3.5 Wie können Sie Maßnahmen analysieren und priorisieren?

Die Anpassungsoptionen, die Sie auf Grundlage der Klimarisiken entwickelt haben, sind wichtige Ansatzpunkte für den Umgang mit den Folgen des Klimawandels in Ihrer Kommune. Doch was können Sie tun, wenn sich verschiedene Maßnahmen auf das gleiche Klimarisiko beziehen oder Sie aufgrund Ihrer zeitlichen und finanziellen Ressourcen nur eine begrenzte Zahl von Maßnahmen umsetzen können?

Inhaltsverzeichnis

In diesem Fall ist es sinnvoll, Ihre Aktivitäten anhand einheitlicher Kriterien zu analysieren und sie so vergleichbar zu machen. Eine weitergehende Bewertung hilft Ihnen nicht nur bei der Auswahl der wichtigsten Aktivitäten, sondern auch bei der Kommunikation von Handlungserfordernissen gegenüber Entscheidungsträger*innen in Ihrer Kommune. Zudem kann durch die Priorisierung deutlich werden, dass bei den Abschätzungen zum Nutzen der ⁠Anpassungsmaßnahme⁠ oder auch bei den Auswirkungen auf andere Handlungsfelder Wissenslücken bestehen.

Rechtliche Rahmenbedingungen im Blick haben

Das Thema ⁠Anpassung an den Klimawandel⁠ spielt inzwischen im Baugesetzbuch eine wichtige Rolle (siehe Kapitel 4.7). So müssen Bauleitpläne nach BauGB (§1 Abs. 5) „dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den ⁠Klimaschutz⁠ und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern […].“ In Zukunft wird die Klimaanpassung noch in weitere Bereiche der Rechtsprechung einfließen. Diese neuen Rechtsgrundlagen und Entwicklungen sollten Sie mit Beginn der konkreten Umsetzung der ⁠Anpassungsstrategie⁠ im Blick haben. Bei den weiteren Planungen sollten Sie zudem prüfen, wo bei der Maßnahmenumsetzung Konflikte mit rechtlichen Rahmenbedingungen auftreten können, z.B. im privaten Baurecht, wo die Einflussmöglichkeit Ihrer Kommune auf private Flächen und Gebäude eher begrenzt sind.

Qualitative Beurteilungskriterien für die Auswahl von Klimaanpassungsmaßnahmen

Die Analyse und Priorisierung von Klimaanpassungsmaßnahmen kann anhand von Kriterien erfolgen. Der Klimalotse schlägt Ihnen eine Reihe von Kriterien vor, die im Folgenden mit zentralen Leitfragen hinterlegt sind. Nutzen Sie auch die angegebenen Verweise und Publikationen, um vertiefende Beschreibungen der einzelnen Kriterien zu erhalten.

  • Wirksamkeit: Wie effektiv mindert die Anpassungsmaßnahme eine oder mehrere Klimarisiken Ihrer Kommune bzw. trägt zur Nutzung von Chancen bei?
  • Flexibilität: Kann die Maßnahme mit geringem Ressourceneinsatz an neue Bedingungen angepasst werden? Gibt sie Ihnen die Möglichkeit, aus zukünftigen Ereignissen zu lernen und mit neuen und bisher unbekannten Entwicklungen umzugehen?
  • Robustheit: Wirkt sich die Maßnahme unter verschiedenen Klimaszenarien positiv aus?
  • Umsetzbarkeit: Wird die Maßnahme akzeptiert oder könnten bei der Umsetzung Konflikte entstehen? Wie groß ist der Planungsaufwand? Sind viele verschiedene Ebenen oder Bereiche innerhalb Ihrer Kommune beteiligt?
  • Finanzielle Tragbarkeit: Ist die Maßnahme für die Umsetzenden mit vertretbarem Aufwand finanzierbar? Weisen alternative Maßnahmen keinen höheren Nutzen bei gleichen Kosten auf?
  • Positive Nebeneffekte⁠: Weist die Maßnahme Synergien mit anderen Maßnahmen auf oder hilft sie dabei, wichtige Ziele Ihrer Kommune zu erreichen? Erleichtert die Maßnahme die Umsetzung anderer Anpassungsmaßnahmen? Welche weiteren Eigenschaften hat die Maßnahme? Trägt sie beispielsweise zur Kostensenkung bei?
  • Nachhaltigkeit⁠: Trägt die Maßnahme dazu bei, soziale, wirtschaftliche oder Umweltziele zu erreichen und ermöglicht sie eine dauerhaft umwelt- und sozial gerechte Entwicklung der Gesellschaft?

Maßnahmen, die diese Kriterien erfüllen tragen damit auch zur Steigerung der Widerstandsfähigkeit Ihrer Kommune bei. Besonders positiv zu bewerten sind dabei solche Maßnahmen, die mehrere Klimarisken wirkungsvoll adressieren und gleichzeitig Synergien mit Maßnahmen aus anderen Tätigkeitsbereichen Ihrer Kommune aufweisen.

"Um zu wissen, welche Maßnahmen wir als erstes durchführen können, haben wir in das Excel-Dokument des Klimalotsen alle Maßnahmen einsortiert und nach ihrer Effektivität beurteilt. Diese Einschätzung gemeinsam mit Informationen dazu, was sich besonders gut umsetzen lässt, etwa weil etwas in irgendeiner Art und Weise schon begonnen wurde oder leicht zu finanzieren ist, wurde dann dem Gemeinderat vorgelegt. In der Praxis hat man sich dann aber von der ursprünglichen Methodik wieder entfernt. Das harte Ergebnis aus der Arbeitsgruppe kann man nicht einfach abarbeiten, dann bräuchte man vorab schon einen großen Topf, aus dem man dann schöpft, um die hochpriorisierten Maßnahmen umzusetzen. Das ist schwierig. Anpassung ist eine Querschnittsaufgabe, aber letztlich finanziert immer das Amt, welches die Maßnahme umsetzt."

Dr. Ulrich Reuter, Abteilung Stadtklimatologie im Amt für Umweltschutz der Stadt Stuttgart

Quantitative Beurteilungskriterien für die Auswahl von Klimaanpassungsmaßnahmen

Neben diesen eher qualitativen Nutzen-Kriterien sollten Sie Ihre Maßnahmen auch nach quantitativen Kriterien bewerten. Welche Investitionskosten und laufende Kosten fallen für eine Maßnahme an? Wenn Sie die Kosten für verschiedene Maßnahmen vergleichen wollen, kann es sinnvoll sein, die gesamten jährlichen Kosten zu berechnen, also die Summe der jährlichen laufenden Kosten und der jährlichen Investitionskosten auf Basis der gesamten Lebensdauer der Maßnahme.

Eine detaillierte ökonomische Bewertung der Maßnahmen mithilfe einer Kosten-Nutzen-Analyse kann gerade bei Maßnahmen, die mit großen Kosten verbunden sind, wichtige Hinweise liefern. Sie erfordert jedoch eine umfangreiche Informationsgrundlage und gute methodische Kenntnisse und geht damit über die hier dargestellten Methoden hinaus (vgl. Bewertung ausgewählter Maßnahmen zur Klimafolgenanpassung). Externe Akteur*innen können Sie jedoch dabei unterstützen, eine umfangreiche Kosten-Nutzen-Analyse für wichtige Maßnahmen durchzuführen.

Querschnittsthema Partizipation

Beim Prozess der Bewertung und Auswahl von Anpassungsmaßnahmen sollten Sie die wesentlichen Entscheidungsträger Ihrer Verwaltungseinheiten und andere relevanter Akteure angemessen einbeziehen. Dies schließt eine transparente Informationspolitik mit ein, z. B. hinsichtlich der gewählten Auswahlkriterien sowie des Entscheidungsprozesses. Kontaktieren Sie ggfs noch weitere relevante externe Akteur*innen, um die die von Ihnen priorisierten Anpassungsoptionen zu reflektieren, mögliche Synergien zu erhöhen und Fehlanpassungen zu vermeiden. Sofern eine Gewichtung der Auswahlkriterien für die Priorisierung der Anpassungsoptionen als notwendig erachtet wird, sollten Sie sich mit den eingebundenen Akteur*innen darauf verständigen, wie die Gewichtung erfolgen soll. Auch dieser Dialog kann dazu beitragen, die Akzeptanz der ausgewählten Maßnahmen zu erhöhen.

 

Aufgabe: Maßnahmen bewerten

Analysieren Sie gemeinsam mit Kolleg*innen aus dem Anpassungsteam und weiteren Akteuren aus der Kommune Ihre Maßnahmen anhand der dargestellten Kriterien.

  • Ergänzen Sie die Ergebnisse der Bewertung in den Maßnahmenblättern aus der Arbeitsmappe zum Klimalotsen.
  • Überlegen Sie, in welche laufenden Prozesse und Aktivitäten eine qualitative Bewertung von Maßnahmen eventuell integriert werden kann. Gibt es laufende Beteiligungen mit Bürger*innen oder interne Querschnitts-Treffen zu ⁠Klima⁠- oder Umweltthemen?
  • Bestehen in der Verwaltung bereits Erfahrungen mit der integrierten Bewertung von Maßnahmen im Rahmen von kommunalen Nachhaltigkeits- bzw. Agenda 2030-Prozessen?
  • Welche Hemmnisse können bei der Umsetzung der jeweiligen Maßnahmen oder Lösungsansätze auftreten? Beziehen Sie auch diese in die Bewertung ein.
 

Hilfreiche Links und Publikationen

 

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