Fußverkehr

Fußgängerinnen und Fußgänger auf einem breiten Zebrastreifen in der Sadtzum Vergrößern anklicken
Unsere Städte sollten attraktiver fürs Zufußgehen werden.
Quelle: babaroga / Fotolia.com

Viele Wege lassen sich zu Fuß bewältigen. Die stetige Abnahme des Fußverkehrs hat ihre Ursachen in der Luftverschmutzung, Lärmbelastung, in städtebaulichen Defiziten, Unfallgefahren und schlicht in Gewohnheiten. Während der Corona-Pandemie erfuhr das Spazierengehen eine kurze Renaissance. Die große Bedeutung der Bewegung an der frischen Luft für unser Wohlergehen wurde dabei vielen wieder bewusst.

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Fußverkehr

Aktiv mobil sein zu können, gehört zum Grundbedürfnis des Menschen nach Gesundheit und ist Ausdruck von Handlungsfreiheit, Unabhängigkeit und Teilhabe. Zufußgehen ist die natürlichste und ursprünglichste Art, sich fortzubewegen. Jeder Mensch ist daher Fußgängerin oder Fußgänger, sofern seine körperliche Beweglichkeit nicht eingeschränkt ist. Gehende können sich nahezu auf allen Flächen und auch auf engem Raum bewegen. Diese Flexibilität und die Unterschätzung der Bedeutung des Fußverkehrs lassen ihn bei einer fahrzeugorientierten Stadt- und Verkehrsplanung leicht in Vergessenheit geraten. Er wird zu einer Restgröße, bedrängt durch die Platzansprüche des motorisierten Verkehrs, des ruhenden Verkehrs (parkende Fahrzeuge), des Radverkehrs, durch Beschilderungen und diverse Sondernutzungen auf Gehwegen. Luftverschmutzung, Lärmbelastung, Lücken im Fußwegenetz und Unfallgefahren durch den motorisierten Verkehr führen zusätzlich dazu, dass die Attraktivität unserer Straßen für den Fußverkehr sinkt.

Dennoch wird die Anzahl der Wege, die wir zu Fuß zurücklegen, häufig unterschätzt, da sie oft mit der Nutzung von Verkehrsmitteln kombiniert werden und dann bei Zählungen unberücksichtigt bleiben. Daher ist eine realistische Erfassung von Daten des Fußverkehrs eine wichtige Grundlage, um ein Bewusstsein für die tatsächliche Bedeutung des Fußverkehrs zu schaffen und für seine Berücksichtigung in der Verkehrsplanung und Stadtentwicklung zu sorgen. Das Europäische Parlament war bereits 1988 der Auffassung, „dass eine Politik zugunsten der Fußgänger den Angelpunkt für eine Politik darstellen muss, die darauf ausgerichtet ist, eine neue und menschlichere `Stadtmentalität´ zu schaffen, weshalb sie zur grundlegenden Komponente der verkehrspolitischen, stadtplanerischen und baulichen Maßnahmen der Mitgliedsstaaten werden muss“. Zu diesem Zweck verabschiedete es die „Europäische Charta der Fußgänger“. Die Förderung und der Schutz des Fußverkehrs wie auch des Radverkehrs als Formen der aktiven Mobilität sind als Zielsetzungen seit 2007 auch in der „Leipzig-Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt“ der europäischen Stadtentwicklungspolitik sowie seit 2011 im „Weißbuch zum Verkehr“ der Europäischen Kommission verankert. Die Neue Leipzig-Charta von 2020 wiederholt, dass aktive und emissionsarme Formen der Fortbewegung gefördert werden und mehr Menschen zu Fuß gehen sollten.

Beim Gehen nimmt man seine Umgebung besonders intensiv wahr. Städtebauliche Gegebenheiten, die Schönheit und Vielfalt der Erdgeschossbereiche sowie die Umweltbedingungen wie Geräusche und Gerüche sind für Zufußgehende in besonderer Weise entscheidend. Wo Menschen sich durch abweisende Architektur, fensterlose, eintönige Erdgeschossfassaden, fehlendes Grün, Lärm und Abgase nicht wohl fühlen, vermeiden sie das Entlanggehen und den Aufenthalt. Ist ein Stadtraum durch diese Defizite geprägt, schwindet das Leben aus Straßen und Plätzen. Fußverkehrsförderung muss daher an der Belebung der öffentlichen Räume durch kurze Wege, vielfältige Strukturen und Anregungen auf Augenhöhe, Sicherheit, einladende Aufenthaltsgelegenheiten sowie Reduzierung von Lärm und Luftschadstoffen ansetzen.

Das Umweltbundesamt (⁠UBA⁠) lässt Möglichkeiten der Stärkung des Fußverkehrs erforschen, in Modellvorhaben erproben und unterstützt Verbände bei der Fußverkehrsförderung. Hierzu zählen die Projekte zur Aktiven Mobilität. Zudem war das UBA Mitveranstalter des zweiten Deutschen Fußverkehrskongresses in Berlin und stieß damit eine Verstetigung des Kongresses als regelmäßig wiederkehrende Veranstaltung an.

 

Fußverkehrs-Checks und GehCheck-App

Der Fußverkehr als umweltfreundlichste Art der Fortbewegung und bedeutender Teil der aktiven Mobilität sieht sich vielerorts noch immer ungünstigen Bedingungen gegenübergestellt. Ein Baustein zur Verbesserung sind Fußverkehrs-Checks, mit denen eine erste Analyse der Gegebenheiten für zu Fuß Gehende im Straßenraum durchgeführt werden kann. Das ⁠UBA⁠ empfiehlt in seiner Publikation „Geht doch! - Grundzüge einer bundesweiten Fußverkehrsstrategie“ unter anderem eine breite Durchführung von Fußverkehrschecks.

Was sind Fußverkehrschecks?

In Fußverkehrschecks tragen Bürger*innen ihr Erfahrungswissen über Schwachstellen des Fußwege- und Fußroutennetzes zusammen, die sie in ihrem Umfeld alltäglich erleben. Sie führen Schwachstellen-Analysen bei Ortsbegehungen und Situationsbeobachtungen auf Wegen, Plätzen und an Querungsstellen durch. Es werden zahlreiche Faktoren erhoben, die das Sicherheitsgefühl, die städtebauliche Attraktivität, die Aufenthaltsqualität, die Orientierung und die Leichtigkeit des Fußverkehrs beeinflussen. Für Fußverkehrschecks existieren verschiedene Formate, Methoden und Checklisten. Informationen über die Durchführung von Fußverkehrschecks hat der Fußverkehrsverband FUSS e.V. in einem vom Umweltbundesamt geförderten Verbändeprojekt in einer Broschüre zusammengestellt sowie das Land Baden-Württemberg in einem Leitfaden. Die Bandbreite reicht von umfangreichen, aufwändigen Beteiligungsverfahren bis hin zu einfachen, leicht und spontan durchführbaren Streckenanalysen.

GehCheck-App für leichte Checks

Einfache Fußverkehrschecks, die ausschließlich aus der Ortsbegehung und der Aufnahme der Daten bestehen, können von jedem*jeder Einzelnen eigenständig durchgeführt werden. Mit der „GehCheck“-App  steht dafür seit April 2022 ein kostenfreies und leicht zu bedienendes Werkzeug zur Verfügung. Das Umweltbundesamt förderte die Entwicklung der App, die vom FUSS e.V. betrieben wird. Mit wenigen Klicks lassen sich damit lokale Unzulänglichkeiten, Gefahren und Schwierigkeiten für zu Fuß Gehende im Straßenraum festhalten und veröffentlichen. Die Anwendenden können in der App auch Lösungsvorschläge äußern und aufzeigen, wo aus ihrer Sicht gute Beispiele zu finden sind. Alles Erfasste erscheint auf einer Karte im Internet. Mit diesem Citizen-Science-Tool ergibt sich mit der Zeit ein umfassendes Bild darüber, an welchen Stellen dem Fußverkehr mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte und wo es bereits gute Lösungen gibt, an denen man sich ein Beispiel nehmen könnte. Die auf der Karte sichtbaren Einträge lassen sich auch nach bestimmten Kriterien auswerten und können für Stadt- und Verkehrsplanungsämter sowie für Stadt- und Verkehrsplanungsbüros von hohem Nutzen sein.

Professionelle Fußverkehrschecks

Professionelle, umfangreiche Fußverkehrschecks beinhalten einen vorbereitenden Workshop, eine oder mehrere fachlich moderierte Ortsbegehungen, die anschließende fachliche Zusammenstellung und Aufbereitung der Daten durch ein Planungsbüro sowie einen reflektierenden Abschlussworkshop. Teilnehmende sind Bürger*innen, Institutionen, Vereine, Verbände, Bürgerinitiativen, die Lokalpolitik, die Kommunalverwaltung und die Presse. Solche Fußverkehrschecks sind kaum ohne professionelle Begleitung durch ein Planungsbüro durchführbar. Aber auch für diese Fußverkehrschecks in der Gruppe kann die „GehCheck“-App eine hilfreiche Unterstützung sein, da sie auch sogenannte „Sammelchecks“ anbietet.

 

Verleihung des ersten Fußverkehrspreises Deutschland

Städte und Gemeinden hervorheben und auszeichnen, die beispielhaft den Fußverkehr fördern – das ist das Ziel des 1. deutschen Fußverkehrspreises. Am 30.01.2023 wurde dieser durch den Fachverband FUSS e.V. im Rahmen der Tagung „Bei uns geht‘s besser“ in Berlin verliehen. Der Preis „Goldener Schuh“ zeichnet vorbildliche Projekte aus, die das Gehen attraktiver und Städte lebenswerter machen. Überreicht wurde er durch Dr. Katrin Dziekan (⁠UBA⁠), die auch die Tagung mit einer Rede eröffnete.

Siegerkommunen sind die Stadt Kiel mit ihrem „Bespielbaren Quartier“ sowie die Gemeinde Pleidelsheim in Baden-Württemberg, in der die Initiative „Ökologisch mobil in Pleidelsheim“ eine Reihe von Maßnahmen für den Fußverkehr entwickelte und umsetzt. Einen Sonderpreis gab es für das „Parklet“-Programm des Berliner Senats. Parklets laden zum Verweilen ein und fördern damit auch das Zufußgehen im Kiez. Preisverleihung und Tagung fanden als Teil des Projektes "Gut gehen lassen – Bündnis für attraktiven Fußverkehr" statt, das von UBA und Bundesumweltministerium (BMUV) im Rahmen der Verbändeförderung unterstützt wird.

Verleihung des 1. Fußverkehrssonderpreises an Berliner Parklet-Programm durch Dr. Katrin Dziekan.
Verleihung des 1. Fußverkehrssonderpreises an Berliner Parklet-Programm durch Dr. Katrin Dziekan.
Quelle: Ana Torres
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