Die HafenCity Universität Hamburg, Fachgebiet Stadtplanung und Regionalentwicklung, entwickelte in dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsprojekt „KLIMZUG-NORD“ ein klimaangepasstes Leitbild für die Samtgemeinde Gartow, um die kommunale Entwicklung an die Auswirkungen des Klimawandels anzupassen, positive Effekte des Klimawandels zu nutzen und bei den kommunalen Akteuren Bewusstsein für das Thema Klimaanpassung zu schaffen. Der Rat der Samtgemeinde hat das Leitbild im Dezember 2010 einstimmig beschlossen.
Das Ziel des Leitbildes besteht darin, Orientierung für die weitere Entwicklung der Samtgemeinde unter Berücksichtigung des Klimawandels zu bieten. Die Samtgemeinde, in der 3.800 Einwohner*innen leben, liegt an der Elbe im ländlich geprägten Osten Niedersachsens. Das Leitbild besteht aus einer langfristigen und nachhaltigen Vision für die zukünftige Entwicklung der Samtgemeinde sowie Zielen und Strategien für deren Umsetzung. Die Kernziele bündelt es in den fünf Handlungsfeldern „Siedlungsentwicklung“, „Infrastruktur“, „Land- und Forstwirtschaft“, „Tourismus“ sowie „Natur und Landschaftsbild“. Im Handlungsfeld Siedlungsentwicklung verfolgt die Samtgemeinde beispielsweise das Ziel, die Siedlungsbereiche vor den Auswirkungen des Klimawandels zu sichern sowie Personen- und Sachschäden infolge von Extremereignissen zu verhindern. Zur Umsetzung des Ziels sollen u.a. folgende vier Umsetzungsstrategien beitragen:
- eine der ländlichen Struktur der Samtgemeinde angemessene kompakte Siedlungsstruktur, die finanzielle Anstrengungen zur Klimaanpassung und Eingriffe in den Naturraum reduziert, kann durch Verzicht auf Neuausweisungen von Baugebieten sowie Anreize für die Reaktivierung von leer stehenden Gebäuden und Brachflächen erreicht werden,
- Pufferflächen zwischen Siedlungen sowie Gewässern und Forsten schützen Siedlungen vor Überschwemmungen sowie Feuer- und Sturmschäden,
- Vorsorgemaßnahmen hinter Hochwasserschutzanlagen sichern Siedlungen bei Ausfall der Schutzeinrichtungen und
- die Eigenvorsorge der Gebäudeeigentümer*innen vor Qualmwasserschäden wird durch Information der Gemeinde über die durch den Klimawandel zunehmenden Gefahren gestärkt.
Entstanden ist das Leitbild in einem partizipativen Prozess, der mit einer öffentlichen Informationsveranstaltung über den Klimawandel und seine Auswirkungen im März 2010 begann. Im Anschluss an die Informationsveranstaltung identifizierten Bürger*innen im Rahmen eines ersten Szenarioworkshops Chancen und Risiken des Klimawandels für die Samtgemeinde. Nach Meinung der Teilnehmer*innen kann der Tourismus von den Folgen des Klimawandels vor allem durch die verlängerte Tourismussaison profitieren. Die größte Bedrohung für die Samtgemeinde geht von dem steigenden Waldbrandrisiko aus, sowohl für waldnahe Siedlungsbereiche als auch für die Land- und Forstwirtschaft. Weitere Risiken sind die Beeinträchtigung der Wasserqualität durch vermehrte Algenproduktion und die Gefahr von Dürreperioden mit Auswirkungen auf die Land und Forstwirtschaft. Auf diesen Ergebnissen baute der Szenario-Workshop im April 2010 auf. Es wurden drei mögliche Anpassungsszenarien behandelt: „Abwarten“, „Anpassen“ und „Schützen“. Mehrheitlich befürworteten die Teilnehmer*innen eine auf „Anpassung“ zielende Entwicklung, die mit veränderten Nutzungen in einigen Teilbereichen, z.B. der Aufgabe von Ackerflächen auf rückzugewinnenden Retentionsflächen, einhergeht. Die bestehenden Siedlungen sollen vor den Gefahren des Klimawandels und insbesondere vor Hochwasser geschützt werden.
Der auf den Ergebnissen der Workshops aufbauende Entwurf eines klimaangepassten Leitbildes für die Samtgemeinde Gartow wurde im Oktober 2010 auf einer weiteren öffentlichen Veranstaltung vorgestellt. Die wertvollen Hinweise aus der anschließenden Diskussion flossen in das Leitbild ein.
Eckdaten zur Maßnahme
Maßnahmenträger
https://www.hcu-hamburg.de/bachelor/stadtplanung/arbeitsgebiete-professuren/joer…
Samtgemeinde Gartow, Leibniz Universität Hannover, KLIMZUG-Nord Projektpartner (Biosphärenreservat Niedersächsische Elbtalaue, Landwirtschaftskammer Niedersachsen), Metropolregion Hamburg
Dauer und Finanzierung
Dauer
Erstellt wurde das Leitbild mit BMBF-Forschungsmitteln und Eigenmitteln der Metropolregion Hamburg und der HafenCity Universität Hamburg.
Weiterführende Links
Links zur Maßnahme
Beteiligung
Welche weiteren Personengruppen wurden an der Planung oder Umsetzung der Maßnahme beteiligt?
Kommunalverwaltung, Ratsmitglieder der Gemeinden und der Samtgemeinde, Verbände, Bevölkerung
Welche Formen der Beteiligung fanden statt?
Erfolge
Welche Erfolge wurden bis jetzt mit der Maßnahme erreicht?
Entwicklung des Leitbildes durch einen kommunikativen Prozess. Schaffung von Bewusstsein für die Notwendigkeit zur Klimaanpassung bei den teilnehmenden Akteuren. Einstimmiger Beschluss des Leitbildes durch den Rat der Samtgemeinde.
Entsprechende Erfolge bestätigt die Begleitforschung, die mit quantitativen und qualitativen Methoden der empirischen Sozialforschung die Auswirkungen anhand des Konzeptes des sozialen Lernens analysierte (siehe Albert et. al. 2012: Social learning can benefit decision-making in landscape planning, S. 347-360). Das Leitbild wurde vom Rat der Samtgemeinde einstimmig beschlossen.
Hat die Maßnahme positive Nebeneffekte?
- Ja, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit: z. B. Innovation, Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen oder Regionen
- Ja, soziale Gerechtigkeit und Lebensqualität: z. B. Erhöhung der Wohnqualität in Städten, Beitrag zu sozialem Ausgleich oder sozialer Integration, besondere Berücksichtigung der Interessen benachteiligter Bevölkerungsgruppen
Im Zuge der Klimaanpassung sehen die Akteure Chancen für die Entwicklung eines naturnahen Tourismus in der Samtgemeinde. Auch die Land- und Forstwirtschaft profitiert vom frühzeitigen Umsetzen der in dem Leitbild skizzierten Anpassungsstrategien. Die frühzeitige Sensibilisierung der Bewohner*innen für die Folgen des Klimawandels ermöglicht frühzeitige Anpassungsmaßnahmen, um die Lebensqualität in der Samtgemeinde langfristig zu sichern.
Hindernisse
Welche Hindernisse gab es während der Umsetzung?
Hat die Maßnahme negative Nebeneffekte?
Der angedachte Rückbau der Deiche steht im Konflikt mit landwirtschaftlichen Nutzungen. Die Nutzung der angedachten Retentionsflächen als Weideland ist nicht möglich, da aufgrund der im Wasser enthaltenen Schadstoffe die Böden belastet werden.
Ansprechperson
Ort der Umsetzung
Lüchow-Dannenberg