EU-Recht für Bauprodukte - Umgang mit besorgniserregenden Stoffen

Die EU will den freien Handel von Bauprodukten mit sicheren Gebäuden verbinden. Die Mitgliedstaaten dürfen unterschiedlich strenge Schutzniveaus und Grenzwerte beibehalten, solange sie europäisch genormte Prüfergebnisse akzeptieren. Die Europäische Harmonisierung von Prüfmethoden entlastet die Hersteller und ermöglicht einen Wettbewerb mit der Produktleistung.

Inhaltsverzeichnis

 

Europäische Ziele

Wesentliches Ziel des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ist der Abbau von Handelshemmnissen innerhalb Europas (Artikel 26). Auch Bauprodukte sollen vom Mauerstein bis zur Tapete frei handelbar sein. Zur Realisierung des Binnenmarktes sieht die EU-Verordnung 2024/3110 (EU-BauPVO) eine Harmonisierung der Vorschriften für die Vermarktung von Bauprodukten vor. Die novellierte EU-BauPVO hebt die seit 2013 geltende Verordnung (EU) Nr. 305/2011 schrittweise zwischen 2026 und 2040 auf.

Die Verordnung (EU) 2024/3110 selbst bestimmt nur den Rahmen. Harmonisierte technische Spezifikationen, gemeint sind harmonisierte Leistungsnormen und dazugehörige Durchführungsrechtsakte sowie delegierte Rechtsakte, legen die nötigen technischen Details fest. Voraussetzung für die CE-Kennzeichnung und damit für eine schrankenlose Vermarktung und Verwendung ist, dass ein Hersteller die geforderten Leistungen des Bauprodukts nach den Regeln der Verordnung erklärt. Denn jeder Mitgliedstaat darf fordern, dass die erklärten Leistungen eines Bauprodukts seinen Anforderungen für die vorgesehene Verwendung entsprechen.

Einschränkungen des freien Handels sind laut Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (Artikel 36) zulässig, wenn der Schutz von Umwelt, Gesundheit oder Sicherheit dies erfordert. In diesem Sinne enthält die EU-BauPVO „Schutz vor nachteiligen Auswirkungen hinsichtlich Hygiene und Gesundheit“, „Emissionen in die Außenumgebung“ und „Nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen“ unter den grundlegenden Anforderungen an Bauwerke. Die Verordnung lässt das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, Anforderungen festzulegen, die nach ihrer Auffassung notwendig sind, um den Schutz der Gesundheit, der Umwelt und von Arbeitnehmern, die Bauprodukte verwenden, sicherzustellen.

 

Harmoniserte Zone und Unterstützung des europäischen Grünen Deals

Ziele der Novelle der EU-BauPVO waren ein gut funktionierender Binnenmarkt für Bauprodukte, gute Verständlichkeit und Umsetzbarkeit und die Unterstützung des europäischen Grünen Deals sowie digitale Transformation.

Eine wichtige Ergänzung zur Erreichung eines gut funktionierenden Binnenmarkts ist die sogenannte Harmonisierte Zone (Artikel 11). Hier sollten alle grundlegenden Anforderungen der Mitgliedstaaten berücksichtigt werden, so dass harmonisierte Normen keine Lücken aufweisen. Die harmonisierte Zone wird aktuell (bis spätestens 2039) im sogenannten Technical Acquis-Prozess schrittweise für verschiedene Produktgruppen definiert. Alle unter der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 und ihrer Vorgängerrichtlinie (89/106/EWG) harmonisierten Normen werden neu beauftragt und entsprechend überarbeitet.

Anders als bisher unter der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 hat die Europäische Kommission zur Unterstützung des europäischen Grünen Deals nun unter der Verordnung (EU) 2024/3110 neue Befugnisse, Produktanforderungen festzulegen. Die Anhänge der Verordnung enthalten hierfür mögliche Aspekte, die später aufgegriffen werden könnten, beispielsweise den Rezyklatgehalt von Bauprodukten. Direkt in der Verordnung wird bereits die Erklärung von „vorab festgelegten wesentlichen Umweltmerkmalen“ gefordert (Anhang II). Gemeint sind Ökobilanzangaben, die bisher freiwillig in Umweltproduktdeklarationen dargestellt werden.

Neu ist auch das Digitale Produktpasssystem für Bauprodukte, das mit der Verordnung beauftragt wird.

 

Nationale Zwischenlösung

Eine konkrete, der CE-Kennzeichnung begleitende Auskunft über Emissionen oder Schadstoffgehalte für Bauprodukte ist noch nicht in Produktnormen unter der EU-BauPVO umgesetzt. Fehlen die geforderten Eigenschaften in den harmonisierten Normen, ist in Deutschland bis zur Vervollständigung der harmonisierten Zone, eine zusätzliche technische Dokumentation nötig, um Lücken zur Wahrung der bestehenden Schutzniveaus zu schließen. Die in Deutschland geltenden bauaufsichtlichen Anforderungen sind jeweils in der aktuellen Ausgabe der Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) enthalten. Die materiellen Anforderungen für den Umwelt- und Gesundheitsschutz sind im Teil A3 und die Hinweise zu ihrer Dokumentation im Teil D3 beschrieben. Die Datenbank „Sichere Verwendung von Bauprodukten“ erläutert wo Lücken heute bestehen und wie Anwender sie bei der Produktausschreibung und –auswahl beheben können.

Solange es die CE-Kennzeichnung auf der Basis einer Leistungs- und Konformitätserklärung mit den benötigten Angaben noch nicht gibt, empfiehlt das ⁠UBA⁠ allen Verwendenden, freiwillige Nachweise zu fordern und die verpflichtende Information zu besonders besorgniserregenden Stoffen abzufragen. In Bezug auf Emissionen in die Innenraumluft bestätigt ein geeigneter Nachweis die Einhaltung der Kriterien des AgBB-Bewertungsschemas und / oder der MVV TB. Für Bauprodukte, die in der MVV TB geregelt sind, kann die erforderliche technische Dokumentation zum Beispiel ein DIBt-Gutachten oder eine Europäische Technische Bewertung sein. Für weitere Bauprodukte für Innenräume, die die MVV TB noch nicht umfasst, ist ein Umweltzeichen wie der Blaue Engel oder eine produktscharfe Umweltproduktdeklaration als Nachweis geeignet (siehe auch Muster-Leistungsbeschreibung für schadstoffarmes Bauen und Renovieren).

 

Leistungserklärung für gefährliche Stoffe

Für die vorgesehene umfassende Überarbeitung der harmonisierten Leistungsnormen für Bauprodukte und für eine entsprechende Leistungserklärung zu gefährlichen Stoffen stehen eine Reihe von harmonisierten Prüfmethoden zur Verfügung.  Diese stammen aus dem CEN TC 351 „Bewertung der Freisetzung gefährlicher Stoffe aus Bauprodukten”, das von der Europäischen Kommission beauftragt wurde, die benötigten horizontalen Prüfmethoden für alle Bauprodukte bereitzustellen.

Bisher gelten etwa 500 Bauproduktnormen als harmonisiert (hEN-Liste). Viele betreffen Produktgruppen mit potentiell kritischen Auswirkungen auf die Innenraumluft und Boden und Gewässer, darunter Holzwerkstoffe, Bodenbeläge, Wandbeläge, Klebstoffe, Estriche, Wand- und Deckenverkleidungen, Putze, Mauersteine, Abdichtungen, Zemente, Gesteinskörnungen und Wärmedämmstoffe. Im Technical Acquis Prozess wird festgelegt, welche Anforderungen an gefährliche Stoffe die Technischen Komitees für Bauprodukte in ihre harmonisierten Leistungsnormen übernehmen müssen. Eine konkrete, der CE-Kennzeichnung begleitende Auskunft über Emissionen oder Schadstoffgehalte für Bauprodukte ist inzwischen mit den horizontalen Prüfmethoden des CEN/TC 351 umsetzbar.

In einer von der Europäischen Kommission beauftragten Umfrage zum Informationsbedarf der Verwendenden von Bauprodukten gehörten der Gehalt an gefährlichen Stoffen sowie Emissionen in den Innenraum und Auslaugung in Boden und Gewässer zu den Informationskategorien für die in den Antworten am häufigsten angegeben wurde, dass Informationen heute nicht ausreichend verfügbar sind.  Um sicheres und nachhaltiges Bauen zu gewährleisten, ist es nun für alle am Bau Beteiligten wichtig, die Informationslücken durch transparente und verständliche Informationen zu schließen.