Aktive Mobilität

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Zur "aktiven Mobilität" gehört zum Beispiel das Fahrradfahren und Zufußgehen.
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Unter „aktiver Mobilität“ versteht man die Fortbewegung mit Hilfe der eigenen Muskelkraft wie Zufußgehen und Radfahren. Das ist gesund und gut für die Umwelt. Das UBA fördert daher diese Formen der Mobilität. Wo Menschen leicht zu Fuß und mit dem Rad unterwegs sein können und attraktive Straßenräume dazu einladen, bieten Städte und Gemeinden eine hohe Lebensqualität.

Forschungskooperation zum Thema „Aktive Mobilität“

Das Umweltbundesamt (⁠UBA⁠) und das Bundesinstitut für Bau‐, Stadt‐ und Raumforschung (BBSR) haben vereinbart, am Thema „Aktive Mobilität“ gemeinsam zu arbeiten. Vom BBSR wurde deshalb im Jahr 2016 im Rahmen des Forschungsprogramms „Experimenteller Wohnungs‐ und Städtebau“ (ExWoSt) das Forschungsfeld „Aktive Mobilität in städtischen Quartieren“ geschaffen. In Wohnquartieren der Modellstädte Leipzig, Köln, Kiel und Aachen werden Maßnahmen zur Stärkung aktiver Mobilität durchgeführt. Im Zentrum des Experiments stehen temporäre und dauerhafte Um‐ und Neugestaltungen von Straßen und Plätzen zugunsten des Fuß‐ und Radverkehrs. Das BBSR fördert die Investitionen, die Planung, die Bürgerbeteiligung und die Öffentlichkeitsarbeit. Das UBA übernimmt die wissenschaftliche Begleitforschung mit repräsentativen Befragungen in den Modellstädten sowie die Auswertung der modellhaften Verfahren und Maßnahmen (Prozess‐ und Wirkungsevaluation). Aus den Erfahrungen mit den Modellprojekten werden generelle Empfehlungen für Straßenraum‐Umgestaltungen und Änderungen an Regelwerken abgeleitet. Die Begleitforschung des UBA besteht aus zwei Forschungsprojekten:

Forschungsprojekt „Aktive Mobilität: Mehr Lebensqualität in Ballungsräumen“

Im Forschungsprojekt „Aktive Mobilität: Mehr Lebensqualität in Ballungsräumen“ wurde nach Motivationsfaktoren gesucht, die die aktive Mobilität im Alltag begünstigen. Dazu führte die Technische Universität Dresden im Auftrag des UBA eine repräsentative Online‐Erhebung in zwölf deutschen Städten von der Größe ab 100.000 Einwohnern durch. Es wurde gefragt, was Menschen dazu anregt, öfter zu Fuß zu gehen und Rad zu fahren oder was sie daran hindert. Die subjektiven, sozialpsychologischen Faktoren und Barrieren in Bezug auf das Zufußgehen und Radfahren waren dabei von besonderem Interesse. Zu den sozialpsychologischen Faktoren gehören zum Beispiel Einstellungen, Gewohnheiten, persönliche und soziale Normen. Subjektive Barrieren können in Einflussfaktoren wie Komfortanspruch, Sicherheitsgefühl, Flexibilität oder Privatsphäre liegen. Zu den zwölf Erhebungsstädten gehörten auch die vier Modellstädte des ExWoSt-Forschungsfelds „Aktive Mobilität in städtischen Quartieren“ Leipzig, Kiel, Köln und Aachen. Dort führte das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) zusätzlich qualitative Interviews durch.

Ergebnisse

Bei der Auswertung zeigte sich, dass die Häufigkeit, mit der sich Menschen zu Fuß fortbewegen, am stärksten mit einer positiven Wahrnehmung des Zufußgehens zusammenhängt. Je interessanter, angenehmer und flexibler wir das Zufußgehen einschätzen, desto wahrscheinlicher ist es, dass wir viele Wege zu Fuß zurücklegen. Beim Fahrradfahren wurde ein noch stärkerer Zusammenhang mit einer positiven Einstellung beobachtet.

Besonders für den Fußverkehr ist es förderlich, wenn die Zielorte für Aktivitäten nah gelegen sind und das eigene Wohnquartier eine hohe städtebauliche Dichte aufweist. Überraschend war, wie wichtig den Menschen der Internet- bzw. Mobilfunkzugang ist, um sich für das Zufußgehen zu entscheiden.

Interessanterweise gehen Personen, die der Sicherheit im Straßenraum eine hohe Relevanz zuschreiben, eher zu Fuß, während tendenziell Menschen eher mit dem Fahrrad fahren, denen die Sicherheit bei der Verkehrsmittelwahl weniger essentiell erscheint. Dies deutet darauf hin, dass das Fahrrad eher als unsicheres Verkehrsmittel empfunden wird.

Wird die Privatsphäre und der Komfort bei der Verkehrsmittelwahl als wichtig erachtet, sinkt die Wahrscheinlichkeit des Fahrradfahrens. Dagegen wirken sich eine hohe formale Bildung und ein starkes Umweltbewusstsein positiv auf die Häufigkeit des Radfahrens aus.

Je mehr Pkws einem Haushalt zur Verfügung stehen, desto unwahrscheinlicher ist die Fortbewegung zu Fuß oder mit dem Rad. In persönlichen Interviews kam auch eine wahrgenommene Unterlegenheit von Fahrrädern gegenüber Autos im Straßenverkehr zum Ausdruck.

Handlungsoptionen für Bund, Länder und Kommunen

Ausgehend von diesen Befragungsergebnissen wurden Handlungsoptionen für Bund, Länder und Kommunen herausgearbeitet. Die Sensibilisierung für das Thema Zufußgehen, Imagekampagnen für die aktive Mobilität, die Förderung der „Stadt der kurzen Wege“ und eine flächendeckende mobile Internetverfügbarkeit gehören zu den wichtigsten Maßnahmen.

Zur Förderung der aktiven Mobilität sollten Push- und Pull-Maßnahmen eingeführt werden. Die Verbesserung der Sicherheit im Fuß- und Radverkehr stellt eine zentrale Pull-Maßnahme dar. Dazu sollte die Einführung von Tempo-30-Abschnitten an Hauptverkehrsstraßen erleichtert, schmale Gehwege verbreitert, mehr Querungshilfen angeboten und der Ausbau eines lückenlosen, sicheren und attraktiven Radwegenetzes vorangetrieben werden.

Eine parallele Förderung des ÖPNV – auch dies ist eine Pull-Maßnahme – ist ebenso notwendig, da besonders Zufußgehende öffentliche Verkehrsmittel nutzen, um auch entferntere Ziele komfortabel erreichen zu können.

Eine Minderung der Pkw-Nutzung und der Dominanz parkender Pkw im öffentlichen Straßenraum (Push-Maßnahme) lässt sich wirksam mit einer angemessenen Parkraumbewirtschaftung erreichen. Daneben kann aktive Mobilität zusätzlich durch ein Bonus-System für den Arbeits- und Ausbildungsweg als Pull-Maßnahme angeregt werden.

Grundzüge einer Fußverkehrsstrategie

In einem weiteren Baustein erarbeitete das Deutsche Institut für Urbanistik (difu) Grundzüge einer Fußverkehrsstrategie für Deutschland. Unabhängig von der Begleitforschung wurde im Rahmen dieses Forschungsprojekts eine internationale Fahrradkonferenz (ICC – International Cycling Conference) im September 2017 in Mannheim durchgeführt.

Forschungsprojekt „MONASTA“

Das zweite Begleitforschungsprojekt des UBA nennt sich „Modellvorhaben nachhaltige Stadtmobilität unter besonderer Berücksichtigung der Aufteilung des Straßenraums“ – kurz: MONASTA. Es beinhaltet die Evaluation der Planung, des Beteiligungsprozesses und der Umsetzung der Modellprojekte in den vier Modellstädten. Die Prozess‐ und Wirkungsevaluation der ExWoSt‐Modellprojekte führte die Planersocietät in Zusammenarbeit mit der Hochschule Bochum durch. Das Ergebnis und die Methoden sind in einem Abschlussbericht dokumentiert.

Eine Kurzbeschreibung der Projektergebnisse finden Sie im Factsheet "Modellvorhaben nachhaltige Stadtmobilität unter besonderer Berücksichtigung der Aufteilung des Straßenraums (MONASTA)".

Empfehlungen für eine erfolgreiche Umgestaltung des Straßenraums wurden im Rahmen von MONASTA mit zwei Fachbroschüren veröffentlicht: Gute Beispiele sind in der Broschüre „Straßen und Plätze neu denken“ zu finden, konkrete Planungsanregungen gibt die Broschüre "Quartiersmobilität gestalten".

Das Ergebnis und die Methoden sind im Abschlussbericht dokumentiert und in einem Video zusammengefasst.

Straßenräume neu verteilen zugunsten der aktiven Mobilität

Die umwelt- und menschenfreundliche Stadt von morgen zeichnet sich durch eine hohe Aufenthaltsqualität aus. Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, ist die Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs. Dieser beeinträchtigt die Aufenthaltsqualität durch Abgase und Lärm, aber auch durch seinen erheblichen Flächenverbrauch. Die aktiven Fortbewegungsarten Gehen und Radfahren sollten dagegen gestärkt werden.

Aktive Mobilität fördert nachweislich nicht nur das individuelle Wohlbefinden, sondern senkt auch das Stresslevel und hilft, viele Krankheiten zu vermeiden. Zudem kann eine Erhöhung des Fuß- und Radverkehrsanteils auch der lokalen Wirtschaft zugutekommen. Außerdem schonen zu Fuß gehen und Rad fahren die Umwelt, sind günstiger als Auto fahren und stehen nahezu allen Bevölkerungsgruppen offen.

Um eine nachhaltige Mobilität zu erreichen, gilt es den Fuß- und Radverkehr zu fördern. Dazu ist es erforderlich, ausreichend Platz für das sichere und komfortable Zufußgehen und Radfahren zu schaffen. Das Forschungsprojekt „Maßnahmen zur Umwidmung und Neuverteilung von Verkehrsflächen“ (MUV) zeigt deutsche und internationale gute Beispiele (siehe hierzu ganz unten die Linksammlung "Best-Practice-Beispiele") und stellt für einzelne Straßen in Mainz, Bremen und Kassel Pläne vor, wie diese zugunsten der aktiven Mobilität umverteilt werden könnten. Auswertungen der Praxis lassen wiederkehrende Erfolgsfaktoren bei der Gestaltung, Beteiligung und Umsetzung erkennen. Schlüsselfaktoren für eine erfolgreiche Umgestaltung des Straßenraums erleichtern den Planungs- und Umsetzungsprozess.

Chancen ergeben sich auch für die lokale Wirtschaft wie Einzelhandel, Dienstleistungen und Gastgewerbe. Maßnahmen zur Förderung aktiver Mobilität werden in der Planungsphase von der lokalen Wirtschaft teilweise kritisch gesehen, wenn dabei Flächen des motorisierten Verkehrs dem Fuß- und Radverkehr und dem Aufenthalt gewidmet werden. Evaluationsberichte zeigen allerdings, dass diese Vorbehalte meist unbegründet sind. Sie belegen vielmehr die positive Wirkung von Straßenumgestaltungen auf die lokale Ökonomie.

Best-Practice-Beispiele