DAS-Handlungsfeld Biologische Vielfalt

Das Bild zeigt im Vordergrund eine Prachtlibelle, die auf der Blüte eines Gewöhnlichen Wasser-Hahnenfußes gelandet ist. Der Hintergrund des Bildes ist verschwommen.zum Vergrößern anklicken
DAS-Handlungsfeld Biologische Vielfalt
Quelle: Karin Jähne / stock.adobe.com

Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel

Inhaltsverzeichnis

 

Zur Bedeutung des Handlungsfelds

Biologische Vielfalt⁠ ist eine existenzielle Lebensgrundlage für uns Menschen. Tiere, Pflanzen, Pilze und Mikroorganismen sorgen unter anderem für sauberes Wasser, frische Luft, angenehmes ⁠Klima⁠ und fruchtbaren Boden zum Anbau gesunder Nahrungsmittel. Stabile Ökosysteme binden auch Kohlendioxid aus der ⁠Atmosphäre⁠, speichern es langfristig und können zu einem natürlichen ⁠Klimaschutz⁠ beitragen, wenn sie in einem stabilen Zustand sind. Doch die biologische Vielfalt ist bedroht. Nach dem Landnutzungswandel gilt der ⁠Klimawandel⁠ als einer der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologische Vielfalt, denn er beeinflusst sie auf allen Ebenen – von einzelnen Individuen über Artgemeinschaften bis hin zu ganzen Ökosystemen.

 

DAS-Monitoring – was im Klimawandel passiert

Die zunehmende Erwärmung führt zu einer phänologischen Verschiebung der Jahreszeiten. Die Entwicklungsstadien von Pflanzen setzen im Frühling, Sommer und Herbst früher ein. Der Winter wird dagegen immer kürzer und wärmer. Die ⁠Vegetationsperiode⁠ verlängert sich insgesamt (siehe ⁠IndikatorBD-I-1). An kühlere Bedingungen angepasste Lebensräume verschieben sich in Richtung der Pole (siehe Indikator FI-I-1) und in die Höhenlagen der Gebirge. Vor allem die Lebensräume, die spezifische Bedingungen für die daran angepassten Tiere und Pflanzen bieten, verkleinern sich oder gehen ganz verloren, während sich weit verbreitete, aber auch gebietsfremde Arten ausbreiten.
Die Artenvielfalt ist in Gefahr, wenn Fortpflanzungs- oder Nahrungsbeziehungen bestimmter Arten nicht mehr räumlich oder zeitlich aufeinander abgestimmt sind und das komplexe Zusammenwirken von Artengemeinschaften aus den Fugen gerät (siehe Indikator FI-I-2). Werden zum Beispiel Nahrungsangebot und -nachfrage zeitlich von Brut- und Schlüpfzeitpunkten entkoppelt, beeinflusst dies auch die Funktionsfähigkeit, das Bestehen sowie die ⁠Resilienz⁠ ganzer Ökosysteme. Entkoppelungen zwischenartlicher Beziehungen, wie Wettbewerb, Räuber-Beute-Verhältnisse, Wirt-⁠Parasit⁠-Beziehungen oder Symbiosen, die auch zwischen Tier- und Pflanzenarten bestehen, können weitreichende wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen haben, auf die reagiert werden muss. Auch in der Landwirtschaft betrifft dies wichtige Prozesse, wie die Bestäubung oder die natürliche Regulierung von Schädlingen (siehe Indikatoren LW-I-4).
Der ⁠Klimawandel⁠ führt zu Veränderungen von Artengemeinschaften. Dies zeigt sich unter anderem bei den Vogelarten- und Tagfalterartengemeinschaften (siehe Indikatoren BD-I-2 und BD-I-3): Wärmeliebende Arten nehmen zu, kälteadaptierte Arten nehmen ab. Zudem kann die Ausbreitung invasiver Arten (siehe Indikator GE-I-4) zu einer Gefahr für die einheimische Artenvielfalt werden.
Generell gilt, dass sich die direkten Auswirkungen der sich verändernden klimatischen Bedingungen auf die Entwicklung der biologischen Vielfalt bisher nur schwer erfassen oder gar quantifizieren lassen. Das Zusammenwirken unterschiedlicher Einflussfaktoren auf die Ökosysteme und ihre Lebensgemeinschaften ist hoch komplex. Der Klimawandel wirkt nach Einschätzung der Fachleute aber sehr viel stärker indirekt über Landnutzungsveränderungen auf die biologische Vielfalt: Durch ⁠Klimaschutz⁠- und Anpassungsmaßnahmen wie die Errichtung von Erneuerbare-Energien-Anlagen, die Produktion von ⁠Biomasse⁠, die vermehrte Umsetzung von Agroforstmaßnahmen oder auch die Rückgewinnung natürlicher Überflutungsflächen zum Hochwasserschutz und die Renaturierung von Mooren zur Stärkung der ⁠CO2⁠-Senkenfunktion kommt es zu Landnutzungsveränderungen, die sowohl positive als auch negative Folgewirkungen für die ⁠Biodiversität⁠ haben können.

 

Die künftigen Klimarisiken – Ergebnisse der KWRA

In Deutschland ist schon jetzt ein Drittel der vorkommenden Arten in ihren Beständen gefährdet. Neben wachsenden menschlichen Nutzungsansprüchen stellt der ⁠Klimawandel⁠ durch Temperatur- und Niederschlagsänderungen sowie eine Zunahme von Extremereignissen, wie langanhaltenden Trockenperioden oder ⁠Starkregen⁠, einen wesentlichen Stressfaktor dar. Den Ergebnissen der Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 zufolge können bereits bis zur Mitte des Jahrhunderts hohe Risiken für die Veränderung der Vegetationsperioden und der Phänologie sowie die Ausbreitung invasiver Arten eintreten. Gebirgsökosysteme, wassergebundene Habitate, Feuchtgebiete und Wälder werden als besonders gefährdet eingeschätzt. Bis Ende des Jahrhunderts werden zusätzlich hohe Risiken durch den Verlust an genetischer Vielfalt, die Verschiebung von Arealen, einen Rückgang von Beständen und den Verlust an ⁠Ökosystemleistungen⁠ sowie für die Ökosysteme an der Küste erwartet. Das bedeutet, das im Handlungsfeld „Biologische Vielfalt“ bis Ende des Jahrhunderts für alle in der KWRA 2021 bewerteten Klimawirkungen ein hohes Risiko besteht.

 

Wo haben wir Daten- und Wissenslücken?

Wissenslücken und Unsicherheiten bestehen darin, in welchem Umfang direkte und indirekte Auswirkungen des Klimawandels die biologische Vielfalt beeinflussen und wie diesen gegengesteuert werden kann, da neben dem ⁠Klimawandel⁠ in der Regel zahlreiche weitere Faktoren wirken. Es fehlen insbesondere Daten zu Ursache-Wirkungsbeziehungen zwischen sich verändernden klimatischen Phänomenen (beispielsweise zunehmender Sommerdürre) und der biologischen „Antwort“ von Arten, Artgemeinschaften und Ökosystemen sowie zu Anpassungs- und Ausbreitungsoptionen betroffener Tier- und Pflanzenarten.
Seit Frühjahr 2021 arbeitet das neu gegründete Nationale Monitoringzentrum zur ⁠Biodiversität⁠ (NMZB) in Leipzig daran, das Wissen zum Zustand der Arten und Lebensräume in Deutschland zusammenzuführen und ein Gesamtkonzept zum bundesweiten Biodiversitätsmonitoring zu erarbeiten.

 

Was getan wird – einige Beispiele

Um den Schutz der biologischen Vielfalt unter sich verändernden klimatischen Bedingungen zu verbessern, müssen ausreichend große Populationen und ihre genetische Vielfalt erhalten bleiben, die Lebensräume in ausreichender Quantität und Qualität zur Verfügung stehen und gut miteinander vernetzt sein.
Das im Dezember 2022 verabschiedete „Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework“ (GBF) setzt globale Ziele zum Schutz und zur Erhaltung der biologischen Vielfalt. Unter anderem sollen weltweit die Vernetzung und Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen verbessert oder wiederhergestellt und die Fläche natürlicher Ökosysteme erheblich vergrößert werden. Die 196 Vertragsstaaten der Convention on Biological Diversity (CBD) müssen die Beschlüsse umsetzen. Auf europäischer Ebene wurde 2020 die EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 zum Schutz und zur Wiederherstellung der Natur beschlossen124.
Die zentrale Naturschutzstrategie der Bundesregierung ist die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt von 2007 (⁠NBS⁠). Aktuell wird an der NBS 2030 gearbeitet. Dabei sollen Auswirkungen des Klimawandels, Anpassung und ⁠Klimaschutz⁠ stärker als bisher adressiert werden. Auf Ebene der Bundesländer bestehen in 15 der 16 Länder Biodiversitäts- oder Naturschutzstrategien beziehungsweise entsprechende Aktionspläne, die in aller Regel den Zusammenhang von ⁠Klimawandel⁠ und ⁠Biodiversität⁠ ebenfalls ansprechen. Auch andere nationale Strategien sind relevant: Die Nationale Wasserstrategie125 (2023) adressiert den Schutz des Grundwassers, der Bäche, Flüsse und Seen und die dauerhafte Sicherung eines naturnahen Wasserhaushalts. Das Bundesprogramm Blaues Band (2017) unterstützt Renaturierungsmaßnahmen an den Auen der Bundeswasserstraßen und zielt auf einen ⁠Biotopverbund⁠ ab. Mit dem „Förderprogramm Auen“ können Kommunen, Vereine und Verbände Fördermittel für die naturnahe Entwicklung von Biotopverbünden an Auen beantragen. Die Ausweitung natürlicher Überschwemmungszonen dient auch dem Hochwasserschutz und dem Schutz vor Überschwemmungen bei Sturzfluten126. Die Rückgewinnung natürlicher Überflutungsflächen durch Deichrückverlegungen schließt Überschwemmungsflächen wieder an Flüsse an. Dies ist auch eine Maßnahme des natürlichen Klimaschutzes. In der Bilanz betrug 2020 die Fläche von wiederhergestellten natürlichen Überschwemmungsflächen insgesamt 7.100 ha. Gegenüber 2019 wurden 716 ha neu hinzugewonnen (siehe ⁠IndikatorBD-R-2).
Mit der Nationalen Moorschutzstrategie (2022) wurde der politische Rahmen für alle Aspekte des Moorschutzes für die nächsten Jahre gesetzt. Nur wenige Prozent der Moore in Deutschland befinden sich noch in einem naturnahen Zustand. In der Folge ist die für Moorgebiete typische Artenvielfalt stark bedroht. Naturnahe Moore sollen daher konsequent geschützt, ihre Senkenfunktion für ⁠CO2⁠ gestärkt und ihr hydrologischer Zustand auch dergestalt verbessert werden, dass sie mit dem Ziel der ⁠Klimafolgenanpassung⁠ als Lebensraum für an feuchte Bedingungen gebundene Arten und als Wasserspeicher in der Landschaft fungieren und zur Kühlung beitragen können.
Auch in Landschaftsprogrammen und Landschaftsrahmenplänen wird der Klimawandel stärker berücksichtigt (siehe Indikator BD-R-1). Über zwei Drittel der Landschaftsprogramme der Bundesländer und 50 % der regionalen Landschaftsrahmenpläne thematisieren den Klimawandel in Zusammenhang mit naturschutzfachlichen Fragen.
Naturschutzgebiete und Nationalparke sind als besonders streng geschützte Gebiete wichtige Rückzugsräume, in denen grundsätzlich günstige Voraussetzungen bestehen, um Arten und Lebensräume, die durch den Klimawandel besonders gefährdet sind, zu erhalten. Der Anteil streng geschützter Gebiete ist im Binnenland bis 2020 auf insgesamt knapp 4,6 % gestiegen (siehe Indikator BD-R-3).
Bereits seit 2004 veranstaltet das Bundesamt für Naturschutz (⁠BfN⁠) die Tagung „Biodiversität und ⁠Klima⁠ – Vernetzung der Akteure in Deutschland“, um einen Austausch von Fachleuten zu Forschungsergebnissen im Überschneidungsbereich der Themen Biodiversität, Naturschutz und Klimawandel zu fördern. Bei der jährlichen Veranstaltung diskutieren die Fachleute, wie mit Maßnahmen zur Erhaltung der biologischen Vielfalt auch Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel unterstützt werden können beziehungsweise wie Anpassungsmaßnahmen so gestaltet werden können, dass sich Synergien mit dem Naturschutz ergeben.
Am 29. März 2023 hat die Bundesregierung das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) beschlossen. Wälder und Auen, Böden und Moore, Meere und Gewässer, naturnahe Grünflächen in der Stadt und auf dem Land binden CO2 aus der ⁠Atmosphäre⁠ und speichern es langfristig. Sie können zudem negative Auswirkungen des Klimawandels abpuffern, indem sie Wasser in der Landschaft zurückhalten, Hochwasserspitzen kappen und bei Hitze für Abkühlung sorgen. Gleichzeitig werden wichtige Lebensräume für Tiere und Pflanzen gesichert. Natur in Städten und Siedlungen sorgt für bessere Luft, spendet Schatten und kühlt an heißen Sommertagen. Zusammenhängende naturnahe Grünflächen bilden Kalt- und Frischluftschneisen und bieten vielen Tierarten einen Lebens- und Rückzugsraum. Eine Vielzahl von Maßnahmen soll dafür sorgen, dass degradierte Ökosysteme wieder gesund, widerstandsfähig und vielfältig werden. Die Finanzierung des Programms erfolgt weitgehend aus dem neuen Klima- und Transformationsfonds. Bis 2026 stehen für die verschiedenen Maßnahmen insgesamt 4 Mrd. Euro zur Verfügung. Der Schwerpunkt liegt auf der Finanzierung von konkreten Renaturierungsmaßnahmen und Anreizen für klimafreundliche und naturverträgliche Bewirtschaftungsformen.

 

124 - Europäische Kommission: Biodiversity strategy for 2030. https://environment.ec.europa.eu/strategy/biodiversity-strategy-2030_en

125 - ⁠BMUV⁠ – Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz 2023: Nationale Wasserstrategie. Berlin, 119 S. https://www.bmuv.de/wasserstrategie

126 - BfN – Bundesamt für Naturschutz 2023: Handlungsempfehlungen zum Schutz vor Hochwasser und Sturzfluten. https://www.bfn.de/pressemitteilungen/handlungsempfehlungen-zum-schutz-vor-hochwasser-und-sturzfluten

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