Seeverkehr – Luftschadstoffe, Energieeffizienz und Klimaschutz
zum Vergrößern anklickenDie Abgase der Seeschiffe beeinträchtigen Umwelt, Gesundheit und Klima. Quelle: Sculpies / Fotolia.com
Seeschiffe fahren überwiegend mit Schweröl. Sie stoßen pro transportierter Tonne und pro Kilometer mehr Schadstoffe aus als der Landverkehr. Die CO2-Emissionen sind dagegen im Vergleich geringer.
Derzeit werden weltweit etwa 70 Prozent aller Güter – bezogen auf die Transportleistung, gemessen in Tonnenkilometern – auf dem Seeweg transportiert. Von etwa der Hälfte der weltweiten Schiffsbewegungen liegt der Ziel- oder Abfahrtshafen in der EU. Nord- und Ostsee gehören damit zu den am häufigsten und dichtesten befahrenen Meeren der Welt. Beispielsweise durchqueren jährlich rund 30.000 Schiffe den Nord-Ostsee-Kanal und rund 2.000 Schiffe fahren täglich bei Tag und Nacht auf der Ostsee.
Die meisten Schiffe fahren auf transozeanischen Routen oder in Küstennähe. Sie werden zum großen Teil mit Schweröl, den Rückstandsölen aus der Raffinerie, betrieben. Diese enthalten deutlich mehr Schwefel und andere Schadstoffe, zum Beispiel Schwermetalle, als Kraftstoffe, die an Land eingesetzt werden. Entsprechend belasten die Schiffsabgase die Luftqualität in Hafenstädten und Küstenregionen besonders mit Schwefeloxiden (SOx) Stickstoffoxiden (NOx) sowie Ruß und Feinstaub.
Die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (International Maritime Organization – IMO) regelt im "Internationalen Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe" (MARPOL-Konvention) Umweltschutzauflagen für die Seeschifffahrt. Die sechs Annexe enthalten Regelung bezüglich der Verhütung der Verschmutzung durch Öl (Annex I), schädliche flüssige Stoffe (Annex II), Schadstoffe in verpackter Form (Annex III), Abwasser (Annex IV), Schiffsmüll (Annex V) sowie zur Luftverunreinigung durch Seeschiffe (Annex VI). Bislang werden folgende Luftschadstoffe reguliert: Ozon schädigende Substanzen (ODS; Reg. 12), Stickstoffoxide (NOx; Reg. 13), Schwefel und Partikel (SOx; Reg. 14), Flüchtige organische Verbindung (VOC; Reg. 15). Weiterhin sind in Annex VI Vorgaben zur Energieeffizienz für Schiffsneubauten (EEDI; Reg. 19-21) sowie zur betrieblichen Energieeffizienz (SEEMP; Reg. 22) enthalten.
Schwefeloxidemissionen
In der Seeschifffahrt werden überwiegend Schweröle (heavy fuel oil - HFO) als Kraftstoff eingesetzt. Dabei handelt es sich um die meist zähflüssigen, schadstoffhaltigen Reststoffe aus dem Raffinerieprozess. Um das Schweröl an Bord der Schiffe zu verwenden, muss es energieintensiv aufbereitet werden: Es muss sowohl zur Pumpfähigkeit erhitzt, als auch von Feststoffen gesäubert werden. Aus dieser Aufbereitung fallen Rückstandsschlämme (“Sludge“) an, die im Hafen entsorgt werden müssen. Teilweise werden diese aber immer noch illegal im Meer entsorgt.
Schweröl weist im Vergleich zu dem im Straßenverkehr verwendeten Benzin- oder Dieselkraftstoff eine minderwertige Qualität sowie einen hohen Schadstoffgehalt durch aromatische Kohlenwasserstoffe und Metalle auf. Auch sind die Grenzwerte für die Luftschadstoffemissionen der Seeschiffe selbst in den Emissionssondergebieten (Emission Control Area – ECA), zu denen Nord- und Ostsee gehören, immer noch deutlich höher als im Straßenverkehr. Während die Schwefelmenge im Kraftstoff hier einen massebezogenen Anteil von 0,001 Prozent nicht überschreiten darf, liegt der seit dem 1.1.2015 gültige Grenzwert für Schiffskraftstoff in den Schwefelkontrollgebieten (Sulphur Emission Control Area – SECA) mit 0,10 Prozent immer noch um das 100-fache höher. Seit Anfang 2020 gilt weltweit ein massebezogener Grenzwert von 0,5 Prozent (MARPOL Annex VI).
Die EU hat die Vorgaben an den Schwefelgehalt im Schiffskraftstoff aus MARPOL Annex VI mit der EU-Schwefelrichtlinie (2016/802) umgesetzt. Schwefelemissionen können zu Lungenkrebs und Herzkreislauferkrankungen führen. In der Umwelt führen sie zur Versauerung von Böden und Gewässern. Eine emissionsärmere Alternative zu Schweröl ist die Verwendung von hochwertigerem Marinedieselöl (MDO) oder von Erdgas, das in seiner dichtesten Speicherform als LNG bereits im Seeverkehr eingesetzt wird. Für einen entsprechenden Gasantrieb müssen Schiffe umgerüstet und die notwendige Tankinfrastruktur in den Häfen aufgebaut werden. Der Einsatz von LNG wird jedoch zunehmend kritisch gesehen, da es bei der Vorkette (Förderung, Verflüssigung, Transport) sowie bei der Verbrennung im Schiffsmotor zu Methanschlupf (Entweichen von Methan) kommen kann. Durch die höhere Treibhausgaswirksamkeit von Methan kann dadurch die bessere Klimagasbilanz (effizientere Verbrennung) aufgehoben werden bzw. sich sogar ins Negative umkehren.
Alternativ zur Verwendung schwefelarmer Kraftstoffe erlauben IMO und EU die Entschwefelung der Abgase über ein Abgasreinigungssystem, Scrubber genannt. Dabei dürfen die Schwefeldioxid-Konzentrationen nicht höher sein als sich im Betrieb mit schwefelreduziertem Kraftstoff ergeben würde (Guideline for Exhaust Gas Cleaning Systems, MEPC 340(77)). Bislang sind folgende technische Varianten auf dem Markt:
Offene Systeme (Open-Loop-Scrubber) nutzen die Pufferkapazität des Meerwassers, um das Schwefeldioxid aus dem Abgas zu entfernen. Das Wasser wird dabei wieder direkt ins Meer eingeleitet.
Geschlossene Nasswäscher (Closed-Loop-Scrubber) nutzen Frischwasser und Natronlauge, um die gewünschte Reinigungsleistung zu erzielen. Hier wird ein Großteil des Wassers im Kreis geführt, nur geringere Mengen werden ins Meer gegeben oder können für eine gewisse Zeit in Tanks gespeichert werden. Die anfallenden Reststoffe („Sludge“) aus der Wasseraufbereitung müssen im Hafen abgegeben werden. Open- und Closed-Systeme werden oftmals kombiniert als Hybridsystem installiert.
Trockene Scrubbersysteme arbeiten mit Kalkgranulat, das komplett im Hafen entsorgt werden muss.
Das Umweltbundesamt hat 2014 eine erste Bewertung der Umweltwirkungen der Scrubbersysteme in einer Studie veröffentlicht. Die Entschließung MEPC 340(77) enthält Grenzwerte (pH-Wert, PAK, Trübung, Nitrat) für die Einleitung des Wassers in die Meeresumwelt. Das BSH hat im Rahmen eines UBA-Projekts die Umweltwirkung der Waschwasserseinleitung aus Scrubbern näher untersucht. Die Ergebnisse wurden 2020 in einer Studie veröffentlicht.
Im Rahmen des Forschungsvorhabens "ImpEx" (Auftragnehmer BSH) hat das UBA 2021 einen ersten Teilbericht veröffentlicht, der den Status quo bezüglich Scrubbersystemen analysiert. Der Bericht äußert Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen auf die Meeresumwelt durch die Abwassereinleitungen: Bisherige Untersuchungen weisen einen sauren pH-Wert und eine Belastung mit Schadstoffen, wie Schwermetalle, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Ölrückstände und Nitrat in relevanten Konzentrationen im Abwasser nach. Die Studienergebnisse zeigen, dass der Single-Pollutant-Ansatz allein für eine Umweltrisikobewertung der Abwassereinleitungen nicht geeignet ist.
Stickoxidemissionen
Die bei der Verbrennung im Motor entstehende Stickstoffoxide (NOx) tragen zur Eutrophierung der Ökosysteme bei und stellen eine Gesundheitsgefahr durch die Verursachung von Atemwegs- sowie Herz-/Kreislauferkrankungen dar. Die maximal zulässigen NOx-Emissionen im Abgas werden im MARPOL Annex VI sowie im NOx-Technical-Code anhand einer Grenzwertkurve in Abhängigkeit von der Drehzahl des Motors festgelegt. Diese Grenzwerte werden nach einem durch die IMO festgelegten Zeitplan stufenweise verschärft (Tier I und II).
Darüber hinaus gelten in durch die IMO festgelegten Stickstoff-Emissionskontrollgebieten (NECAs) besonders strenge NOx-Grenzwerte – allerdings nur für Marinedieselmotoren in neugebauten oder nachgerüsteten Schiffen (Tier III). Dies betrifft am oder nach dem 1. Januar 2016 gebaute Schiffe, die in dem als NECA ausgewiesenen Gebiet der nordamerikanische Küste (USA, Kanada) einschließlich Hawaii und der US-amerikanischen Karibik verkehren sowie am oder nach dem 1. Januar 2021 gebaute Schiffe, die in der Nord- und Ostsee verkehren.
Partikelemissionen
Für Partikelemissionen sind in MARPOL Annex VI bislang keine direkten Grenzwerte enthalten, sondern nur indirekt über die Vorgaben zum Schwefelgehalt im Kraftstoff, da dieser die Partikelbildung beeinflusst. Partikelemissionen aus der Verbrennung von Kraftstoffen werden im Allgemeinen als gesundheitsschädlich oder krebserregend eingestuft. Je kleiner die Partikel, desto leichter gelangen sie über die Lunge bis ins Blut. Zusätzlich können auf der Oberfläche von Partikeln gefährliche Stoffe wie Schwermetalle oder krebserregende polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe angelagert sein.
Für große Schiffsmotoren sind Maßnahmen oder Anlagen zur Ruß- und Partikelreduktion bisher nur in geringem Umfang erprobt bzw. eingesetzt. Grundsätzlich können auch innermotorische Maßnahmen und die Verwendung hochwertiger und schwefelarmer Kraftstoffe, die Verwendung eines Landstromanschlusses während der Liegezeit im Hafen sowie der Einsatz eines Partikelfilters solche Emissionen mindern. Da jedoch keine Grenzwerte für Partikel oder Ruß ("Black Carbon") existieren, mangelt es auch an der Umsetzung von Maßnahmen in der Praxis. Die IMO verhandelt seit mehreren Jahren über die Einführung von „Black Carbon“-Minderungsmaßnahmen, um die negative Klimawirkung durch Rußemissionen in der Arktis zu senken. Noch sind jedoch weder Grenzwerte noch verbindliche Minderungsmaßnahmen verabschiedet.
Landstrom
Um die Emissionen während der Liegezeit der Schiffe im Hafen zu mindern, besteht die Möglichkeit, Schiffe mit externem, für den Bordbetrieb benötigtem Strom zu versorgen anstatt diesen mit schiffseigenen Hilfsmaschinen zu erzeugen. Dafür müssen sowohl landseitig als auch an Bord die entsprechenden technischen Voraussetzungen geschaffen werden (Stromanschluss und Stecker). Da insbesondere Kreuzfahrtschiffe während der Liegezeit einen hohen Energiebedarf – ähnlich einer Kleinstadt – haben, ist die Versorgung heute oftmals noch eine Herausforderung für die Stromanbieter. Das UBA befürwortet eine solche alternative, emissionsärmere Energieversorgung mit Landstrom im Hafen.
Energieeffizienz und Treibhausgasemissionen
Auch wenn die meisten Schiffstransporte pro Tonnenkilometer im Vergleich zu Landtransporten energieeffizienter sind, ist weiterhin großes Optimierungspotenzial vorhanden. Um dieses Potenzial abzurufen, hat die IMO 2011 den Energy Efficiency Design Index (EEDI) verabschiedet. Dieser Index setzt die CO2-Emissionen eines Schiffes, berechnet aus der Antriebsleistung und dem spezifischen Kraftstoffverbrauch, ins Verhältnis zur Transportkapazität. Der ermittelte Wert muss unterhalb einer schiffstypenbezogenen Referenzlinie liegen, die stufenweise angepasst wird. Der EEDI ist eine erste weltweit gültige Maßnahme, um den CO2-Ausstoß der Seeschifffahrt zu senken. Da der EEDI nur für Schiffsneubauten gilt und Schiffe eine Lebensdauer von 20-30 Jahren aufweisen, ist der Effekt jedoch erst langfristig wirksam. Die Einführung des EEDI reicht nicht aus, um die steigenden Treibhausgasemissionen des Sektors ausreichend zu senken. Insbesondere fehlen Maßnahmen, die auch die Bestandsflotte einschließen.
Die "Fourth IMO Greenhouse Gas Study 2020" enthält Daten zum Kraftstoffverbrauch und zur Emissionsentwicklung sowie Szenarien zur Entwicklung der Schiffsflotte und mögliche Minderungsmaßnahmen.
Die EU hat 2015 die „Monitoring, Reporting and Verification Regulation“ (MRV-VO; 2015/757) verabschiedet, die der Erfassung der schiffsbezogenen CO2-Emissionen dient. Sie kann auch als Basis für eine marktbasierte Maßnahme zur Treibhausgasminderung, wie beispielsweise ein Emissionshandelssystem, dienen. Seit 2018 müssen Schiffe, die einen EU-Hafen anlaufen oder von diesem starten, ihre CO2-Emissionen an die EU melden.
2016 hat auch die IMO ein Data Collection System (DCS) zur Erfassung des Kraftstoffverbrauchs verabschiedet, das 2018 in Kraft trat. Im Vergleich zum europäischen System werden auf internationaler Ebene ergänzend zum Kraftstoffverbrauch weniger Parameter erfasst, beispielsweise muss nicht die reale Transportleistung sondern nur Angaben zur zurückgelegten Distanz und zur Tragfähigkeit übermittelt werden. Diese Erfassungssysteme sind wichtig, mindern jedoch keine Emissionen.
Die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) ist für die Prüfung der Emissionsberichte von Schiffen unter deutscher Flagge zuständig und ist außerdem Bußgeldbehörde für die nationale Durchsetzung der MRV-Seeverkehrsverordnung für Schiffe aller Flaggen.
Im Jahr 2018 hat die IMO eine Resolution verabschiedet, in der erstmals ein Sektorziel für die Minderung der Treibhausgasemissionen vereinbart wurde. In dieser Strategie hat die internationale Staatengemeinschaft vereinbart, die Treibhausgasemissionen des Seeverkehrs um mindestens 50 Prozent bis 2050 im Vergleich zu 2008 zu senken. Um dieses Ziel zu erreichen, arbeitet der Umweltausschuss der IMO (MEPC) aktuell an Programmen und Maßnahmen.
Grundsätzlich können regulatorische (z. B. ein Emissionshandelssystem), technische (z. B. optimierte Rumpfform, alternative Kraftstoffe) und auch betriebliche Maßnahmen („Slow Steaming“ – Langsamfahren) die Treibhausgasemissionen der Schiffe deutlich senken. Neben dem Ausstoß von Luftschadstoffen und Treibhausgasen gibt es weitere Wirkungen des Seeverkehrs, die die (Meeres-)Umwelt beeinträchtigen.
Der Blaue Engel für die Seeschifffahrt
Seeschiffe können, wenn sie ambitionierte Umweltschutzmaßnahmen an Bord umgesetzt haben, das Umweltzeichen "Blauer Engel" beantragen. Der „Blaue Engel für das umweltfreundliche Seeschiffsdesign“ richtet sich an Reedereien oder Schiffsbetreiber, die einen Schiffsneubau planen. Schon beim Design und beim Bau eines Schiffes sollen die Potenziale zum Schutz der Umwelt genutzt werden. Beispielsweise kann durch eine Optimierung der Rumpfform, das Schiff effizienter betrieben werden und so Kraftstoff sparen. Die umfassenden Anforderungen reichen u.a. von der Doppelhülle für Bunkertanks, über Luftschadstoffemissionen, Kühl- und Kältemittel, anspruchsvolle Abwasseranlagen bis hin zu Korrosionsschutz und Unterwasserschall mindernden Maßnahmen. Die Vergabekriterien wurden 2020 umfangreich aktualisiert und stehen seit Anfang 2021 auf der Seite des „Blauen Engels“ zur Verfügung. Dort findet sich auch eine Übersicht der mit dem Umweltzeichen ausgezeichneten Schiffe.
„Für Mensch und Umwelt“ ist der Leitspruch des UBA und bringt auf den Punkt, wofür wir da sind. In diesem Video geben wir Einblick in unsere Arbeit.
Umweltbundesamt
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