C (2003, 2006, 2016) und darüber (11,4 °C, 2014) ergaben sich in der Regel aus einer extremen Erwärmung in den Sommermonaten. Das gehäufte Auftreten solcher Ereignisse im Warmregime ist keine Überraschung. Der Regimewechsel war nicht auf Nord-und Ostsee beschränkt, sondern wurde weltweit in einer Vielzahl von Variablen beobachtet16,17. Die ökologischen Konsequenzen der Erwärmung in Nord- und Ostsee wurden u. a. von Beaugrand (2004)18 und Alheit et al. (2005)19 dokumentiert.

Die ansteigenden Meerestemperaturen haben weitreichende Auswirkungen auf das gesamte marine ⁠Ökosystem⁠. Arten passen ihre Verbreitungsgebiete an, sterben (lokal oder regional) aus, und andere Arten besetzen diese ökologischen Nischen. Auch indirekte Begleiterscheinungen des Klimawandels wie Sauerstoffmangel und die ⁠Versauerung⁠ der Meere tragen dazu bei, dass sich mit der Artenvielfalt, -zusammensetzung und -verbreitung das gesamte marine Nahrungsnetz verändert. Auch die ökonomischen Folgen für die Meeresfischerei sind schwer überschaubar. An den deutschen Küsten haben hohe Meerwassertemperaturen in den vergangenen Jahren für Schlagzeilen gesorgt, wenn der Badetourismus durch Blaualgenblüten beeinträchtigt wurde; solche Blaualgenblüten werden zusätzlich durch die Überdüngung der Meere provoziert.

11 - Masters J. 2014: The Jet Stream is Getting Weird. Scientific American, 311: 68–75.
DOI: 10.1038/scientificamerican1214-68

12 - Cheng L., Trenberth K. E., Fasullo J., Boyer T., Schuckmann K., Zhu J. 2017: Taking the Pulse of the Planet.
Eos Transactions American Geophysical Union, 98.
https://doi.org/10.1029/2017EO081839

13 - BP Statistical Review of World Energy 2018: BP Statistical Review of World Energy – June 2018. 67th edition.
London, 53 pp.
www.bp.com/content/dam/bp/business-sites/en/global/corporate/pdfs/energy-economics/statistical-review/bp-stats-review-2018-full-report.pdf

14 - Huang B., Thorne P.W., Banzon V.F., Boyer T., Chepurin G., Lawrimore J.H., Menne M.J., Smith T.M., Vose R.S., Zhang H. 2017: Extended Reconstructed Sea Surface Temperature, Version 5 (ERSSTv5): Upgrades, Validations, and Intercomparisons. J. Climate, 30: 8179–8205
DOI: 10.1175/JCLI-D-16-0836.1

15 - Thompson P.R., Merrifield M.A., Leuliette E., Sweet W., Chambers D.P., Hamlington B.D., Jevrejeva S., Marra J.J., Mitchum G.T., Nerem R.S., Widlansky M.J. 2018: Sea Level Variability and Change. In: State of the Climate in 2017. Bulletin of the American Meteorological Society, 99(8): 84–87.

16 - Loewe P., Frohse F., Schulz A. 2009: Temperatur. In: Loewe P. (Hrsg.): System Nordsee – Zustand 2005 im Kontext langzeitlicher Entwicklungen. Berichte des BSH (Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie, Hamburg und Rostock), 44: 111–134.

17 - Reid P.C., Hari R.E., Beaugrand G., Livingstone D. M., Marty C., Straile D., Barichivich J., Goberville E., Adrian R., Aono Y., Brown R., Foster J., Groisman P., Hélaouët P., Hsu H., Kirby R., Knight J., Kraberg A., Li J., Lo T.-T., Myneni R.B., North R.P., Pounds J. A., Sparks T., Stübi R., Tian Y., Wiltshire K.H., Xiao D., Zhu Z. 2016: Global Impacts of the 1980s Regime Shift. Global Change Biology, 22: 682–703.
DOI: 10.1111/gcb.13106.

18 - Beaugrand G. 2004: The North Sea Regime Shift: Evidence, Causes, Mechanisms and Consequences. Progress in Oceanography, 60: 245–262.
DOI: 10.1016/j.pocean.2004.02.018.

19 - Alheit J., Möllmann C., Dutz J., Kornilovs G., Loewe P., Mohrholz V., Wasmund N. 2005: Synchronous ecological regime shifts in the central Baltic and the North Sea in the late 1980s. ICES Journal of Marine Science, 62: 1205–1215
DOI: 10.1016/j.icesjms.2005.04.024

 

Schnittstellen

FI-I-1: Verbreitung warmadaptierter mariner Arten

TOU-I-1 + 2: Badetemperaturen, Übernachtungszahlen an der Küste

 

Ziele

Begrenzung aller Faktoren, die zur Erwärmung und zur ⁠Versauerung⁠ führen (⁠DAS⁠, Kap. 3.2.3)

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