Für die die Bewertung der chemischen Parameter werden in Deutschland EU-weit festgelegte Umweltqualitätsnormen und national festgelegte Umweltqualitätsnormen herangezogen. Ein weiteres Bewertungsverfahren ist die chemische Güteklassifikation.
In Gewässer wird aus Haushalten, Industrie, Gewerbe, Verkehr sowie Landwirtschaft eine Vielzahl von Stoffen eingetragen. Mit fortschreitender Analysetechnik werden immer mehr Stoffe in immer kleineren Konzentrationen in Gewässern gefunden. Die EU-Wasserrahmenrichtlinie fordert für diese Stoffe, deren Bedeutung im Hinblick auf den Umweltschutz und zum Teil auch Gesundheitsschutz zu prüfen und ggf. Umweltqualitätsnormen festzulegen. Die EG-Wasserrahmenrichtlinie gruppiert die Stoffe in solche mit EU-weiter und solche mit lokaler Bedeutung für Oberflächengewässer. Entsprechend werden Umweltqualitätsnormen EU-weit oder national festgelegt.
Neben den rechtlich verbindlichen Umweltqualitätsnormen ist die 7-stufige chemische Gewässergüteklassifikation eine wichtige Grundlage für die Beurteilung der stofflichen Belastung der oberirdischen Binnengewässer in Deutschland.
Für den chemischen Zustand sind EU-weit Umweltqualitätsnormen in der Richtlinie 2008/105/EG festgelegt. Hinzu kommt Nitrat, mit einem Aktionswert aus der Nitratrichtlinie (91/676/EG).
Die EU-weit festgelegten Umweltqualitätsnormen der bisher 33 prioritären Stoffe der EG-Wasserrahmenrichtlinie und weiterer 8 europaweit geregelter Stoffe der älteren Richtlinie über gefährliche Stoffe (76/464-Richtlinie, neu: 2006/11/EG) sowie der Aktionswert für Nitrat aus der EG-Nitratrichtlinie bestimmen den chemischen Zustand. Die Regelungen der Umweltqualitätsnormen-Richtlinie 2008/105/EG und der Nitratrichtlinie hat der Gesetzgeber 2011 in die Oberflächengewässerverordnung übernommen. Die Umweltqualitätsnormen-Richtlinie wurde am 12. August 2013 novelliert (2013/39/EU). Darin werden nun insgesamt 45 prioritäre Stoffe geregelt, die 2016 in die Oberflächengewässerverordnung übernommen wurden. Die Umweltqualitätsnormen der 12 neu aufgenommenen prioritären Stoffe gelten ab 2018. Bei Überschreitung des Aktionswertes in Höhe von 50 mg Nitrat/l müssen Maßnahmen ergriffen werden, um eine Verringerung der Belastung zu erreichen. Für den chemischen Zustand gibt es zwei Klassen. Wenn die Normen eingehalten sind, ist der Zustand „gut“, sonst „nicht gut“. Der „gute chemische Zustand“ als Umweltziel gilt sowohl für „natürliche“ als auch für „künstliche“ und „erheblich veränderte“ Gewässer. Die Kennzeichnung erfolgt in blau für den „guten chemischen Zustand“ und in rot für den „nicht guten chemischen Zustand“.
Die prioritären Stoffe müssen bei Eintrag gemessen werden. Überwacht wird immer der Jahresmittelwert, die Umweltqualitätsnorm wird daher JD-UQN (Jahresdurchschnitt-Umweltqualitätsnorm) abgekürzt. Für einige Schadstoffe mit hoher akuter Toxizität wurde zusätzlich eine zulässige Höchstkonzentration (ZHK-UQN) festgelegt, die der Maximalwert nicht überschreiten darf. Für Stoffe, die eine hohe Anreicherung innerhalb der Nahrungskette aufweisen, wurde zusätzlich eine Norm für Biota festgelegt.
Die Umweltqualitätsnormen des chemischen Zustands berücksichtigen den Schutz der Gewässerorganismen (einschließlich der Anreicherung in der Nahrungskette) und der menschlichen Gesundheit. Umweltqualitätsnorm für Küstengewässer und Meere wurden mit Hilfe von Testergebnissen auch für marine Organismen ermittelt. Aus den Meereskonventionen stammt das Ziel, die Einträge von prioritär gefährlichen Stoffen innerhalb einer Generation zu beenden („phasing out“).
Nach Wasserrahmenrichtlinie soll der Anhang X, der die prioritären Stoffe benennt, alle vier Jahre überarbeitet werden. Deshalb wurde mit der Richtlinie 2013/39/EU zu den prioritären Stoffen eine Aktualisierung des Anhanges X und der Umweltqualitätsnormen-Richtlinie (Richtlinie 2008/105/EG) verabschiedet. Der Zeitraum zur Überarbeitung der Stoffliste wurde damit auf 6 Jahre, entsprechend den Bewirtschaftungsplänen, ausgedehnt. Die Anzahl der prioritären Stoffe hat sich von 33 auf 45 erhöht, 21 davon sind prioritär gefährlich. Die Normen für elf „alte“ Stoffe wurden geändert. Für die sogenannten ubiquitären, weitverbreitet vorkommenden Stoffe zu denen u.a. Quecksilber und Dioxine gehören, ist durch die neue Richtlinie ein reduziertes Monitoring möglich. Neu ist auch die verpflichtend eingeführte Beobachtungsliste mit maximal 14 Stoffen.
EU Beobachtungsliste (Watch List)
Die Beobachtungsliste (Durchführungsbeschluss (EU) 2015/495 der Kommission) definiert ein EU-weites Messprogramm für Stoffe in der aquatischen Umwelt, für die keine ausreichenden Daten aus der Gewässerüberwachung vorliegen. Die EU-Mitgliedstaaten müssen sie in Gewässern an repräsentativen Probenahmestellen messen. Ausgewählt werden Stoffe, die in mehreren EU-Mitgliedstaaten verwendet werden, in die Gewässer gelangen können und für die es Probleme bei der Überwachung gibt, z.B. weil die notwendigen Bestimmungsgrenzen sehr niedrig sind. Die Beobachtungsliste enthält maximal 14 Stoffe oder Stoffgruppen zusammen mit Angaben zur Überwachungsmatrix (z.B. Wasser oder Sediment), zu Analysemethoden und Nachweisgrenzen. Sie muss alle 2 Jahre aktualisiert werden. Ein Stoff darf maximal 4 Jahre auf der Liste verbleiben.
Im vergangenen Jahr hat die EU-Kommission die Daten zur ersten Beobachtungsliste ausgewertet. Diese erste Auswertung zeigt, dass mit der Beobachtungliste sehr zielgerichtet EU-weit Daten zu Konzentrationen von bisher selten in den Gewässern der EU überwachten Stoffen ermittelt werden können. Auf der ersten Liste fanden sich die hormonell wirksamen Chemikalien 17-alpha-Ethinylöstradiol (EE2), 17-beta-Östradiol (E2) und Östron (E1), die Pflanzenschutzmittel Methiocarb und Neonicotinoide sowie bestimmte („Makrolid-„) Antibiotika. Diese Stoffe finden sich auch auf der zweiten Beobachtungsliste. Für die Pflanzenschutzmittel Triallat und Oxadiazon, das in Verbraucherprodukten eingesetzte Antioxidans 2,6-Ditert-butyl-4-methylphenol, den in Sonnencremes eingesetzten UV-Filter 2-Ethylhexyl-4-methoxycinnamat und das Schmerzmittel Diclofenac liegen ausreichend Überwachungsdaten für das Priorisierungsverfahren der WRRL vor. Sie werden mit dem Durchführungsbeschluss (EU) 2018/840 der Kommission ersetzt durch das Insektizid Metaflumizon sowie die Antibiotika Amoxicillin und Ciprofloxacin.
National festgelegte Umweltqualitätsnormen - ökologischer Zustand
Die Bewertung spezifischer Schadstoffe erfolgt im Rahmen der Einstufung in den ökologischen Zustand. Für die spezifischen Schadstoffe, die in signifikanten Mengen eingetragen werden, sind von den Mitgliedstaaten Umweltqualitätsnormen zum Schutz der aquatischen Lebensgemeinschaften auf der Grundlage von längerfristigen ökotoxikologischen Wirkungsdaten abzuleiten (Anhang V Nr. 1.2.6 EG-Wasserrahmenrichtlinie). Stoffmengen, die an repräsentativen Messstellen zu Konzentrationen größer als die halbe Umweltqualitätsnorm führen, werden als signifikant definiert. In Deutschland wurden für 67 Schadstoffe Umweltqualitätsnormen rechtsverbindlich in Anlage 6 der Oberflächengewässerverordnung festgelegt. Die Prüfung auf Einhaltung der Umweltqualitätsnorm erfolgt an Hand von Jahresmittelwerten, wie es die EG-Wasserrahmenrichtlinie vorgibt.
Die Festlegung der Umweltqualitätsnorm für den ökologischen Zustand der Oberflächengewässer erfolgt auf der Grundlage der EU-Chemikalienbewertung nach Anhang V Nr. 1.2.6 EG-Wasserrahmenrichtlinie. Es werden valide Langfristtests über die Wirkungen des Stoffes auf die Ernährungsstufen Algen, Kleinkrebse und Fische zusammengestellt und von diesen der empfindlichste Wert ausgewählt. Weil es aber in der Natur noch empfindlichere Organismen geben kann als diejenigen, mit denen die Labortests durchgeführt wurden, wird dieser kleinste Wert durch einen Ausgleichsfaktor geteilt, um die Umweltqualitätsnorm zu ermitteln. Wenn für alle Stufen valide längerfristige Toxizitätstests vorliegen, beträgt dieser Faktor im allgemeinen 10. Wenn Daten fehlen, beträgt er 100 oder mehr.
Manche Umweltqualitätsnormen haben sehr niedrige Werte. Bei Messungen in der Matrix „Wasser“ liegen die Bestimmungsgrenzen für die betreffenden meist akkumulierbaren Stoffe daher teilweise oberhalb der Umweltqualitätsnorm. In diesen Fällen ist eine Überprüfung auf Einhaltung der Umweltqualitätsnorm nicht möglich; es können sowohl Überschreitungen als auch Einhaltungen vorlie-gen. Daher wurden für akkumulierbare Stoffe in Deutschland Umweltqualitätsnormen vorrangig für die Matrix “Schwebstoff” festgelegt.
Fristverlängerung oder weniger strenge Bewirtschaftungsziele – Einhaltung der UQN für geregelte Schadstoffe in Oberflächengewässern
Für einige Stoffe können Konzentrationen auftreten, die nicht durch Maßnahmen innerhalb eines Bewirtschaftungszyklus (6 Jahre) so verringert werden können, dass die EU-weit oder national festgelegten Umweltqualitätsnormen eingehalten werden. In diesen Fällen werden von den Bundesländern beim Erstellen der Bewirtschaftungspläne Fristverlängerungen (§ 29 Wasserhaushaltsgesetz (WHG)) in Anspruch genommen.
Voraussetzung für die Inanspruchnahme von § 29 ist für jeden Wasserkörper eine Prüfung und die Nachweise (durch Hintergrunddokumente/ Fallstudien; im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung verfügbar zu machen), dass
die notwendigen Verbesserungen nur schrittweise in einem längeren Zeitraum als dem jeweiligen Bewirtschaftungszyklus technisch durchführbar sind oder/und
Maßnahmen zur Zielerreichung innerhalb des jeweiligen Bewirtschaftungszyklus mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden wären oder/und
die notwendigen Verbesserungen auf Grund von natürlichen Gegebenheiten nicht innerhalb des jeweiligen Bewirtschaftungszyklus erreicht werden können.
Diese Nachweise sind in jedem Bewirtschaftungsplan, in dem für den Wasserkörper eine Fristverlängerung nach § 29 angewandt wird, zu überprüfen und zu ändern, falls neue Erkenntnisse vorliegen.
Nach § 29 Abs. 2 WHG können die Fristen zum Erreichen des Bewirtschaftungsziels (Einhaltung der Umweltqualitätsnorm) höchstens zweimal für einen Zeitraum von jeweils sechs Jahren verlängert werden, wenn die technische Durchführbarkeit oder unverhältnismäßig hohe Kosten die Verwirklichung der Ziele im vorgesehenen Zeitrahmen verzögern. Aufgrund von natürlichen Gegebenheiten lässt sich die Frist zur Zielerreichung auch darüber hinaus verlängern. Verzögerungen in der Zielerreichung durch natürliche Gegebenheiten entstehen z. B. durch den natürlichen Zeitbedarf für die Wiederbesiedlung mit für das jeweilige Gewässer typischen Pflanzen und Tieren.
Durch die Änderung von Umweltqualitätsnormen bei den Stoffen der Anlagen 6 und 8 oder durch die Aufnahme von weiteren Stoffen in die Anlagen 6 und 8 der Oberflächengewässerverordnung (OGewV) gelten nach § 5 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 und § 7 Abs. 1 OGewV drei unterschiedliche Fristen zur Einhaltung der Umweltqualitätsnorm. Dadurch ergeben sich auch unterschiedliche Zeiträume für die maximale Fristverlängerung. Bis 2015 waren alle Umweltqualitätsnormen der Stoffe einzuhalten, die bereits in der OGewV 2011 geregelt waren und deren Umweltqualitätsnormen nicht geändert wurden (Stoffgruppe 2015). Für Stoffe der Anlage 8, deren Umweltqualitätsnormen im Vergleich zur OGewV 2011 geändert wurden, gilt eine Frist zur Einhaltung bis 2021 (Stoffgruppe 2021). Für in der OGewV 2016 neu geregelte Stoffe und Stoffe der Anlage 6, deren Umweltqualitätsnormen im Vergleich zur OGewV 2011 geändert wurden, ist die Frist zur Einhaltung bis 2027 festgelegt (Stoffgruppe 2027). Daraus ergeben sich – bei Berücksichtigung der oben genannten Fristverlängerungsmöglichkeiten - maximale Fristverlängerungen bis 2027, 2033 oder 2039, beim Vorliegen natürlicher Gegebenheiten, die eine Zielerreichung innerhalb der verlängerten Fristen verhindern, auch darüber hinaus. Die jeweils betroffenen Stoffe der Stoffgruppen sind im Dokument „Fristverlängerung“ zusammengestellt.
Chemische Gewässerklassifikation nach LAWA
Die LAWA hat in Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt eine chemische Gewässergüteklassifikation vor Inkrafttreten der EG-Wasserrahmenrichtlinie erarbeitet. Solange es keine verbindliche Klassifikation gibt, wird die holistische chemische Gewässergüteklassifikation, die auch Anforderungen der „Fernwirkungen“ in den Meeren berücksichtigt, weiter verwendet (u.a. für die Berichterstattung zur EG-Nitratrichtlinie).
In der chemischen Gewässergüteklassifikation charakterisiert die Güteklasse I einen Zustand ohne anthropogene Beeinträchtigung. Hier werden in der Regel die gewässertypbezogenen Hintergrundwerte der LAWA (Rahmenkonzeption Monitoring, Teil B, Arbeitspapier II) zugrunde gelegt. Die Güteklasse II (Stufe 3) sind die gewässertypbezogenen Orientierungswerte aus diesem Arbeitspapier oder ein aus anderen Bewertungsansätzen resultierender Wert. Die nachfolgenden Klassenobergrenzen ergeben sich aus der Multiplikation des Wertes der Güteklasse II mit dem Faktor 2. Die Güteklasse I-II ist die Summe der Güteklassen I und II geteilt durch 2.
Die chemische Gewässergüteklassifikation hat folgende Klassen:
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