Soziale Aspekte der Umweltpolitik
In den letzten Jahren gewinnt das Spannungsfeld zwischen Umweltschutz und sozialer Gerechtigkeit zunehmend an Bedeutung für die Umweltpolitik. Viele Menschen befürchten, dass umweltpolitische Maßnahmen und die Energiewende zu großen finanziellen Belastungen führen, die vor allem Geringverdiener ganz besonders treffen werden. Die regelmäßigen Repräsentativumfragen von Bundesumweltministerium und UBA zum „Umweltbewusstsein in Deutschland” zeigten schon 2008, dass solche Befürchtungen in Deutschland in allen soziokulturellen Milieus sehr weit verbreitet sind.
Weit weniger bekannt und anerkannt ist in der Öffentlichkeit dagegen die Tatsache, dass Umweltschutzmaßnahmen oft auch positive soziale Wirkungen haben – nicht nur im Hinblick auf die Zukunftsvorsorge für die nachkommenden Generationen, sondern auch schon hier und heute. Zahlreiche Studien zeigen zum Beispiel, dass ärmere Menschen häufig in einer stärker belasteten Umwelt leben und daraus oft erhebliche soziale sowie gesundheitlich bedingte Folgekosten entstehen. Insofern profitieren diese Bevölkerungsgruppen überdurchschnittlich von einer fortschrittlichen Umweltpolitik. Zu berücksichtigen ist auch, dass Umweltschutz teilweise auch direkt zu Kostenentlastungen führt, etwa durch die Steigerung der Energieeffizienz.
Daher ist es sehr wichtig, die Debatten über die Verteilungseffekte konkreter umweltpolitischer Maßnahmen zu versachlichen. Wir müssen stärker herausarbeiten, wie Umweltpolitik die Lebensqualität in Deutschland verbessert. Zusammen mit Kooperationspartner gilt es, Kommunikationsstrategien zu entwickeln und ein Konzept der ökologischen Gerechtigkeit anzuregen. So können die (potenziellen) Synergien zwischen Umwelt- und Sozialpolitik für breite Kreise der Bevölkerung verdeutlicht werden.
Verteilungswirkungen der Umweltpolitik
Unerlässlich für eine sachliche Debatte zu den Verteilungswirkungen von Umweltpolitik ist eine umfassende Bestandsaufnahme. Dies bedeutet, sowohl die Kosten als auch den Nutzen von umweltpolitischen Maßnahmen und Instrumenten für verschiedene Bevölkerungsgruppen zu untersuchen. Eine besondere Herausforderung besteht dabei darin, neben direkten auch indirekte Wirkungszusammenhänge aufzuzeigen. Oftmals drehen sich öffentliche Diskussionen nur um die Einkommensbelastungen der privaten Haushalte, wie etwa derzeit bei der Diskussion um die EEG-Umlage. Indirekte Effekte wie Umwelt- oder Gesundheitswirkungen, aber auch Beschäftigungswirkungen oder eine geringere Verletzlichkeit gegenüber steigenden Preisen fossiler Energieträger, werden meist vernachlässigt. Außerdem ist jeweils genau zu analysieren, inwieweit Einkommensbelastungen tatsächlich der Umwelt- und Klimapolitik oder anderen Faktoren zuzurechnen sind.
Synergien zwischen Umweltschutz und sozialer Gerechtigkeit
Das Umweltbundesamt hat in den letzten Jahren mehrere Studien zu Umweltschutz und sozialer Gerechtigkeit beauftragt. Diese zeigen, dass sowohl besser gestellte soziale Milieus als auch benachteiligte Bevölkerungsgruppen von den positiven Wirkungen erheblich profitieren können, welche durch eine höhere Umweltqualität und eine Entkoppelung von Lebensqualität und Ressourcenverbrauch zu erwarten sind. Für Haushalte mit Niedrigeinkommen gilt das sogar in einem besonders hohen Ausmaß. Durch finanzielle Einsparungen und die immateriellen Vorteile nachhaltiger Lebensweisen ist auch die soziale Lage dieser Menschen wesentlich zu verbessern. Dies kann zum Beispiel durch eine erleichterte Alltagsorganisation, verbesserte Gesundheitsförderung und erweiterte Teilhabechancen in der Gesellschaft geschehen.
Um solche Synergien zwischen Umwelt- und Sozialpolitik nutzen zu können, müssen soziokulturelle Barrieren überwunden werden. Sie stehen heute noch in großen Teilen der Gesellschaft einer verstärkten Orientierung an nachhaltigen Lebensformen entgegen. Zur Umsetzung von Maßnahmen und Projekten an der Schnittstelle von Umwelt- und Sozialpolitik sollten daher zukünftig Umweltverbände und -initiativen intensiv mit Partnern aus dem sozialen und kulturellen Bereich zusammenarbeiten.
Umweltpolitik kann helfen, Armutsrisiken zu bekämpfen und sollte in Zukunft verstärkt als präventive Sozialpolitik verstanden werden. Zugleich muss die Umweltpolitik darauf achten, dass sie sozialverträglich ist, das heißt keine unzumutbaren Belastungen bei Haushalten mit geringen Einkommen erzeugt. Daher sollten zum Beispiel der Abbau umweltschädlicher Subventionen und die Internalisierung externer Umweltkosten durch Umweltsteuern schrittweise erfolgen. So dass den Verbrauchern genügend Zeit zur Anpassung bleibt. Ergänzend können Förderprogramme sinnvoll sein. Sie können unzumutbare Belastungen für Haushalte mit geringen Einkommen vermeiden – etwa bei der energetischen Modernisierung der Gebäude oder beim Kauf energieeffizienter Geräte. Nicht zielführend sind dagegen Subventionen, die der Internalisierung externer Umweltkosten entgegenwirken, zum Beispiel Heizkosten- oder Stromkostenzuschüsse. Sie verschleiern die wirklichen Kosten der Energiebereitstellung und senken die Anreize zum Energiesparen.
Ökologische Gerechtigkeit/Umweltgerechtigkeit als neues Thema für Umweltverbände
Dass der Umweltschutz in vielen Bereichen einen wichtigen Beitrag zur Sozialpolitik zu leisten vermag, ist auch Thema der großen deutschen Umweltverbände. Konkrete Projekte aus Energieberatung, Jugendförderung, Hilfe für Menschen mit Migrationshintergrund sowie Umweltbildung zeigen, dass sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen von Maßnahmen zur Förderung des Energiesparens, des Naturschutzes sowie der Umweltbildung besonders profitieren können. Die Deutsche Umweltwelthilfe (DUH) hat zum Thema „Umweltgerechtigkeit“ vor allem im Zusammenhang mit dem Schutz der Biodiversität mehrere Projekte durchgeführt. Der Deutsche Naturschutzring (DNR) hat unter dem Titel „Mehr Gerechtigkeit durch Umweltschutz“ eine Plattform für ökologische Gerechtigkeit eingerichtet.